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  • 08.06.2012 02:07

  • von Dieter Rencken

Button: "Wir haben sicher nicht das beste Auto"

McLaren-Fahrer Jenson Button spricht vor dem Großen Preis von Kanada über seinen Sieg im vergangenen Jahr und seine Aussichten für 2012

(Motorsport-Total.com) - "Ein solches Rennen fährst du vielleicht nur einmal im Leben." Das sagt Jenson Button über den Großen Preis von Kanada 2011, bei dem er vom Ende des Feldes noch ganz nach vorn fuhr. Erst in der letzten Runde hatte der McLaren-Fahrer damals die Spitzenposition übernommen. In diesem Jahr wagt Button indes keine Prognose zum Rennen in Montreal, sondern zeigt sich in seiner Presserunde am Donnerstag selbst gespannt. Der Brite rechnet aber wieder mit einem aufregenden Grand Prix.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button stürzt sich gut gelaunt in den Großen Preis von Kanada 2012

Frage: "Jenson, hier in Kanada hast du im vergangenen Jahr einen denkwürdigen Sieg gefeiert. Mit welcher Stimmung geht dein McLaren-Team in dieses Rennen?"
Jenson Button: "Noch sind wir ja nicht gefahren. Und vor einem Grand Prix ist die Stimmung immer großartig (lacht; Anm. d. Red.). Es ist wie bei jedem anderen Team: Auch wir sind schon sehr gespannt auf diese neue Herausforderung."

"Wir haben eine gute Stimmung. Wahrscheinlich geht es uns da wie einigen anderen Teams: Wir denken, dass wir ein gutes Wochenende haben können, wenn wir nur alles auf die Reihe kriegen. Wir werden ab sofort sicherlich nicht jedes Rennen gewinnen. So läuft der Hase nicht - vor allem nicht in dieser Saison."

"Wichtig ist vielmehr, nach Möglichkeit immer zweistellige Punkte abzugreifen. In den jüngsten Rennen habe ich lediglich zwei Punkte geholt, fiel aber zweimal aus. Im Hinblick auf meine Punkteausbeute war das eine ziemliche Durststrecke. Der müssen wir ein Ende setzen. Hoffentlich gelingt uns das schon an diesem Wochenende. In Montreal kann das klappen. Ich verbinde einige tolle Erinnerungen mit dieser Rennstrecke."

Kanada 2011: Buttons größter Sieg?

Frage: "Dann berichte doch nochmals davon ..."
Button: "Ich hatte hier schon 2010 einen guten Grand Prix. Damals war ich Zweiter. Ich hatte hier auch schon einmal eine Pole-Position. 2011 ist aber das Jahr, das am meisten heraussticht. Es war ein Rennen mit unheimlich vielen Höhen und Tiefen."

"Ich geriet mit zwei Weltmeistern aneinander, wovon einer mein Teamkollege war. Ich absolvierte fünf Boxenstopps, hatte eine Durchfahrtsstrafe, einen kaputten Frontflügel, einen Reifenschaden, war zweimal Letzter - und siegte trotzdem. In der letzten Runde holte ich mir die Führung. Das ist schon etwas Besonderes. Viele Rennen dieser Art gibt es nicht - vor allem nicht in der Formel 1. Das war ein klasse Sieg."

Frage: "Kannst du 2012 an dein Ergebnis aus dem vergangenen Jahr anknüpfen?"
Button: "Hoffentlich. Es soll dieses Mal aber trockener werden. Es gibt hier aber auch auf trockener Strecke einige Herausforderungen. Die Reifen neigen hier zum Graining. Das heißt, es fliegen große Gummibrocken von den Pneus. Es handelt sich um eine schwierige Strecke, um eine gute Balance zu erzielen."

"In der letzten Runde holte ich mir die Führung. Das ist schon etwas Besonderes." Jenson Button

"Es gibt lange Geraden, aber auch enge Kurven. Und wir fahren hier mit deutlich weniger Abtrieb als auf anderen Kursen. Hinzu kommt: In diesem Jahr sind wir das erste Mal mit derart wenig Abtrieb unterwegs. Weil es sich um einen Straßenkurs handelt, ist der Belag zudem sehr holprig. Das wird sicher interessant. Im Prinzip ist es ähnlich wie in Melbourne, nur fahren wir dort mit einem ganz anderen Setup."

Frage: "Am Sonntag soll es sommerlich warm werden. Kommt dir das gelegen?"
Button: "Absolut. Darauf freue ich mich."

Frage: "Was sagt dir ein Blick in die Kristallkugel? Werden wir am Sonntag den siebten Sieger im siebten Rennen sehen?"
Button: "Nun, ich möchte sicherstellen, dass das nicht passiert. Das liegt mir wirklich am Herzen (lacht; Anm. d. Red.). Es wird bestimmt interessant."

