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  • 23.10.2012 14:37

Tombazis: "Arbeit in zwei Windkanälen ein Nachteil"

Ferrari-Chefdesigner Nikolas Tombazis erklärt die Strategie, wie Ferrari die WM noch drehen will, gibt aber zu, dass die Windkanalprobleme sich auswirken könnten

(Motorsport-Total.com) - Nach der sensationellen Entwicklung des F2012 zu Saisonbeginn, als Ferrari aus einer vermeintlichen Fehlkonstruktion ein Siegerauto zaubert, geriet diese in der zweiten Saisonhälfte ins Stocken. Durch das Pech von Sebastian Vettel, dessen Lichtmaschine in Monza streikte, schien man zunächst nicht darunter zu leiden, doch in Singapur platzte beim Weltmeister der Knoten und er triumphierte bei den vergangenen drei Rennen.

Titel-Bild zur News:

Technikchef Pat Fry und Chefdesigner Nikolas Tombazis stehen unter Druck Zoom

In Südkorea stürzte Vettel Fernando Alonso vom Thron des WM-Leaders, wo der Spanier seit Juni gesessen hatte. Dazu kam die Hiobsbotschaft, dass der Ferrari-Windkanal falsche Daten ausspuckt. Wie Ferrari mit der schwierigen Lage umgeht, wie man das Windkanalproblem lösen will und wie man die WM noch drehen will, erklärt der griechische Chefdesigner Nikolas Tombazis im Interview.

Frage: "Nikolas, wir biegen in die Zielgerade der Saison 2012 ein. Wo steht Ferrari bei der Entwicklung des diesjährigen Autos?"
Nikolas Tombazis:"Die letzten vier Rennen stehen bevor. Wir haben die WM-Führung verloren und müssen gegen unsere Hauptrivalen etwas an Performance gutmachen. Das bedeutet, dass wir nicht mehr verteidigen können, sondern in den letzten vier Rennen angreifen müssen. Wir haben einen Plan, der es vorsieht, zu jedem einzelnen Rennen Updates zu bringen. Hoffentlich gelingt es uns so, den Titel nach Hause zu bringen."

Frage: "Einer der Schlüssel für den Erfolg ist die ständige Weiterentwicklung. Bist du damit 2012 glücklich?"
Tombazis: "Wenn man es insgesamt betrachtet, kann man zufrieden sein, schließlich sind wir einer der zwei größten Anwärter im Kampf um den Titel - und das, obwohl wir zu Beginn wirklich in schlechter Form waren. Gleichzeitig muss man aber sagen, dass wir gehofft hatten, bei den letzten Rennen etwas weiter vorne zu sein. Wir brachten recht viele Updates zu den Rennen und hofften, dass wir dadurch die Lücke zu den Hauptrivalen schließen können."

"Ich bin mit den letzten paar Monaten nicht zufrieden." Nikolas Tombazis

"Das hat aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert. Das war ganz klar frustrierend, und wir mussten genau analysieren, was nicht funktioniert hat und müssen versuchen, das wett zu machen. Ich bin mit den letzten paar Monaten nicht zufrieden, aber insgesamt hat es gepasst. Ich hoffe, dass wir mit den letzten vier Rennen wieder zufrieden sein dürfen."

Frage: "Welche Taten wurden gesetzt, um diese Probleme zu lösen?"
Tombazis: "Wir brachten einige Teile an die Strecke, von denen wir geglaubt hatten, dass sie das Auto schneller machen würden - sie hatten aber einen negativen Effekt. Aus diesem Grund mussten wir bei der Analyse sehr vorsichtig sein. Wenn Teile im Windkanal den Anschein machen, besser zu sein, das aber nicht an der Strecke beweisen, dann muss man sehr vorsichtig sein. Wir entschieden uns dazu, einen Aerodynamiktest durchzuführen, um diese Teile zu evaluieren und an deren Feinabstimmung zu arbeiten. Wir erhielten ein paar sehr interessante Antworten und erkannten ein paar klare Trends, was falsch läuft. Wir sind der Meinung, dass wir die richtigen Schritte eingeleitet haben, um das wett zu machen."

Frage: "Wie sehen die langfristigen Lösungsansätze aus, um die Probleme mit der Korrelation des Windkanals in den Griff zu kriegen?"
Tombazis: "Nun ja - wenn man in der Formel-1-Aerodynamik über die Korrelation des Windkanals spricht, dann meint man damit in Wahrheit das Niveau, auf dem dein Windkanal die aerodynamische Performance des Autos auf einer echten Rennstrecke vorhersagen kann. Bei der Korrelation des Windkanals misst man nicht mit schwarz oder weiß - man hat es oder man hat es nicht -, sondern es gibt unterschiedliche Niveaus. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe für eine mangelhafte Korrelation - die Qualität des Luftstroms, der Maßstab des Autos oder die Größe des Windkanals."

