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  • 03.05.2012 17:22

  • von Dieter Rencken

Hembery: "Der Sport verlangt eine Herausforderung"

Der Pirelli-Motorsportdirektor befürchtet, dass die Spannung in der Formel 1 verebbt, sobald sich die Teams auf die Reifen eingestellt haben

(Motorsport-Total.com) - Paul Hembery war in den letzten Wochen ein gefragter Mann in der Formel 1. Der Motorsport-Direktor von Pirelli musste sich erst die anhaltende Diskussion über die Rolle der Reifen in der Königsklasse anhören, dann gab es die Kritik von Michael Schumacher an den italienischen Pneus. Anschließend bekam Hembery viel Rückendeckung - und hat die Dauerdiskussion über das schwarze Gold offenbar gut überstanden. Im Interview präsentiert sich der Brite gelassen und erklärt, warum es für einen Zulieferer aller Teams so schwierig ist, das richtige Produkt zu entwickeln - und es jedem recht zu machen.

Titel-Bild zur News:

Zwischen den Fronten: Hembery (MItte) hört viele Forderungen der Teams

Frage: "Paul, ist jemand zu dir gekommen, und hat gesagt: 'Wir verstehen die Reifen jetzt besser?'"
Paul Hembery: "Nein, und es gibt da einen ziemlichen Unterschied zwischen den Teams und der Öffentlichkeit. Die einzige Aussage, die ich treffen kann, ist, dass diejenigen, die in der vergangenen Saison erfolgreich waren, dieses Jahr mehr Probleme haben. Es ist ein großer Unterschied für sie, wenn es darum geht, wie das Auto die Reifen beansprucht."

Frage: "Hast du gestern Herrn Schumacher getroffen?"
Hembery (lacht): "Nein, habe ich nicht. Es gab ein Meeting und mit ihm und zwei Mercedes-Technikern. Er hat mit unseren Ingenieuren gesprochen."

Frage: "Welches Feedback hat er gegeben?"
Hembery: "Es war ein normales Technik-Meeting."

Frage: "Wenn in Mugello ein Grand Prix gefahren würde: Wie viele Stopps wären nötig?"
Hembery: "Zwei, denke ich. Es gibt einige Parallelen zu Barcelona. Wir hatten keine Referenzdaten, als wir mit dem Toyota an die Strecke gekommen sind. Es war der erste Test überhaupt, nachdem 20 Jahre kein Formel-1-Auto auf der Strecke gefahren war. Der Asphalt ist ziemlich aggressiv. Es ist ein Kurs, der als Fahrerstrecke bezeichnet wird. Viel Auf und Ab, viele schnelle Kurven - die Reifen funktionieren."

Niedrige Temperaturen könnten für Überraschungen sorgen

Frage: "Für Mercedes war es wichtig, mehr über die Reifen zu erfahren. Meinst du, es gab für sie einen Erkenntnisgewinn?"
Hembery: "Wir hatten noch kein Debriefing. Sie müssen zunächst das aufarbeiten, was sie am Donnerstag getestet. Im Allgemeinen haben die meisten Teams mittlerweile sehr viel über den Umgang mit den Reifen verstanden."

Frage: "Gibt es also nichts mehr, was die Teams überraschen könnte?"
Hembery: "Der einzige Unterschied betrifft die Temperatur. Natürlich hat der Asphalt große Auswirkungen, aber wir werden einige kältere Rennen erleben und dann es wird schwierig werden, den Reifen zum Arbeiten zu bekommen. Das ist nächste Herausforderung. Nicht in Barcelona, aber ich denke dabei etwa an Silverstone."

"Im vergangenen Jahr gab es einen großen Umbruch mit den Autos und einen riesigen, was die Reifen betrifft. Wir waren wesentlich aggressiver, was die Mischung der Reifen angeht. Und in den ersten Rennen einer Saison führt das zu technischen Herausforderungen. Fragt mich nochmal, wenn ein paar Rennen mehr gefahren sind und die Teams den besten Weg gefunden haben, mit den Reifen umzugehen."

