• 10.06.2012 03:17

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Ein Stopp, zwei Stopps? Das ist hier die Frage ...

Entscheidet die Ausdauer der Reifen oder gar die Kürze der Boxengasse über die Anzahl der Stopps in Kanada? Und welche Rolle spielt das Wetter?

(Motorsport-Total.com) - Nichts ist unmöglich. So scheint es zumindest, denn nach dem Qualifying zum Großen Preis von Kanada geistern die unterschiedlichsten Strategie-Ansätze durch das Fahrerlager der Formel 1. Ist eine Einstopp-Taktik überhaupt möglich oder sind zwei Reifenwechsel vielleicht doch etwas schneller? Oder kommt es auf dem Circuit Gilles Villeneuve gar wieder zu einem waschechten Reifenchaos?

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton und seine Kollegen stellen sich auf ein bis zwei Stopps ein

Wahrscheinlich nicht, obwohl mancher Beteiligter nicht überrascht wäre, wenn die Fahrer "drei- bis viermal" bei ihrer Boxencrew vorstellig werden. Damit rechnet zumindest Pirelli nicht. Paul Hembery glaubt vielmehr an einen recht klaren Fahrplan: "Von der Abnutzung her dürfte eine Einstopp-Strategie möglich sein. Derzeit sieht es aber danach aus, dass zwei Reifenwechsel die bessere Taktik sind."

Auch, weil die Reifen speziell am Beginn eines Grands Prix etwas mehr strapaziert werden als später im Rennen. "Wir wissen ja, wie beim Start gekämpft wird. Und gerade dann, wenn noch dazu viel Sprit im Tank ist, bauen die Reifen ziemlich rasch ab. Das könnte zu einem zweiten Stopp führen", erklärt der Motorsport-Direktor von Pirelli. Darauf scheint sich der Großteil des Starterfeldes einzustellen.

Reicht ein Reifenwechsel aus?

Zumal die Einstopp-Strategie am Circuit Gilles Villeneuve grundsätzlich als möglich, aber auch als riskant eingestuft wird. "Es hängt ganz von den Temperaturen ab", meint Pastor Maldonado (Williams) und merkt an: "Wenn es warm wird, sollte es möglich sein. Das müssen wir jedoch während des Rennens analysieren." Witali Petrow (Caterham) winkt allerdings schon vor dem Rennstart ab.

"Ein Stopp wird unmöglich sein", meint der Russe und macht seine Einschätzung ebenfalls an den äußeren Bedingungen fest. "Wäre das Wetter am Sonntag wie am Freitag, dann wäre ein Stopp gut möglich. Für mich ist eine Ein-Stopp-Strategie aber unmöglich", sagt Petrow. Lewis Hamilton (McLaren) ist dagegen offen für alles - von einem Reifenwechsel bis hin zu drei Boxenstopps.

"Ein Stopp wird unmöglich sein." Witali Petrow

"Es ist sicherlich möglich, dass wir ein paar mehr Reifenwechsel sehen werden als beim jüngsten Rennen", erklärt der Zweitplatzierte in der Startaufstellung. "Vielleicht läuft es auf eine Zweistopp- oder Dreistopp-Strategie hinaus. Wir haben am Freitag allerdings auch viele Longruns gesehen. Das führt möglicherweise zu einer Einstopp-Strategie." Und eine solche ist in Kanada generell verlockend.

Frische Reifen sind dieses Mal kein Muss

Die Rennen auf dem Circuit Gilles Villeneuve sind schließlich dafür bekannt, recht turbulent zu sein. "Hier hast du aber auch immer die Wahrscheinlichkeit auf eine Safety-Car-Phase", sagt Hamilton. "Damit im Hinterkopf könnten die Leute vielleicht zu einer Einstopp- oder Zweistopp-Strategie tendieren. Wer weiß? Es kommt halt auf die Temperaturen und auf die Reifenhaltbarkeit an."