Prognosen? Unmöglich!

Frage: "Hat McLaren derzeit das beste Auto?"
Button: "Ich glaube nicht, dass man das im Augenblick von einem Fahrzeug sagen kann. Wir haben zwar das erste Rennen gewonnen, doch in keinem der fünf folgenden Rennen hatten wir die Hand am Sieg. Wir haben sicher nicht das beste Auto. Wer sonst? Keine Ahnung. Es scheint in diesem Jahr keine Topteams zu geben. Neun Rennställe können um den Sieg fahren. Wenn du eine gute Balance hinbekommst und deine Reifen perfekt funktionieren, dann hast du eine Chance."

Frage: "Wer ist in diesem Jahr dein Hauptrivale?"
Button: "Keine Ahnung. Wirklich nicht. Keiner weiß es. In sechs Rennen siegten bisher fünf unterschiedliche Autos. Der größte Gegner sind vermutlich die Reifen."

Frage: "Hier in Montreal kommen die gleichen Reifenmischungen zum Einsatz, die schon in Monaco gefahren wurden. Werden sie hier ähnlich funktionieren?"
Button: "Du brauchst in Montreal die weichen Reifen, weil der Streckenbelag nicht so aggressiv ist. Es ist nicht einfach, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Ich rechne aber nicht mit Problemen, wo wir doch recht warme Temperaturen haben und auch ein paar kleine Verbesserungen am Auto."

"Solange du nicht die Mauer triffst, ist alles okay." Jenson Button

Frage: "Ferrari war hier in der Vergangenheit recht stark. Habt ihr sie auf der Rechnung?"
Button: "Nun, in den beiden vergangenen Jahren siegte stets McLaren. Ich würde eher sagen, es ist eine McLaren-Strecke."

Frage: "Wie schwierig ist eigentlich die letzte Schikane vor Start und Ziel, bei der berühmten 'Wall of Champions'?"
Button: "Solange du nicht die Mauer triffst, ist alles okay. Es fühlt sich nicht wie eine schwierige Kurve an. So schlimm ist sie eigentlich gar nicht. Für uns Fahrer hat sie nicht den Ruf, besonders knifflig zu sein. Manchmal erwischst du aber den Kurveneingang nicht optimal und berührst den Randstein etwas zu hart. Dann landest du schnell mal in der Mauer. Das ist rasch passiert. Du weißt meist halt nie, was der Grund dafür war. Das ist das Seltsame an dieser Ecke."

Button geht auf Fehlersuche

Frage: "Warum lief es in letzter Zeit nicht ganz rund bei dir? Ist der Fehler vielleicht im Freien Training zu suchen? Habt ihr eure Hausaufgaben nicht gut genug gemacht?"
Button: "Für mich liegt es an der Qualifikation. Meist hatte ich am Freitag und auch am Samstagmorgen ein gutes Gefühl, doch am Samstagnachmittag ist es plötzlich anders. Und zwar sehr anders. Daran arbeiten wir bereits, aber so einfach ist das nicht. Ich denke, wir haben auf jeden Fall schon einmal ein besseres Verständnis davon. Ich möchte nicht zu viel verraten."

"Die Vorbereitungen, die wir für dieses Rennen getroffen haben, sollten mir am Samstagnachmittag helfen. Das ist gut. Was den Sonntag betrifft: Zu Saisonbeginn hatten wir einen guten Schwung. Wir kamen auch gut mit den Reifen aus. In den jüngsten Rennen war es ein bisschen anders. Zuletzt hatte sogar auch Lewis (Hamilton; Anm. d. Red.) ein paar Probleme. Er hatte in Monaco kein perfektes Rennen. Das Tempo war einfach nicht so, wie wir es erwartet hatten."

"Es ist schwierig, all dies zu verstehen. Wir sitzen da aber alle im selben Boot. Wir geben jedenfalls unser Bestes, um ein paar dieser Schwierigkeiten hinter uns zu lassen. Wir versuchen ständig, das Auto weiterzuentwickeln. Das Fahrzeug funktioniert nur auf jeder Strecke ein bisschen anders. Dafür müssen wir ein Verständnis aufbauen. Wir fühlen uns aber zuversichtlich, denn wir lernen unseren Rennwagen immer besser kennen."

"Das Fahrzeug funktioniert auf jeder Strecke ein bisschen anders." Jenson Button

Frage: "Du musst nun aber allmählich ein paar gute Punkte holen, um wieder im Titelkampf mitmischen zu können ..."
Button: "Ja. Ich habe zwar etwas an Boden auf den Führenden verloren, doch der Abstand ist noch immer nicht allzu groß. Bisher wurden 150 Punkte ausgeschüttet, doch der Spitzenreiter hat gerade einmal 80 oder dergleichen."