"Man wird niemals jeden zufrieden stellen können"

Frage: "Wirst du dir dann den Vorwurf anhören müssen, es sei zu langweilig?"
Hembery (lacht): "Wahrscheinlich. Wir sind in einer Situation, in der wir nicht gewinnen können. Schlussendlich müssen wir pragmatisch sein. Wir versuchen zu tun, was von uns als Zulieferer verlangt wird. Man wird niemals jeden zufrieden stellen können. Das wäre in der Formel 1 auch wirklich überraschend. In der Zukunft könnte es sein, dass jeder von uns etwas anderes verlangt: Haltbarkeit, schneller Qualifyingzeiten, verschiedene Mischungen. Der Sport verlangt von uns im Moment, eine Herausforderung zu schaffen - eine Situation, in der Reifenstrategien ein Teil des Wochenendes sind. Zu einem frühen Zeitpunkt, zu dem die Teams noch damit beschäftigt sind, ihr eigenes Auto zu verstehen, wird vielleicht etwas übertrieben. Aber wir haben Zeit."

Frage: "Ist der Test zu eurer Zufriedenheit verlaufen? Witali Petrow hat gesagt, dass er auf den weichen Reifen immer schneller und schneller wurde."
Hembery: "Das ist ehrlich gesagt etwas überraschend. Ich habe das auch gehört. Verschiedene Menschen haben verschiedene Ansichten. Aber auch wir hatten ein Debriefing am Abend und das war nicht das, was wir erarbeitet haben."

Frage: "Was ist mit den Teams, die eine nach Außen mündende Auspufflösung verwendet haben? Hatten sie Probleme mit einem Überhitzen der Hinterreifen?"
Hembery: "Nein. Wenn Autos fahren, hat das keine Auswirkung. Nur wenn sie stehen. Der Luftstrom kühlt beim Fahren. Das ist kein Thema. Ich habe heute zehn oder zwölf verschiedene Auspuffkonstruktionen gesehen. Das scheint mir mehr ein aerodynamisches Problem als eine Frage des Auspuffs zu sein."

"Der Auspuff hat keinen Einfluss auf die Reifen." Paul Hembery

Pokern und Bluffen bis Barcelona

Frage: "In den ersten Rennen scheinen die Reifentemperatur niedriger gewesen zu sein als im Vorjahr. Spielt es den Teams, die davon profitiert haben, in die Karten, dass jetzt der Sommer kommt?"
Hembery: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir auf vielen Strecken die Temperaturen wie in Bahrain vorfinden. Vielleicht noch in Abu Dhabi am Saisonende. Auf den europäischen Strecken geht es moderater zu und diese Temperaturen liegen wahrscheinlich in der Mitte des Leistungsfensters der meisten Teams. Was wir dieses Jahr gesehen haben, ist, dass bei kühleren Bedingungen die Reifen weniger arbeiten verglichen mit der vergangenen Saison. Aber abwarten, was in Barcelona passiert. Dort gibt es viel Abtrieb im Heckbereich des Fahrzeugs und das kann sehr großen Einfluss haben. Wir werden außerdem sehen, wie die Fahrzeuge für das Rennen in Barcelona modifiziert wurden."

Frage: "Nach den Eindrücken von Mugello: Denkst du, das sich im Leistungsgefüge der Teams in Barcelona etwas ändert?"
Hembery: "Ich denke, die Teams wollen das. Sie haben hier hart gearbeitet. Viele Entwicklungen haben sie noch gar nicht gezeigt, sondern werden das gesamte Paket erst am nächsten Wochenende in Barcelona präsentieren. Sie wollen niemandem offenlegen, woran sie gerade arbeiten. Die wahre Leistung wird erst im Freien Training in Barcelona zu sehen sein, besonders bei den Spitzenteams."

Die Teams arbeiten fieberhaft - und drohen die Spannung zu minimieren Zoom

Frage: "Pirelli testet in den nächsten Wochen. Gibt es etwas Spezielles, was ihr ausprobieren wollt?"
Hembery: "Nächste Woche in Jerez arbeiten wir an der Entwicklung der Reifen für die Saison 2013."