Frische Reifen scheinen dieses Mal offenbar nicht das Zünglein an der Waage zu sein. Das glaubt zumindest Mercedes-Teamchef Ross Brawn: "Es bringt hier nicht viel, neue Reifen für das Rennen aufzusparen. Das ist kein enormer Faktor", erklärt der Brite. Diese These wird auch dadurch gestützt, dass die Piloten im Qualifying nicht damit geizten, ihre frischen Pneus zum Einsatz zu bringen.

"Es bringt hier nicht viel, neue Reifen für das Rennen aufzusparen." Ross Brawn

Manchmal war diese Taktik aber auch aus der Not geboren, wie im Fall von Jenson Button (McLaren). Der Ex-Champion stand in Q3 plötzlich ohne neue Reifen da, weil er sämtliche frischen Reifensätze schon zuvor "verbraten" hatte. Vielleicht macht Button - er siegte schon 2011 auf spektakuläre Art und Weise in Kanada - aber aus der Not eine Tugend und tritt mit einer ungewöhnlichen Strategie an.


Fotos: Großer Preis von Kanada


Wird Button zum Überraschungsmann?

Brawn hat seinen ehemaligen Piloten jedenfalls auf der Rechnung: "Jenson steht mit der härteren Mischung auf Position zehn. Gut möglich, dass er lange draußen bleiben und dann mit einem Stopp durchfahren kann", meint der Mercedes-Teamchef. Nur ein Stopp sei bei großer Hitze aber "an der Grenze" des Machbaren, fügt er hinzu. Ein gewisses Risiko fahre bei dieser Taktik sicherlich mit.

"Wenn du eine Einstopp-Strategie planst, dann aber umstellen musst, kann das eine Menge Leistung kosten. Unmöglich ist es aber nicht", meint Brawn. Button selbst zeigt sich ob seiner Chancen recht zurückhaltend: "Wir gehen auf der härteren Reifenmischung an den Start. Ich weiß nicht, ob das eine gute oder schlechte Sache ist. So ist es aber nun einmal. Am Sonntag werden wir es erfahren."

"Ich weiß nicht, ob das eine gute oder schlechte Sache ist." Jenson Button

"Wir machen halt etwas anderes. Das muss man aber auch tun, wenn man von weiter hinten kommt. Trotzdem können wir ein gutes Rennen haben", sagt der McLaren-Pilot. Ein spezieller Umstand der kanadischen Rennstrecke in Montreal könnte Button und allen weiteren potenziellen "Einstoppern" auf jeden Fall in die Karten spielen: Die Boxengasse zählt zu den kürzesten im Kalender der Formel 1.

Das Reifen-Arbeitsfenster ist sehr schmal

Darauf weist Mercedes-Teamchef Brawn hin: "Der Boxenstopp dauert hier nicht sehr lange. Es ist der kürzeste des Jahres, glaube ich. Daher ist der Unterschied zwischen einem und zwei Stopps nicht enorm. Es geht darum, den Verkehr zu managen und sicherzustellen, dass man an der richtigen Position wieder auf die Rennstrecke zurückkommt. Das sind die Dinge, die fast wichtiger sind."

Am allerwichtigsten ist aber vermutlich einmal mehr, die Pirelli-Pneus im Grand Prix nicht über Gebühr zu strapazieren. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh bringt es nochmals auf den Punkt: "Das Arbeitsfenster ist ziemlich schmal und diese Reifen sind nur schwierig auf Temperatur zu bringen." Und mit etwas Pech könne man das "Fenster" glatt verfehlen und über das Limit hinausschießen.

"Das Arbeitsfenster ist ziemlich schmal." Martin Whitmarsh

"Für viele Teams - und da schließe ich uns mit ein - stellt dies eine Herausforderung dar. Es gibt noch einiges, was wir lernen können. Am Sonntag könnten die Bedingungen aber ganz andere sein. Das würde vielleicht alles durcheinander bringen", meint Whitmarsh. "Und hier in der Boxengasse gibt es Leute, die sind manchmal schnell. Sie wissen aber vielleicht nicht genau, weshalb das so ist ..."

Folgen Sie uns!

F1-Tests: Zeiten, Termine, Statistiken

Exklusives Formel-1-Testcenter

Im F1-Testcenter finden Sie Zeiten, Termine und unzählige Statistiken zu den Testfahrten in der Formel 1!