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  • 11.03.2014 17:00

  • von Jonathan Noble (Haymarket)

McLaren "außer Form": Warum Dennis zurückgekehrt ist

Ron Dennis ist zurück bei McLaren und kritisiert schonungslos, was im Formel-1-Team während seiner fünfjährigen Abwesenheit schiefgelaufen ist

(Motorsport-Total.com) - Kein Hauptsponsor, die Erinnerung an die verkorkste vergangene Formel-1-Saison und ein Auto, das mehr Leistung braucht - angesichts all dieser Fakten wäre es nachvollziehbar, wenn McLaren eher mit vorsichtig formulierten Zielen in die Saison 2014 starten würde. Doch im Gegenteil: Rückkehrer Ron Dennis geht optimistisch in die neue Saison und erwartet, dass die Entscheidungen, die er seit seiner Rückkehr als Geschäftsführer der McLaren-Gruppe getroffen hat, das Team schon bald wieder auf die oberste Stufe des Podiums führen werden.

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Ron Dennis will McLaren mit tiefgreifenden Änderungen wieder nach vorne bringen Zoom

"Ich glaube daran, dass wir dieses Jahr Rennen gewinnen werden", sagt Dennis und führt weiter aus: "Ich weiß nicht, wie viele wir gewinnen werden oder wie schnell wir gewinnen können. Aber ich habe diesem Teil des Unternehmens besonders viel Konzentration und Hingabe gewidmet." Für einen Mann, der sich damit rühmt, seine Versprechen stets einzuhalten, sagt so eine mutige Aussage alles darüber aus, mit welcher Einstellung das Team in die Saison 2014 geht. Doch sind Siege so schnell nach dem Umbruch in der Führungsetage im vergangenen Winter wirklich realistisch?

Auslöser für die vom McLaren-Vorstand unterstützte Formel-1-Rückkehr von Dennis war die katastrophale Saison 2013. Zum ersten Mal seit 1980 hatte das Team eine Saison ohne eine einzige Podiumsplatzierung abgeschlossen und es wurde klar, dass sich einige Dinge ändern mussten, damit das Team von der bevorstehenden Partnerschaft mit Honda profitieren kann.

Dennis verrät, dass er bereits Mitte des vergangenen Jahres wusste, dass er wieder eine leitende Rolle übernehmen müsste: "Im Januar 2013 übernahm ich eine nicht operative Funktion, und nach nur zwei Tagen war mir klar, dass das nichts für mich ist", erklärt er und fügt hinzu: "Also entschied ich mich nach der Hälfte der Saison dazu, dass es entweder in die eine oder in die andere Richtung gehen musste. Zu Beginn dieses Jahres diskutierte ich das dann mit den Aktionären. Sie hatten sechs Tage Zeit, sich zu entscheiden. Es gab viele klärende Gespräche und am sechsten Tag stand die Entscheidung dann."

"Wir werden dieses Jahr Rennen gewinnen." Ron Dennis

McLaren hatte den Fokus verloren

Dennis bekam den Auftrag, McLaren in der Formel 1 wieder konkurrenzfähig zu machen. Deutlich erklärt er, was genau schiefgelaufen war. So hätten keine einzelnen Entscheidungen dazu geführt, dass das Team auf der Strecke immer mehr an Boden verloren hat. Viel mehr habe sich McLaren Schritt für Schritt in die falsche Richtung entwickelt und so die wirklich wichtigen Ziele aus den Augen verloren.

"Im Leben gibt es Evolutionen und Revolutionen. Und wenn sich Unternehmen weiterentwickeln, dann ist das oft keine positive Entwicklung", sagt Dennis und erklärt weiter: "Wenn Unternehmen diesen Weg einschlagen, dann gehen Kleinigkeiten schief und man verliert den Fokus. Im Bezug auf das Formel-1-Team heißt das: Das Team hat viele periphere Sachen gemacht. Wir haben andere Teams mit Technologien versorgt und wir haben einige Tätigkeiten an Drittanbieter ausgelagert. Wir haben viele Sachen gemacht, die uns abgelenkt haben, und viele Leute hatten neben der Formel 1 noch andere Verantwortlichkeiten. Das gibt es jetzt nicht mehr."

Kevin Magnussen

Nackter Chrompfeil: McLaren ist noch immer auf der Suche nach einem Hauptsponsor Zoom

Neue Strukturen und kein Teamchef mehr

Dennis hat den Fokus so verschoben, dass jeder im Formel-1-Team nun nur noch dafür arbeitet, dass McLaren Rennen gewinnt. Kommerzielle Aspekte sollen, ebenso wie Sponsorentermine, in den Hintergrund treten. Es wird weniger Auftritte in den Medien geben und es soll sich voll und ganz auf McLaren konzentriert werden. "In der Formel 1 gibt es niemanden, der noch eine andere Verantwortung als die Formel 1 hat - schau nur auf die Formel 1 und gewinne in der Formel 1", sagt Dennis.

"Das geht sogar noch einen Schritt weiter - das Formel-1-Team muss nicht für Einnahmen sorgen. Unser neues Modell für das Formel-1-Team sieht so aus, dass es von Leuten getragen wird, die keine anderen Verpflichtungen haben, als in der Formel 1 zu gewinnen. Dieses Modell ist sehr viel fokussierter und jeder versteht, was er zu tun hat", so Dennis weiter.

