powered by Motorsport.com
  • 08.06.2012 02:49

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Hat 2012 wirklich jeder Fahrer eine Siegchance?

Sechs unterschiedliche Sieger in sechs Rennen: In dieser Saison scheinen die Chancen auf einen Rennerfolg größer zu sein denn je in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - So ausgeglichen war das Starterfeld der Formel 1 wahrscheinlich noch nie: Die ersten sechs Rennen des Jahres brachten gleich sechs unterschiedliche Sieger hervor. Und angesichts der Reifensituation ist gut möglich, dass dieser Trend weiter anhält. Hat 2012 also theoretisch jeder Fahrer die Chance, einmal ganz nach vorn zu fahren oder täuscht dieser Eindruck? Auch die Beteiligten rätseln noch.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso, Pastor Maldonado

Wer hat noch nicht, wer will noch mal? 2012 sind die Chancen größer denn je

Dass wirklich jeder der 24 Piloten ein potenzieller Sieger ist, will Paul di Resta (Force India) zum Beispiel nicht gleich unterschreiben. "Das wäre nicht fair, denke ich. Du musst aber auf jeden Fall vorbereitet sein, wenn es dir gelingt, dein Auto in dessen perfektes Arbeitsfenster zu bringen. Daraus könnte sich nämlich ein großer Sprung nach vorn für dich ergeben", sagt der Schotte in Kanada.

Jean-Eric Vergne (Toro Rosso) stimmt seinem Rivalen zu: "Meiner Meinung nach ist alles möglich. Du musst einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Du brauchst dann aber auch ein gutes Auto", meint der Franzose. Sergio Perez (Sauber), der einzige Mexikaner im Feld und in Malaysia bereits überraschender Zweiter, glaubt ebenfalls an breitgestreute Siegchancen im Formel-1-Fahrerlager.

"Ich denke, jeder kann gewinnen. Du weißt ja nie, was in einem Rennen passiert. Jeder kann für eine Überraschung sorgen", erklärt Perez. Der Sauber-Pilot macht dies vor allem an der Hackordnung fest: "Die Topteams und die Rennställe aus dem Mittelfeld liegen in diesem Jahr sehr eng beisammen. Da kann es durchaus zu Überraschungen kommen." Wie zum Beispiel durch Pastor Maldonado (Williams).

"Du weißt ja nie, was in einem Rennen passiert." Sergio Perez

Der Venezolaner, mit dem vor dem Qualifying kaum jemand gerechnet hatte, sicherte sich in Spanien den ersten Sieg seiner noch jungen Formel-1-Karriere. Andere hatten indes weniger Glück: Jenson Button (McLaren) versank in den jüngsten Rennen regelrecht im Mittelfeld und lernte damit die Schattenseiten dieses Szenarios kennen, das nicht nur positive Überraschungen mit sich bringt.


Fotos: Großer Preis von Kanada, Pre-Events


Das Mittelfeld ist nun deutlich näher dran

"Es ist eine sehr konkurrenzfähige Saison. Unterläuft dir nur einmal ein Fehler oder hast du das Glück nicht auf deiner Seite, bist du schnell außerhalb der Punkte oder gerade so eben noch in den Top 10", meint Button und merkt an: "In den vergangenen Jahren wäre es noch ein großer Schock gewesen, für McLaren zu fahren und in einem Rennen nur drei Punkte zu holen. Dieses Jahr ist das anders."

Mark Webber (Red Bull) teilt diesen Eindruck: "Es scheint derzeit nicht viele Topteams zu geben", sagt der Australier. "Außerdem geht es sehr eng zu. Das hängt wohl von den jeweiligen Rennplätzen, von den Temperaturen und selbst von den Fahrern ab. Es ist ziemlich offen. Deshalb sehen wir so unterschiedliche Ergebnisse und so viele unterschiedliche Sieger", erläutert Webber in Montreal.

"Es scheint derzeit nicht viele Topteams zu geben." Mark Webber

Wie aber konnte es dazu kommen? Red-Bull-Fahrer Webber hat einen Verdacht: "Teams wie Ferrari, Williams, Sauber, die 2011 aufgrund der Regeln nicht so gut waren und nicht so gut mit dem auspuffangeströmten Diffusor zurechtkamen, haben in diesem Jahr Fortschritte gemacht. Sie haben zu den Teams wie McLaren und Red Bull aufgeschlossen, die diesen Diffusor gut umgesetzt hatten."

Ist die Reifensituation nur ein "Hype"?

Heißt im Klartext: Durch das Verbot des auspuffangeströmten Diffusors ist das Feld offenbar noch enger zusammengerückt - und die kleineren Teams sind nun in Schlagdistanz. Sind die Reifen also gar nicht das Zünglein an der Waage, wie so oft behauptet wird? Fernando Alonso (Ferrari) sieht nicht, dass die Pneus "zu wichtig" sind: "Eigentlich ist die Situation doch die gleiche wie 2011."

"Ich sehe nicht, dass immer derjenige gewinnt, der am besten mit den Reifen umgeht", sagt der Spanier und merkt an: "Jenson siegte in Australien, weil er im Freien Training, im Qualifying und im Rennen der Schnellste war. In Malaysia siegten wir im Regen. In China dominierte Rosberg das komplette Wochenende. In Monaco fuhr der spätere Sieger von der Pole-Position aus los."

"Ich glaube nicht, dass all dies auf die Reifen zurückzuführen ist." Fernando Alonso

"Deshalb glaube ich nicht, dass all dies auf die Reifen zurückzuführen ist", erklärt Alonso vor dem siebten Rennen des Jahres, fügt aber hinzu: "Ja, die Lebensdauer der Pneus ist kurz und es gibt einen Punkt, an dem sie plötzlich Grip verlieren. Das ist etwas seltsam, doch da sitzen wir alle im selben Boot." Offen ist also nur, wer am Sonntag das Kommando des Formel-1-Schiffs übernimmt ...