"Bei unserem Windkanal ist klar, dass wir es in einigen Bereichen nicht geschafft haben, die Performance des Autos zu verbessern. Es gibt zweifellos ein Problem, das wir lösen müssen. Wir haben uns entschieden, einige sehr signifikante Schritte einzuleiten, um unseren Windkanal zu erneuern, damit er auf dem neuesten Stand der Technik ist. Im Vergleich zu einigen Rivalen ist unser Windkanal derzeit etwas älter, und wir glauben, dass wir in einigen Bereichen etwas zurückgefallen sind."

"Das ist der Grund, warum wir uns für einige dieser großen Updates beim Windkanal entschieden haben. Das benötigt natürlich Zeit. Es liegen Monate vor uns, wo diese Aktionen durchgeführt werden müssen. Wir können in diesem Zeitraum natürlich nicht die Entwicklung auf Eis legen. Daher mieten wir uns in einem anderen Windkanal ein und treiben dort unsere Entwicklung voran, während unser Windkanal upgedatet wird. Hoffentlich kehren wir am Ende dieses Prozesses zu einer viel genaueren und besseren Einrichtung zurück und können dann wieder zuhause weiterentwickeln."

"Wir haben uns zu sehr signifikanten Schritten entschieden, damit der Windkanal auf dem neuesten Stand der Technik ist." Nikolas Tombazis

Frage: "Wie schwierig ist es, gleichzeitig mit zwei verschiedenen Windkanälen zu arbeiten?"
Tombazis: "In einer perfekten Welt wäre es natürlich viel einfacher, nur in einem Windkanal zu arbeiten, der die perfekten Resultate liefert. Man müsste nicht immer vergleichen, sondern könnte sich auf die Messungen verlassen. Wenn man aber Korrelationsprobleme hat, dann ist es nützlich, einige Tests in einer anderen Anlage zu machen und die Ergebnisse dann zu vergleichen. Das ist der Grund, warum wir uns für einen zweiten Windkanal entschieden mussten. Das macht das Leben auf jeden Fall schwieriger, aber wenn man diese Korrelationsprobleme hat, dann ist es nützlich."

Frage: "Wie schätzt du das Verhalten des Autos bei den letzten vier Rennen aus aerodynamischer Sicht ein?"
Tombazis: "Bei den letzten vier Rennen handelt es sich um Strecken mit viel Abtrieb. Zwei davon sind nahe am maximalen Abtriebsniveau, die zwei anderen nähern sich eher dem Durchschnitt an. Es gibt beim aerodynamischen Setup aber keine sehr großen Unterschiede. Unser Ziel ist es also - und das ist nicht streckenabhängig - die Updates aus dem Windkanal so schnell wie möglich auf die Strecke zu bringen und dort die Performance zu bestätigen. Hoffentlich haben wir nicht die eben besprochenen Probleme, sondern können die Performance im Windkanal bei jedem Rennen zu einer Leistungssteigerung nutzen."

Frage: "Wie bestimmt ihr die aerodynamische Konfiguration für eine brandneue Strecke wie Austin?"
Tombazis: "Wenn ihr am Freitag in Austin ankommen, dann werden wir nicht zum ersten Mal über das Setup des Autos nachdenken. Wir haben eine Karte Strecke und Informationen erhalten und diese Daten dann für die Simulation genutzt - ob offline mit Simulationswerkzeugen oder im wirklichen Simulator. Daher haben wir bereits viel Setuparbeit durchgeführt - ob aerodynamisch oder bei der Radaufhängung und so weiter. Wir haben das Gefühl, dass wir einen recht guten Eindruck haben, was uns dort erwarten wird. Wenn wir dort ankommen, dann geht es natürlich um die Feinabstimmung. Es wird sicher Aspekte geben, die wir nicht zur Gänze simuliert haben und ein paar Anpassungen benötigen. Das wird am Freitag passieren."

"Hoffentlich können wir die Performance im Windkanal bei jedem Rennen zu einer Steigerung nutzen." Nikolas Tombazis

Frage: "Wie sieht es mit der Entwicklung des Autos für 2013 aus?"
Tombazis: "Das Auto für 2013 befindet sich in einem recht fortgeschrittenen Stadium. Wir haben das Glück, dass das Reglement für 2013 gleich bleibt, schließlich befinden wir uns in einem Titelkampf. Die aerodynamische Arbeit, die wir also jetzt für das 2012er-Auto machen, fließt auch in das 2013er-Auto ein - das ist positiv für beide Autos. Aus mechanischer Sicht mussten wir einen großen Teil des Autos - das Chassis, das Getriebe, die Mechanik, die Aufhängungen, Crashstruktur - abschließen, schließlich müssen wir mit der Produktion der Teile beginnen. Das Auto befindet sich derzeit bereits in der Produktion. Das Aerodynamikpaket benötigt aber noch viel Weiterentwicklung, denn der Großteil dieser Arbeit wird passieren, wenn wir die Entwicklung für 2012 abschließen."