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  • 26.03.2014 11:52

  • von Bernd Mayländer

Bernd-Mayländer-Kolumne: Durch den Monsun

Der große Grand-Prix-Check des Safety-Car-Fahrers: Warum er bei Monsunregen schneller ist als die Formel-1-Stars und wofür er in der Hitze einen Eiskratzer braucht

Titel-Bild zur News: Safety-Car in Malaysia 2012

Durch den Monsun: 2012 musste das Rennen in Sepang unterbrochen werden Zoom

Hallo, liebe Leser,

das vielleicht am heißesten diskutierte Thema nach Melbourne war der neue Sound der Formel 1. Schon am Donnerstag dachte ich mir: Jetzt kann's aber langsam losgehen, ich will die Autos endlich nicht nur sehen, sondern auch hören! Und als es Freitagmittag mit dem Freien Training losging, war ich ehrlich gesagt ein bisschen überrascht, wie leise die jetzt sind. Überrascht, aber nicht zwingend enttäuscht. Auf jeden Fall ungewohnt. Nach so vielen Jahren mit diesem prägnanten V8-Saugmotoren-Sound aus 2,4 Litern Hubraum ist das jetzt Neuland für alle - daran muss man sich erst einmal gewöhnen.

Ich persönlich bin mir noch nicht ganz sicher, wie ich die Geräuschkulisse finden soll. Die Formel 1 muss nicht mehr ganz so laut sein wie früher, aber ein bisschen lauter wäre sicher für die Fans spektakulärer. Der Sound war in der Historie der Formel 1 bisher mindestens das I-Tüpfelchen obendrauf.

Das ist jetzt anders, aber andererseits ist es wichtig, dass die Formel 1 als Königsklasse des Motorsports ein technologischer Vorreiter bleibt. Das ist mit den neuen Regeln gewährleistet. Die neue Antriebsgeneration ist nicht mehr so laut, aber sie ist sehr effizient. Die Zeiten ändern sich eben - das war schon immer so. Und man kann es auch positiv sehen: Man kann jetzt andere Geräusche hören, die bisher im Motorensound völlig untergegangen sind.

Man hört die Fans wieder jubeln

Zum Beispiel den Aufschrei der Fans, als Daniel Ricciardo als Zweiter über die Ziellinie gefahren ist. Ich hatte im ersten Moment den Zusammenhang gar nicht kapiert, als dann plötzlich der Schalter fiel: Klar, Australier in Australien! Zu seiner Disqualifikation möchte ich nur sagen: Schade für ihn, denn seine Leistung war tadellos. Aber die FIA muss eben darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden - und um zweifelsfrei festzustellen, ob das passiert ist oder ob Red Bull mit dem Protest recht hat, geht es jetzt vor das Berufungsgericht.

Nico Rosberg hinter dem Safety-Car

Grand Prix von Australien: Die ersten "Führungsrunden" der Saison 2014 Zoom

Ich selbst habe nach Melbourne ein freies Wochenende zu Hause verbracht, bei traumhaftem Frühlingswetter in meinem Heimatort Schondorf bei Stuttgart. Was gibt es für einen begeisterten Rennfahrer Schöneres, als bei strahlendem Sonnenschein auf einer Outdoor-Bahn mit ein paar Freunden Kartfahren zu gehen? Hat gut getan, das nochmal genießen zu können, denn ab jetzt ist mein Terminkalender so voll, dass ich bis Ende Juni kein freies Wochenende mehr haben werde.

Wenn ihr diese Kolumne lest, bin ich schon in Malaysia. Die Hauptstadt Kuala Lumpur liegt 65 Kilometer von der Rennstrecke in Sepang entfernt, aber ich kann jedem nur empfehlen, "KL" einen Besuch abzustatten - für mich eine der aufregendsten Städte im asiatischen Raum. Die Skyline mit den Petronas-Twin-Towers (auf denen ich leider noch nie oben war) ist phänomenal. Und dementsprechend lebhaft ist auch das Nachtleben in der City.

Die Taxifahrer übertreiben es mit der Klimaanlage

Schwierig ist sicherlich immer der große Temperatur-Unterschied: draußen heiß, drinnen eiskalt, wegen der Klimaanlagen. Ins Taxi kann man - überspitzt gesagt - ab und zu einen Eiskratzer mitnehmen, weil die Scheiben zugefroren sind! Ich gehe abends immer mit Jacke weg und ich ziehe sie nur im Taxi an. Und sonst fällt mir - dann schon an der Rennstrecke - jedes Mal die tolle Pflanzenwelt mit ihrer atemberaubenden Farbenpracht auf. Da haben sich die Streckenbetreiber wirklich Mühe gegeben, das Umfeld wie eine Parklandschaft anzulegen.

Diese Pflanzenwelt wächst natürlich auch deswegen, weil es in Malaysia einerseits extrem heiß ist, gleichzeitig aber auch viel regnet. Regnen ist fast eine Untertreibung: Wenn es richtig losgeht, dann ist das Monsun! Gut in Erinnerung ist mir noch das Rennen im Jahr 2001, als es nach ein paar Runden wie aus Kübeln zu schütten begann. Natürlich wurde ich mit dem Safety-Car auf die Strecke geschickt, weil das für die Formel-1-Autos kein Rennfahren mehr war, sondern eher wie Eiskunstlaufen.


Bernd Mayländer erklärt seinen Arbeitsplatz

Selten, aber doch: Schneller als die Formel-1-Stars

Ich habe dann den Funkspruch bekommen: "Slow down, the drivers can't follow you!" Also: "Mach langsamer, die Fahrer kommen dir nicht hinterher!" Solche Bedingungen sind aus der Ferne kaum nachvollziehbar, das muss man einmal selbst erlebt haben. Normalerweise sind die Formel-1-Autos auch im Regen schneller als das Safety-Car, weil sie mehr Abtrieb generieren. Aber wenn das Wasser so hoch steht, dass die Jungs mit dem Unterboden aufschwimmen, ist es nicht mehr fahrbar.

