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  • 04.11.2012 13:47

Surer: "Red Bull hat eine gute Ausgangslage verspielt"

Formel-1-Experte Marc Surer erklärt im Interview, was Sebastian Vettel trotz seiner Strafversetzung erreichen kann - Was genau war los bei Red Bull?

(Motorsport-Total.com/Sky) - Sebastian Vettel geht aus der Boxengasse in den Großen Preis von Abu Dhabi. Und das ist ein sehr großes Handicap, zumal sein WM-Rivale Fernando Alonso (Ferrari) von Position sechs losfährt. Ein technisches Problem in der Qualifikation hatte am Samstag jedoch dafür gesorgt, dass Red-Bull-Pilot Vettel nicht den eigentlich dritten Startplatz einnehmen kann. Im Interview erklärt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer, was von dieser Situation zu halten ist und was drin ist für Vettel.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Formel-1-Experte Marc Surer traut Sebastian Vettel eine Aufholjagd zu

Frage: "Mark, Red Bull dachte wohl zunächst, sie kommen bei Sebastian Vettel mit einem blauen Auge davon. Sie hatten auf 'höhere Gewalt' plädiert. Bei der Tankkontrolle ging es aber doch schief. Was meinst du: Haben sie bei der Tankkontrolle bereits gewusst, dass zu wenig Sprit im Tank ist?"
Marc Surer: "Wir hatten ja schon am Samstagabend gehört, dass es möglicherweise ein Problem bei der Benzinzufuhr sei."

"Mit anderen Worten: Die Pumpe hat Luft gezogen. Dann gibt es natürlich ein Zufuhr-Problem. Wenn zu wenig Sprit kommt, läuft der Motor natürlich mager. Es sind hochempfindliche Motoren. Deshalb hat Renault angesichts der Benzindruck-Probleme gesagt: 'Stellt bitte ab, damit dem Motor nichts passiert.'"

Frage: "Bei Lewis Hamilton ist in Barcelona schon einmal etwas dergleichen passiert. Damals hat man versucht, zu verschleiern, dass zu wenig Sprit im Tank war. Wie schätzt du den jetzigen Fall ein? Ist das auch ein Versuch der Verschleierung und eigentlich nicht 'höhere Gewalt'?"
Surer: "Wir haben ja gehört: Es ist sehr knapp ausgegangen."

"Vielleicht hätte man ja Glück haben können, falls noch genug Sprit im Tank gewesen wäre. Dann hätte man die Kontrolle überstanden. Das war aber nicht der Fall. So viel hat allerdings nicht gefehlt. Man berechnet das ja immer bis auf den letzten Drücker."

"Jedes Gramm, das zu viel im Auto ist, kostet schließlich Zeit. Als Vergleich: Auf eine Runde machen drei Kilogramm eine Zehntelsekunde aus. Manchmal sehen wir ja: Zwischen Platz zwei und Platz drei liegen nur ein paar Hundertstel. Also: Wenn man knapp berechnet, kann es einen Platz ausmachen. Dieses Mal war es aber zu knapp."


Fotos: Michael Schumacher, Großer Preis von Abu Dhabi


Frage: "Ist Red Bull in dieser entscheidenden Phase der WM zu viel Risiko eingegangen?"
Surer: "Nun, wir wissen nicht, ob es ein Fehler war oder ob sie bewusst so knapp kalkuliert haben. Wenn es ein Fehler war - okay, das kann immer passieren."

"Wenn sie aber knapp kalkuliert haben, muss ich sagen, verstehe ich das nicht ganz. Sie waren vom Tempo her ja deutlich vor Alonso. Und das ist alles, worum es in der Weltmeisterschaft geht. Das hätte er auch mit einem Kilogramm mehr Sprit locker geschafft. So gesehen: Wenn sie knapp kalkuliert haben, war es ein großer Fehler des Teams."

Frage: "Wie schätzt du es ein: Kann das Sebastian Vettel womöglich den WM-Titel kosten?"
Surer: "Im Moment sieht es nicht so schlimm aus, aber natürlich: Wir wissen ja nicht, was in den nächsten Rennen passiert. Das sind verschenkte Punkte."

"Wäre er vor Alonso ins Ziel gekommen, hätte er bereits in Austin den Sack zumachen können. Jetzt muss er aufholen und von hinten versuchen, so dicht wie möglich an Alonso heranzukommen. Es gilt, den Punkteverlust nicht zu groß werden zu lassen. Es sind einfach schlechtere Voraussetzungen. Man hat eine gute Ausgangslage verspielt."

Frage: "Sebastian Vettel geht aus der Boxengasse ins Rennen. Was glaubst du: Was ist auf diese Weise noch drin für ihn?"
Surer: "Der Vorteil, aus der Boxengasse starten zu können, ist gleichzeitig auch ein Nachteil. Wenn man schaut, wer ganz hinten steht: Wäre er auf der Strecke gestartet, hätte er bis zu ersten Kurve sicher zwei, drei Autos überholen können."

"Er hat schließlich KERS, die Anderen da hinten nicht. Das heißt: er wäre schon beim Start um zwei, drei Autos nach vorn gelangt. Der Vorteil, aus der Boxengasse zu starten, ist natürlich, dass er jetzt das Fahrzeug verstellen kann. Und sie haben offensichtlich auch die Getriebeübersetzung gewechselt."

"Er hat für die letzten drei Rennen auch ein neues Getriebe erhalten. Die neue Übersetzung deshalb, weil er ja überholen muss. Sein Auto war im Training gegenüber langsamen Fahrzeugen ungefähr elf km/h zu langsam. Mit einer veränderten Übersetzung sollte er besser überholen können und kommt dann besser nach vorn. Mal sehen, ob das aufgeht."