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Siegfluch in Enstone: Wann wird Lotus endlich erlöst?

Jedes Rennen gilt Lotus als Geheimfavorit, doch der letzte Sieg des Teams aus Enstone liegt weit zurück - Warum der Durchbruch bald bevorsteht

(Motorsport-Total.com) - Auf dem Lotus-Rennstall scheint ein Fluch zu lasten. Nach wie vor wartet man auf den ersten Grand-Prix-Sieg in dieser Saison - insgesamt ist es bereits fast fünf Jahre her, dass die Truppe aus Enstone mit Fernando Alonso in Japan 2008 zum letzten Mal gewonnen hat. Im Fahrerlager ist man sich seit einigen Rennen einig, dass Eric Boulliers Team als nächstes in dieser Saison ein Rennen gewinnen wird - inzwischen kamen bereits fünf Rennställe vor Lotus in diesen Genuss.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Lotus befindet sich im Aufwind, doch wann klappt es mit dem ersten Sieg?

Der Grand Prix von Europa in Valencia sorgte für ein weiteres Kapitel dieser traurigen Geschichte - Romain Grosjean durfte sich nach dem Ausfall von Sebastian Vettel gute Chancen auf den ersten Grand-Prix-Sieg ausrechnen, als bei seinem Boliden wie beim Red-Bull-Piloten die Lichtmaschine streikte und er ohne Vortrieb ausrollte.

Aufwind deutlich spürbar

Dennoch beweist die Bilanz 2012, dass Lotus reif ist für den ersten Sieg: Kimi Räikkönen hat bisher drei Podestplätze zu Buche stehen, bei seinem französischen Teamkollegen sind es zwei. Und in der Konstrukteurs-WM liegt man vor Ferrari und Mercedes auf dem dritten Platz - elf Punkte hinter McLaren, 50 hinter Leader Red Bull.

Wenn man die bisherige Saison mit 2011 vergleicht, dann erkennt man die Fortschritte des Teams: Die aktuelle Fahrerpaarung macht einen stärkeren Eindruck als das Gespann Nick Heidfeld und Witali Petrow. Auch der Leistungsverfall nach dem starken Auftakt (2011 zwei Podestplätze in den ersten zwei Rennen, Anm.) konnte dieses Jahr verhindert werden.

Lotus-Fabrik in Enstone

In Enstone hat man dieses Jahr ein gelungenes Auto gebaut Zoom

Der Nachteil des "Reifenflüstern"

Grundsätzlich gilt beim Lotus E20 die goldene Regel: Je höher die Temperaturen, desto besser funktioniert er. Das könnte sich vor allem bei den Hitzerennen im Sommer rentieren. Hinter dieser Charakteristik verbirgt sich eine klare Designphilosophie, wie Teamchef Eric Boullier gegenüber 'Sky Sports F1' verrät: "Wir haben uns darauf konzentriert, dass das Auto die Reifen während des Rennens schont. Wie wir in Kanada gesehen haben, ersparen wir uns damit einen Boxenstopp, was bei den meisten Rennen ein enormer Unterschied ist."

Doch was im Rennen zur Trumpfkarte werden kann, erwies sich im Qualifying bereits mehrmals als Achillesferse. "Wenn wir nicht die richtige Temperatur erreichen, dann haben wir manchmal Probleme, den Reifen für eine schnelle Runde im Qualifying anzuwärmen und Grip zu erlangen", gibt der Franzose zu, dass der E20 auch seine launischen Seiten hat.

Wie Räikkönen seine Qualifying-Probleme löste

Dies bekam bisher meist Räikkönen zu spüren. Der Finne tut sich im Qualifying meist schwerer als Grosjean, der die Pirelli-Reifen aus seiner Zeit als Testfahrer für den italienischen Reifenhersteller gut kennt. "Vor allem ich hatte immer wieder Schwierigkeiten, gleich in der ersten Runde schnell zu sein", fällt dem Comeback-Star gegenüber 'Sky Sports F1' auf.

Inzwischen konnte man dem Boliden aber seine Launen beinahe austreiben. "Wir haben das Auto aber mit anderen Einstellungen verbessert", erklärt Räikkönen den Weg zum Erfolg. "Jetzt scheint es zumindest für mich etwas einfacher zu sein, die eine Runde gut hinzukriegen. Im Rennen war das Auto von Anfang an gut."


Fotos: Lotus, Großer Preis von Europa


Lehrstunde in Schanghai

Doch einmal machten die Reifen dem Lotus-Piloten im Rennen einen ordentlichen Strich durch die Rechnung - als man in China etwas zu optimistisch an die Sache heranging und Räikkönen in der Endphase vom zweiten auf den 14. Platz durchgereicht wurde.

"Ich kann mich nicht über die Reifen beschweren", spricht er Pirelli trotz der bitteren Lehrstunde frei. "Wir haben einfach zu früh gestoppt und wollten es bis zum Ende schaffen. Da können wir uns wirklich nur bei uns selbst beschweren. Wir selbst sind schuld, dass wir so viele Plätze und im Endeffekt den zweiten Platz verloren haben. Wir haben es versucht und wir haben verloren - man muss seine Chancen nutzen."

Doch nicht nur er, sondern auch Teamkollege Grosjean musste bereits einige bittere Momente überstehen. Mehrmals schied er in den ersten Runden des Rennens aus guten Startpositionen durch Kollisionen aus - Kritiker werfen ihm vor, beim Start zu aggressiv zu Werke zu gehen. Boullier zeigt dennoch Nachsicht mit seinem Schützling: "Er hatte drei Ausfälle, aber er hat aus seinen Fehlern gelernt. Zudem hatte er ein paar sehr ordentliche Rennen."

Romain Grosjean

In Kanada durfte Romain Grosjean über Platz zwei jubeln Zoom

Gelingt Grosjean der erste Sieg?

Zum Beispiel in Kanada, wo er sich aus Startposition sieben auf Rang zwei nach vorne arbeitete und in der Endphase deutlich schneller war als Sieger Lewis Hamilton. Und das trotz einer Einstopp-Strategie, während die meisten Piloten auf zwei Stopps setzten. "Das Rennen in Kanada war wirklich gut - ein verrücktes Rennen", blickt er gegenüber 'Sky Sports F1' gerne zurück. "Wir kamen nur einmal an die Box, und es hat funktioniert. Es war seltsam, aus der Mitte des Feldes ganz nach vorne zu kommen. Es ist immer schön, wenn man dann den Speed beibehalten kann."

Nun will der GP2-Meister, der vor wenigen Tagen seine hübsche Langzeitfreundin Marion Jolles heiratete, unbedingt nach dem ersten Sieg in der Königsklasse greifen. "Man benötigt auch etwas Glück", ist er der Ansicht, dass es auch bei den bisherigen Rennen bereits hätte klappen können. "Wenn ich das habe und in der zweiten Saisonhälfte alles hinkriege, dann wird es sogar noch besser laufen", schickt er eine Warnung an die Konkurrenz aus und lässt keinen Zweifel daran, welche Position er ins Visier genommen hat.