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  • 26.10.2012 19:23

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Frau am Steuer: Echte Chancen für Wolff und Co.?

Die Diskussion um Frauen in der Formel 1 ist nach der Testfahrt von Susie Wolff neu entfacht: Martin Whitmarsh skeptisch, Max Mosley überzeugt

(Motorsport-Total.com) - Selten war ein solch glückliches Strahlen im Gesicht von Susie Wolff zu sehen. Die Britin, die in den vergangenen Jahren in der DTM oft einen schweren Stand hatte und sich am vergangenen Wochenende in Hockenheim endgültig aus der Szene verabschiedete, hat beim Williams-Test vor rund zehn Tagen neues motorsportliches Blut geleckt. "Es war genial. Ein Formel-1-Auto tut genau das, was man von einem Wagen will - alles ist wunderbar direkt und logisch", so Wolff auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'.

Titel-Bild zur News: Susie Wolff

Susie Wolff hat ihren Einsatz im Williams-Renault FW34 in vollen Zügen genossen Zoom

Für die Blondine stand spätestens nach dem Test in Silverstone fest, dass die DTM nicht mehr richtige Bühne ist. "Ich will wieder Spaß haben im Rennauto", sagt sie, ohne die DTM an sich verteufeln zu wollen. Mercedes wird Wolff vermutlich ein Programm im GT3-Auto SLS AMG anbieten, zusätzlich möchte Wolff weitere Simulatortests und Probefahrten im Formel-1-Auto absolvieren. Aus internen Kreisen war zu hören, dass selbst gestandene Williams-Ingenieure höchst erstaunt von ihrer Performance waren. Formel-2-Champion Luciano Bacheta konnte offenbar nicht mithalten.

Der Auftritt und die Leistung von Susie Wolff haben die Diskussion um Chancen von Frauen in der Formel 1 neu entfacht. "Die Chance ist jetzt und in der Zukunft um einiges größer als vor 20 Jahren. Als ich mit dem Kartsport begann, gab es eine einzige Rennfahrerin in Schottland und ungefähr zwei oder drei in Großbritannien. Heute gibt es im Kartsport einen großen Prozentsatz an Frauen. Darauf lässt sich aufbauen", meint Ex-Formel-1-Pilot Allan McNish auf 'Sky Sports F1'.

"Sie werden immer besser, immer fokussierter und sich immer besser einfinden. Ich sehe keine Grund, warum es in der Zukunft keine Rennfahrerin auf dem höchsten Niveau geben sollte", sagt der Landsmann von Wolff. "Ich kann da mitreden, denn in meinem Team fuhr einst die einzige Frau, die jemals in die WM-Punkteränge kam - das war Lella Lombardi in den 1970er-Jahren", erklärt Ex-FIA-Präsident Max Mosley. "Für mich steht es außer Frage, dass eine Frau das schaffen könnte."

"Es geht um Kraft im Oberkörper, und das ist möglich. Wenn Mädchen das wollen, dann können sie es tun", meint der Brite. "Mein Nachfolger Jean Todt hat auch eine Art Frauenkomittee gegründet, das von Michele Mouton angeführt wird. Sie gewann im direkten Duell mit den Männern Rallyes. Sie hat das einfach geschafft - und zwar in den Tagen, als die Rallyes wirklich hart waren. Sie fuhren oft bei Nacht und so weiter. Es wird passieren."

Mosley und McNish stehen mit ihrer Meinung nicht allein da, aber es gibt auch Skeptiker. "Das Traurige ist, dass es im Motorsport ab einer gewissen Formelklasse einfach einen Punkt gibt, an dem die physischen Belastungen einfach schwieriger werden", meint beispielsweise McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Die Erfolge einer Danica Patrick in den USA seien nachvollziehbar, weil die physischen Belastungen im Oval "statischer" seien.

"Die Lenkkräfte sind weit weniger dramatisch als in der Formel 1, auch die Bremskräfte. Die physischen Faktoren sind sicher ein Nachteil für Frauen", betont der McLaren-Teamchef. "Wenn ein Formel-1-Fahrer heute bremst, springt er regelrecht auf das Pedal, um 120 bar Druck zu erzeugen", meint Whitmarsh und ist sicher, dass Frauen so etwas auf Dauer nicht leisten können. Es gehe nicht nur um die Kraft beim Bremsen, so der Brite.

"Ich weiß nicht, wie viele Frauen sich einen Nacken von einem guten halben Meter wünschen. Bei fünf g wirken auf dich das Gewicht deines Kopfes und des Helms ein, multipliziert mit fünf", beschreibt er die Belastungen, die in der Formel 1 verkraftet werden müssen. "Warum keine Rennfahrerinnen? Schaut doch mal in die GP2 oder GP3, dann erübrigt sich diese Frage", sagt Whitmarsh. Dort sind die Flieh- und Bremskräfte geringer, aber die Frauendichte bislang ebenso.