Auch weiter oben im Team gab es Veränderungen. Beispielsweise fällt ab 2014 die Rolle des Teamchefs weg, die Dennis in der Formel 1 nicht mehr für angemessen hielt. Wegen des wachsenden Zeitdrucks und immer mehr Überseerennen sei das Team während einer Saison nun so viel unterwegs, dass ein Teamchef den Mitarbeitern im Hauptquartier nicht länger die nötige Aufmerksamkeit entgegenbringen könnte.


McLaren-Technical-Centre in Woking

Darum ernannte Dennis Eric Boullier zum Renndirektor. Der Franzose soll sich in dieser Rolle ausschließlich auf den Rennstall konzentrieren. In der Fabrik in Woking gibt es dafür dann einen Geschäftsführer, der sich auf die langfristigen Ziele konzentrieren kann und dafür sorgen soll, dass McLaren auch in Zukunft eine ernstzunehmende Kraft in der Formel bleibt. Dennis erklärt: "Dort (aus der Fabrik; Anm. d. Red.) muss unsere Kraft herkommen. Dort muss die Entwicklung des Autos stattfinden. Wenn man ein Auto schneller macht, passiert es in diesem Gebäude und nicht auf der Rennstrecke. Das, was man hat, wird dort verbessert. Man kann ein Auto nicht vor Ort schneller machen. Das ist unmöglich."

Zurück zu den eigenen Interessen

Ein anderer Teil der Ablenkungen, von denen Dennis spricht, dreht sich um McLarens Einsatz, die Formel 1 finanziell gesünder zu machen. Martin Whitmarsh war Vorsitzender der Teamvereinigung FOTA und gemeinsam mit Stellvertreter Boullier arbeiteten die beiden daran, dass der Sport und seine Teilnehmer möglichst gesund blieben. Dennis, der sich in der Vergangenheit häufig auch selbst für andere Teams in die Schusslinie warf, sagt, dass es für McLaren nun an der Zeit sei, solche Aktivitäten zurückzustellen und an das eigene Wohl zu denken.

"Ich denke, ich habe über die Jahre meinen Teil dazu beigetragen, auch die anderen Teams zu führen. Häufig war das auch ein Nachteil für den Rest der Firma", erklärt Dennis und fügt hinzu: "Ich werde nicht von den Werten der Firma abrücken, und wenn wir glauben, dass etwas richtig ist, dann werden wir das immer unterstützen. Aber dieses Jahr werden wir uns komplett darauf konzentrieren, wieder konkurrenzfähig zu werden. Wir haben in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren zum Wohle des großen Ganzen sehr viel geopfert. Das heißt nicht, dass wir jetzt egoistisch werden; wir werden weiter unsere Standpunkte vertreten und richtige Sachen unterstützen. Aber wir werden nicht vorweg gehen."

"Wir haben viele Sachen gemacht, die uns abgelenkt haben." Ron Dennis

Anstrengende Verpflichtungen

Dennis deutet an, dass es noch weitere Veränderungen geben wird, die weit über die Entscheidung hinausgehen, wer zum Formel-1-Geschäftsführer ernannt wird. Auch wenn gute Leistungen auf der Strecke nicht garantiert sind, ist zumindest klar, dass es Dennis ernst meint. Und von jedem innerhalb der Firma wird erwartet, dass er seinen Ansprüchen gewachsen ist.

"Wenn jeder meine Leidenschaft und meine Hingabe und meinen Fokus teilt, dann ist es fast sicher, dass wir gewinnen", sagt Dennis und erklärt: "Das Unternehmen ist nicht in Form und es muss wieder in Form kommen. Das wird schmerzhaft, also haben die Leute hoffentlich die richtige Einstellung, denn genau darum geht es: Sie müssen verstehen, was wir voneinander erwarten und was ich von ihnen erwarte. So etwas braucht Zeit. Man muss den Leuten Zeit geben, damit sie verstehen, was man von ihnen erwartet und wenn sie das nicht schaffen, dann werden sie nicht länger für die Firma arbeiten."


Fotos: McLaren, Testfahrten in Sachir


Nur das Gewinnen zählt

Dennis ist zuversichtlich, dass er bei der Suche nach einem Hauptsponsor behilflich sein kann. Trotzdem schließt er es komplett aus, das Team selbst zu leiten. Stattdessen will er sich darauf konzentrieren, die Grundlage für eine erfolgreiche Zeit zu legen. "Ich genieße das was ich tue. Ich kann dem Unternehmen eine Menge bieten, aber ich habe kein Interesse daran, das Team zu leiten", erklärt Dennis.

"Ich werde dem Team eine Richtung vorgeben und es von meinem Wissen profitieren lassen. Und wenn es nötig ist, dann werde ich meine Position auch nutzen, um Dinge zu ändern. Ich habe eine Menge Respekt vor den Leuten im Team und ich denke, dass sie einfach abgelenkt und nicht fokussiert genug waren. Wir haben die Fähigkeiten, um uns den verfügbaren Intellekt innerhalb der Firma auch zunutze zu machen", so Dennis weiter.

"Und wenn wir noch mehr Intellekt brauchen, dann werden wir welchen verpflichten. Wir haben einige großartige Leute, die bereits zum Unternehmen gestoßen sind, und wir haben großartige Leute, die demnächst ins Unternehmen kommen", berichtet Dennis und erklärt abschließend: "Wir müssen diese Leute richtig nutzen und dafür sorgen, dass sie sich komplett darauf konzentrieren, worum es in der Firma jetzt einzig und allein gehen soll: Um das Gewinnen."

"Ich habe kein Interesse daran, das Team zu leiten." Ron Dennis