Sorgt die wirtschaftliche Lage für mehr Bezahlfahrer?

Während Martin Whitmarsh glaubt, dass es zu viele Bezahlfahrer in der Formel 1 gibt, meint Christian Horner, dass diese schon immer zum Rennsport dazugehören

(Motorsport-Total.com) - Die Diskussion um die sogenannten Bezahlfahrer ist ein Dauerbrenner in der Formel 1. Egal ob junge Talente, alternde Stammfahrer oder Fans und Medien: Mit schöner Regelmäßigkeit findet sich jemand, der kritisiert, dass viele Fahrer nicht wegen ihres Talents, sondern wegen ihrer Geldbörse in der Formel 1 fahren. Red-Bull-Teamchef Christian Horner, dessen Team zugegebenermaßen von der Thematik nicht betroffen ist, kann die Aufregung jedoch nicht so ganz verstehen. Für ihn gehören Bezahlfahrer zur Formel 1 dazu:

Titel-Bild zur News: Narain Karthikeyan

Narain Karthikeyan gilt vielen als Beispiel für einen Bezahlfahrer

"Ich denke seit Beginn der Formel 1 im Jahr 1950 gab es Fahrer, die für ihr Cockpit bezahlt haben und Fahrer, die von den Teams bezahlt wurden", so Horner. "Wegen der Kosten des Grand-Prix-Sports war das schon immer der Fall." Allerdings gebe es aktuell keine talentfreien Piloten, die sich ein Cockpit erkauft hätten: "Auch heute gibt es Fahrer, die mit einem Sponsor in Verbindung stehen, dennoch müssen sie ihr Talent und ihre Fähigkeiten beweisen", meint Horner.

So haftete beispielsweise Pastor Maldonado und Sergio Perez, trotz ihrer Erfolge in der GP, zu Beginn ihrer Formel-1-Karriere der Ruf eines Bezahlfahrers an. Zwar verfügen beide Piloten über zahlungskräftig Sponsoren, jedoch haben beide mittlerweile gleichermaßen ihr Talent unter Beweis gestellt. Perez ist in der kommenden Saison als McLaren-Pilot unabhängig von den Zahlungen seiner Sponsoren.

Mehr Tests=weniger Bezahlfahrer?

Horner gibt jedoch zu, dass seine Wunschvorstellung eine andere wäre: "In einer idealen Welt würden die 24 talentiertesten Rennfahrer der Welt in der Startaufstellung der Formel 1 stehen. In der Wirklichkeit ist das aber nicht der Fall, denn die Formel 1 ist auch ein Business und unterliegt wirtschaftlichen Zwängen", gibt Horner zu bedenken. "Ich denke, wir müssen immer die Balance wahren."

Daniel Juncadella

Ferrari lässt regelmäßig junge Fahrer in alten Autos testen Zoom

Stefano Domenicali sieht es ähnlich: "Ich stimme Christian zu, möchte aber einen Punkt ergänzen", so der Ferrari-Teamchef. "Je weniger Gelegenheiten zu Testfahrten junge Fahrer erhalten, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich Fahrer mit Geld bei einem Team empfehlen. Das ist der Grund, warum wir mehr testen wollen, damit jeder Fahrer nicht nur zeigen kann, wie viel Geld er dem Team bringen kann, sondern auch wie gut er auf der Strecke ist."

Ferrari fordert seit Langem deutlich mehr Testfahrten. Allerdings lässt die Scuderia auch jetzt schon regelmäßig junge Talente ans Steuer. So testeten Anfang November in Vallelunga drei Fahrer, unter ihnen auch Formel-3-Euroserie-Meister Daniel Juncadella, einen F60 aus der Saison 2009.

Martin Whitmarsh sieht das Thema Bezahlfahrer etwas kritischer als seine Kollegen: "Ich denke, es gibt einige gute Bezahlfahrer, aber meiner Meinung nach gibt es zu viele Teams, die von solchen Fahrern abhängig sind", so der McLaren-Teamchef. Allerdings sei dies auch dem derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld geschuldet. "Das ist etwas traurig für den Sport, zeigt aber auch, unter welchem finanziellen Druck wir stehen."

"Es gibt zu viele Teams, die von solchen Fahrern abhängig sind." Martin Whitmarsh

Whitmarsh fordert weitere Kostenreduzierung

Prinzipiell hat Whitmarsh nicht gegen Bezahlfahrer einzuwenden: "Es wird immer Bezahlfahrer geben", so der Brite, der die aktuelle Situation jedoch als Warnsignal verstanden wissen will: "Wenn die Mehrheit des Feldes darauf angewiesen ist, so ist das ein Beleg dafür, dass wir unsere Anstrengungen zur Kostenreduzierung erhöhen müssen. Leider müssen die drei Teams an der Spitze ihre Fahrer bezahlen", so Whitmarsh mit einem Augenzwinkern, "aber ich denke, wir müssen die finanzielle Gesundheit des Sports verbessern, damit es weniger Bezahlfahrer gibt."

Caterham-Teamchef Cyril Abiteboul erklärt: "Martin hat mit seinem Verweis auf die Weltwirtschaft recht, aber ich denke, es ist ein wenig komplexer. Ich mag den Begriff Bezahlfahrer nicht, ich sehe sie vielmehr als wirtschaftliches Element", so der Franzose, der erst vor Kurzem das Ruder bei Caterham übernommen hat. "Wenn du im Hinterfeld der Formel 1 fährst, ist das entscheidend, denn du wirst bei der TV-Übertragung nun einmal weniger wahrgenommen als die anderen Teams", erklärt Abiteboul.

Kein Fahrer zahlt wirklich selbst

"Wir wollen uns aber nicht beschweren", so der Franzose weiter. "Wir müssen uns verbessern und im Feld nach vorne rücken, um mehr Übertragungszeit zu erhalten. Bis es jedoch so weit ist, sind unserer Fahrer Botschafter, ein wirtschaftliches Element, welches für jeden unserer Sponsoren einen Wert hat." Wirkliche Bezahlfahrer im eigentlichen Sinne gibt es laut Abiteboul gar nicht, zumindest nicht bei Caterham.

"Wenn wir von den Verträgen reden, dann ist es nicht so, dass unsere Fahrer tatsächlich für ihr Cockpit bezahlen müssen. Es geht darum, dass sie Sponsoren mitbringen, die uns bei der Finanzierung der Saison und ihrer Gehälter unterstützen. Tatsächlich zahlen müssen sie nichts", so Abiteboul. Und Sponsoren habe schließlich jeder Rennfahrer. "Ich möchte nicht polemisch werden, aber selbst die besten Fahrer bei den Spitzenteams haben Sponsoren, und ich glaube nicht, dass man einen von ihnen als Bezahlfahrer bezeichnen würde", so der Caterham-Teamchef.

"Ich mag den Begriff Bezahlfahrer nicht, ich sehe sie vielmehr als wirtschaftliches Element." Cyril Abiteboul

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