Das ist in Malaysia schwierig einzuschätzen. Ich kann mich an den Fall erinnern, dass die Rennstrecke zwar zentimetertief unter Wasser stand, aber nicht überall. Die eine Seite war trocken, auf der anderen Seite war Land unter. Das ist in Malaysia alles möglich. Man beobachtet kurz vor dem Rennen den Himmel sehr intensiv, weil selbst der Wetterdienst nicht immer ganz genau vorhersagen kann, wann die Wolke jetzt über der Rennstrecke steht. Trifft sie uns voll oder nur zur Hälfte oder gar nicht?

Bernd Mayländer

Vorfreude auf den zweiten Einsatz der Saison: Malaysia ist ein tolles Land Zoom

Was das Wetter betrifft, ist es also eines der spannendsten und unberechenbarsten Rennen des Jahres. Dementsprechend ist die Gefahr ernsthaft da, dass unterbrochen werden muss, weil es zu riskant ist. Diesen Fall hatten wir 2009, als Jenson Button für seinen Sieg nur halbe Punkte bekam. Ich habe damals das Feld eingesammelt und gefunkt, dass die Bedingungen nicht mehr fahrbar sind. Da waren wir uns alle - Race-Control, Fahrer und ich - relativ schnell einig.

2009: Frühzeitiger Abbruch wegen Regen und Dunkelheit

In 15 Jahren war es für mich das erste Mal, dass ein Rennen wegen Regens abgebrochen werden musste, während auf der Start- und Zielgeraden das ganze Feld hinter mir wartete. Ich blieb zunächst im Safety-Car sitzen, wartete auf Anweisungen von der Race-Control und gab laufend durch, wie sich der Regen verändert. Die Inspektionsrunden auf der Strecke fährt in so einem Fall normalerweise mein Kollege Alan van der Merwe mit dem Medical-Car. Damals wurde in Malaysia zum ersten Mal um 17:00 Uhr gestartet, und so wurde dann auch die Dunkelheit zum Problem.

Ansonsten erinnere ich mich in Malaysia nicht an besonders viele Safety-Car-Einsätze. Die Strecke wurde 1999 in den Formel-1-Kalender aufgenommen und war damals eine der ersten Anlagen mit den allerhöchsten Sicherheitsstandards und dementsprechend weitläufigen Auslaufzonen. Wenn jemand zum Beispiel einen technischen Defekt hat, kann er weit in die Auslaufzonen rollen und da das Fahrzeug abstellen, ohne dass gleich das Safety-Car zum Einsatz kommen muss.

Safety-Car während des Rennabbruchs in Malaysia 2009

Rennabbruch: 2009 wurden zum ersten Mal seit Adelaide 1991 halbe Punkte vergeben Zoom

Für die Formel-1-Fahrer ist der Grand Prix von Malaysia immer eine der härtesten Hitzeschlachten des Jahres. Nicht nur wegen der hohen Temperaturen und der hohen Luftfeuchtigkeit, sondern auch wegen der anspruchsvollen Strecke. Das geht gleich los mit der brenzligen Startphase, wenn 22 Autos in der ersten Kurve versuchen, Plätze gutzumachen. So viele Autos gehen da einfach nicht durch.

Anspruchsvolle Strecke mit schnellen Kurven

Die erste 180-Grad-Kehre nach rechts ist meistens noch machbar, aber gleich danach kommt eine abfallende 150-Grad-Linkskurve, und spätestens da kann es ganz schnell zu einer Berührung kommen. Und sonst gibt es ein paar Kurven, die im Formel 1 voll gehen, aber nur solange die Reifen frisch sind. Kurve 11 ist phänomenal: ganz schnell mit etwa 250 km/h, fällt nach links ab, mit schlechter werdenden Reifen eine echte Herausforderung. Die macht mir auch im Safety-Car Spaß!

Ein bisschen durchatmen und mal in Ruhe mit der Box funken können die Fahrer am ehesten auf den beiden langen Geraden bei Start und Ziel. Dort kann man auch das DRS einsetzen und überholen - breit genug dafür ist die Strecke. So gesehen hat der Sepang International Circuit alles, was eine moderne Rennstrecke braucht. Und obwohl er jetzt 15 Jahre alt ist, ist sein Zustand - mit ein paar kleinen Ausnahmen rundherum - baulich noch recht gut.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Malaysia

Malaysia sagt schon mehr aus als Australien

Sportlich gesehen freue ich mich auf die nächste Standortbestimmung, denn Malaysia hat normalerweise mehr Aussagekraft als der Saisonauftakt in Australien. Grundsätzlich hat sich beim ersten Rennen die Hackordnung der Wintertests bestätigt, und mit Nico Rosberg auf Mercedes gab es auch einen Favoritensieger. Aber jetzt geht es erst ums Eingemachte, denn die Strecke in Malaysia ist eine echte Referenz für die Stärken und Schwächen eines Formel-1-Autos.

Bei den hohen Temperaturen werden die neuen technischen Systeme voll auf die Probe gestellt, und auch für die Pirelli-Reifen wird Malaysia der erste richtige Härtetest. Wir haben einfach noch keine Testergebnisse bei so hohen Temperaturen. So gesehen ist Sepang die erste permanente Rennstrecke, auf der man sehen wird, wie der erste Teil der Saison verlaufen könnte. Auch wenn man das weiterhin mit Vorsicht genießen muss, denn die Teams befinden sich mit den neuen Regeln immer noch in der extremen Lernphase.

Euer

Bernd Mayländer

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