"Man kann 2012 noch viele Zähler holen. In zwei, drei Rennen könnten wir schon wieder richtig gut dabei sein. In Silverstone würde ich sicherlich gern gut abschneiden. Es ist schließlich mein Heimrennen. Außerdem funktionierte das Auto dort im vergangenen Jahr sehr gut."

"Hier und in Valencia müssen wir mal schauen. Die jüngsten drei Rennen waren enttäuschend, aber deshalb stecke ich den Kopf nicht in den Sand. Du musst halt den Hebel umlegen und dann wieder an das nächste Rennen denken. Ich mache mir keine Sorgen um den Rest der Saison, sondern bin schon sehr gespannt darauf."

Einblicke in die Motorsport-Fachsprache

Frage: "Kannst du uns ein bisschen über das Phänomen der 'Dirty Air' aufklären und was sich dahinter verbirgt?"
Button: "Was passiert, ist: Du verlierst an Abtrieb, und zwar an der Vorderachse und an der Hinterachse. Das muss aber nicht immer gleichmäßig sein, was die Balance ziemlich durcheinander bringt. Da bleiben beim Bremsen schnell mal die Vorder- oder Hinterreifen stehen."

"In Kanada ist das anders. Hier hast du lange Geraden. Deshalb wünschst du dir speziell im Qualifying ein bisschen Windschatten. Die 'Dirty Air' kommt dir da zugute, weil sie dich auf der Gerade nach vorn zieht."

Frage: "Ihr Rennfahrer sprecht oft davon, das Auto 'auf den Punkt' zu bringen, dass es optimal funktioniert. Was hat man sich darunter vorzustellen?"
Button: "Wir arbeiten alle sehr hart, um diesen 'Sweet Spot' zu finden. Du hast ihn gefunden, wenn die Balance stimmt und du genau das richtige Maß an Unter- oder Übersteuern und dergleichen mehr hast. Du fühlst, wie die Reifen plötzlich arbeiten."


Fotos: Großer Preis von Kanada


"So war es in der Formel 1 zwar schon immer, doch speziell in diesem Jahr ist es schwierig, die Reifen zum Funktionieren zu bringen. Gelingt dir das, rast dein Auto nur so dahin. Das sieht man, wenn manche Autos im Qualifying plötzlich abgehen wie eine Rakete oder generell im Klassement nach oben rauschen - auch im Rennen."

"Gelingt dir das, rast dein Auto nur so dahin." Jenson Button

Frage: "Ist das nicht ärgerlich für dich als Rennfahrer?"
Button: "Nein, ärgerlich ist das nicht. Wir sitzen ja alle im selben Boot. Es ist ein bisschen frustrierend, das schon. Du denkst schließlich, du hast ein gutes Auto, bringst aber deine Reifen nicht zum Arbeiten. Dann kriegst du auch kein gutes Ergebnis. Wir müssen halt lernen, damit umzugehen."

Button freut sich auf die Fußball-EM

Frage: "Apropos schlechte Ergebnisse: Ist es nicht furchtbar enttäuschend, wie deine Saison seit dem Sieg in Australien verlaufen ist? Wie bewahrst du die Motivation?"
Button: "Das ist ganz einfach: Ich habe den besten Job der Welt."

Frage: "Wie gefällt dir eigentlich Kanada?"
Button: "Kanada ist toll. Ich habe schon ein paar kanadische Städte besucht, doch Montreal ist ein besonderer Ort. Ich denke, wir alle lieben es, hierher zu reisen. Es ist ein kleiner Ausflug in der Europa-Saison, was wir immer sehr genießen. Die Atmosphäre ist klasse. Wir freuen uns, wieder hier zu sein."

Frage: "Es gab eine große Feierlichkeit anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums der Queen. Hast du das Geschehen verfolgt?"
Button: "Ja, aber nicht allzu intensiv. Ich war ja nicht vor Ort, sondern in Dublin, weil ich für Vodafone arbeitete. Ich verfolgte es dennoch ein bisschen."

"Das Wetter war nicht perfekt. Es ist sicherlich ein besonderer Event. Ob man jetzt das Thronjubiläum feiern will oder nicht - viel wichtiger war doch, dass alle gemeinsam etwas feierten. Die britischen Menschen und alle Länder aus dem Commonwealth feierten gemeinsam. Das ist etwas Besonderes."

Frage: "Am Freitag beginnt die Fußball-EM. Wirst du ein Auge darauf haben?"
Button: "Die nationalen Meisterschaften verfolge ich nicht so intensiv, aber die Nationenduelle finde ich sehr aufregend. Ich bin da sehr patriotisch und werde unsere Jungs natürlich unterstützen."

"Ich bin da sehr patriotisch ..." Jenson Button

Frage: "Ist es einfacher, das Ergebnis der Fußball-EM vorherzusehen als die Formel 1?"
Button: "Oh, keine Ahnung. Noch hat die EM ja nicht begonnen."