Wieso Newey bei der Kühlung so viel riskierte

Simulationsexperte Peter Schöggl erklärt, wieso die Kühlung bei den neuen Antriebseinheiten so heikel ist und analysiert die Lösungen der Teams

(Motorsport-Total.com) - Bereits lange vor dem Saisonbeginn ächzten die Formel-1-Ingenieure: Die größte Herausforderungen an den neuen Antriebseinheiten sei die Kühlung. Das hat sich bei den Wintertests bewahrheitet. Red Bull musste sowohl in Jerez als auch in Bahrain Löcher in die Verkleidung stanzen, um Hitzeschäden abwenden zu können.

Titel-Bild zur News: Red Bull, Heck

Ein Blick reicht: Red Bull war bei den Kühlluft-Auslässen am kompromisslosesten Zoom

Wie immer war Red Bulls Stardesigner Adrian Newey beim Einbau der neuen Antriebselement aufs Ganze gegangen und riskierte damit die Zuverlässigkeit des RB10. Der Bolide hat das schlankste Heck der neuen Generation, aber nach wie vor zahlreiche Kinderkrankheiten. Das könnte sich aber langfristig rentieren, glaubt Simulationsexperte Peter Schöggl, der mit mehreren Formel-1-Teams zusammenarbeitet.

Kühlung kann nur bedingt nachgebessert werden

"Wenn man sich die Top-Autos von hinten ansieht, dann kann man mit freiem Auge erkennen, wie groß die Öffnungen sind, durch die die heiße Luft austreten kann", analysiert Schöggl für 'Motorsport-Total.com'. "Da sieht man, dass Teams wie Williams und Force India, aber auch Mercedes sehr große Öffnungen gemacht haben, während diese bei Ferrari schon etwas kleiner sind." Beim Weltmeisterteam seien die Öffnungen jedoch "mit Sicherheit am kleinsten", was aerodynamisch Vorteile bringt.

AusTeamsicht wäre es eigentlich naheliegend, den Saisonstart mit größeren Kühlluft-Auslässen zu bestreiten und diese im Laufe der Saison zu verkleinern, wenn man die Antriebseinheiten besser kennt und mit den Herausforderungen besser umgehen kann. Glaubt man Schöggl, gestaltet sich dies aber als schwierig, da Änderungen während der Saison nur in beschränktem Maße möglich sind: "Es kann zum Beispiel sein, dass man die Motorhaube ändert und dann der Heckflügel oder der Diffusor anders wirken - ein sehr komplexes Zusammenspiel."

Mercedes, Heck

Sicherheits-Lösung: Der Kühlluft-Auslass des Mercedes ist deutlich wuchtiger Zoom

Er nennt das McLaren-Heck als Beispiel, wo die hinteren Querlenker der Radaufhängung verkleidet und als Flügelelement genutzt werden: "Das kann nicht so einfach umgebaut werden, denn die Position der Kühlauslass-Luft ist auf diese Dreieckslenker abgestimmt. Die gesamte Geometrie muss auf das restliche Fahrzeug abgestimmt sein - also auf den Heckflügel, den Unterboden und so weiter. Man kann diesen Auslass vielleicht kleiner machen, aber er muss weiterhin in diesem aerodynamischen Gesamtpaket funktionieren."

Wieso die neuen Antriebseinheiten so viel Kühlung brauchen

Doch worauf ist die Kühlungsproblematik bei den neuen Antriebseinheiten überhaupt zurückzuführen? Laut Schöggl handelt es sich dabei um mehrere Faktoren, die sich auswirken: "Erstens einmal die Aufladung - Turbolader heißt hohe Temperaturen am Turbolader selbst, aber auch im Motor. Die Auslassventile werden stärker belastet. Zweitens der Elektromotor am Turbolader, mit dem auch Strom produziert werden kann. Dazu kommt, dass das Hybridsystem im Vergleich zum Vorjahr die doppelte Leistung und die zehnfache Energie hat."

Er beschreibt die deutlich gestiegenen Anforderungen an das Energie-Rückgewinnungssystem im Detail: "Im Vorjahr durfte man den Elektroantrieb 6,6 Sekunden lang zuschalten, jetzt sind es mindestens 33,3 Sekunden durch das MGU-K- und zusätzliche Zeit durch das MGU-H-System. Zusätzlich nochmal 16,6 Sekunden für die Aufladung der Batterie. Dadurch ist das Hybridsystem jetzt während einer Runde fast ständig in Betrieb, während das System fast eine Minute pro Runde abkühlen konnte. Der Faktor Temperatur spielt jetzt eine viel größere Rolle."

Peter Schöggl

Simulationsexperte Peter Schöggl kennt die Geheimnisse der neuen Formel 1 Zoom

Das MGU-H-System, bei dem über die Auspuffgase Energie gewonnen wird, ist in Hinblick auf die Kühlung heikler als das MGU-K-System, das die Bremsenergie nutzt. Dazu kommt die Aufladung der Batterie, die für Probleme sorgt: "Sie wird fast ständig geladen oder entladen. Das ist sehr heikel, das muss man erst in den Griff kriegen." Wie lange das dauern wird? "In ein paar Monaten wird das Thema gelöst sein - ich schätze zwischen ein und drei Monaten", meint Schöggl.