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  • 16.04.2012 11:27

Vom "Witz der Branche" zum Ritter und Weltmeister

Special zum 70. Geburtstag: Seit 26 Jahren sitzt Frank Williams im Rollstuhl, seinen Ehrentag feiert er dennoch als Teamchef seines Formel-1-Rennstalls

(Motorsport-Total.com/SID) - Den schlimmen Unfall am 7. März 1986 hat Frank Williams (Hier klicken: Fotostrecken-Special "Die Williams-Story") bei vollem Bewusstsein erlebt: "Das Auto ist mir plötzlich ausgebrochen, hat sich sechs- oder siebenmal überschlagen, dann habe ich einen stechenden Schmerz in meinem Nacken verspürt", sagt er über jenen Moment, der sich vor seinem inneren Auge seitdem unzählige Male wiederholte. Williams versuchte, nach dem Gurt des Mietwagens zu greifen, mit dem er von der Rennstrecke in Le Castellet zum Flughafen fahren wollte, doch er konnte seinen Arm nicht mehr bewegen.

Titel-Bild zur News: Frank Williams

Frank Williams feiert heute seinen 70. Geburtstag - und wir gratulieren herzlich!

Seit jenem Tag vor mehr als 26 Jahren sitzt Sir Francis Owen Garbatt Williams, genannt Frank und Träger des Ehrenpreises für das Lebenswerk von Motorsport-Total.com, im Rollstuhl. Er muss rund um die Uhr betreut werden. Dennoch wird Frank Williams auch seinen 70. Geburtstag am Montag noch als Teamchef seines Formel-1-Rennstalls feiern. Wenn auch nicht im Wortsinne. "Sir Frank mag keine Geburtstage", sagt ein Crew-Mitglied schmunzelnd. "Und er hasst Geburtstagskarten."

Seit 1986 ein neues Leben

Schnell betrachtete Williams jenen Unfall in Frankreich einfach als den Beginn einer neuen Episode. "Ich sehe es so, Ginny", sagte er zu seiner Ehefrau Virginia. "Ich hatte 40 fantastische Lebensjahre. Nun werde ich eben noch 40 Jahre eines völlig anderen Lebens haben."

Seinen langjährigen Weggefährten ringt Williams' Haltung höchsten Respekt ab. "Er ist ein absoluter Fels in der Brandung und einfach ein toller Mann", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Auch der heutige Mercedes-Pilot Nico Rosberg, der von 2006 bis 2009 für Williams fuhr und dessen Vater Keke 1982 als Pilot des britischen Rennstalls Weltmeister wurde, ist tief beeindruckt: "Es ist unglaublich, was er geleistet hat. Ich respektiere ihn vor allem als Person sehr."

Dass Williams, 1999 von Queen Elisabeth II. zum Ritter geschlagen, heute noch als gleichzeitig eisenharter wie humorvoller Teamchef mit klaren Prinzipien in der Formel 1 wirkt, ist in der Tat bewundernswert. Doch Frank Williams war schon immer ein Kämpfer.


Frank Williams spricht über seinen Unfall

Der Sohn eines Offiziers der Royal Air Force erlebte nach eigenen Angaben eine "schwierige Kindheit", nach der Scheidung der Eltern musste er in ein katholisches Internat. Als Rennfahrer war er nicht talentiert genug und chronisch pleite, auch als Mechaniker und Händler gebrauchter Rennwagen war sein Weg beschwerlich. Er sei damals "der Witz der Branche" gewesen, sagte Williams einst dem 'Spiegel'.

Der Durchbruch kam, als er 1977 mit dem unbekannten Konstrukteur Patrick Head einen eigenen Rennstall aufbaute. Williams arbeitete erfolgreich in der Sponsorenakquise, seine Menschenkenntnis und sein Gespür ließen das Team zum heute dritterfolgreichsten der Formel-1-Geschichte werden. Die meisten Erfolge feierte es übrigens nach dem Schicksalsschlag, der seinen Gründer ereilte: 81 von 113 Rennsiegen, fünf der sieben Fahrertitel und sieben von neun WM-Titeln in der Konstrukteurswertung gewann Williams nach 1986.


Fotos: Williams, Großer Preis von China, Sonntag


Deutsche Sternstunden auf Williams

Bei Williams, der beim Grand Prix in Schanghai am Sonntag fehlte, aber bei mehr als der Hälfte der Rennen vor Ort ist, feierten auch zahlreiche deutsche Piloten ihre größten Erfolge. Wie Ralf Schumacher, der seine sechs Rennsiege für das Team aus Grove einfuhr, Heinz-Harald Frentzen als Vize-Weltmeister 1997 oder zuletzt Nico Hülkenberg mit seiner Sensations-Pole-Position in Brasilien 2010.

Topstars wie Nelson Piquet, Nigel Mansell, Alain Prost oder Ayrton Senna zieren die glanzvolle Ahnengalerie, letzterer steht aber auch für die schwärzeste Stunde von Williams: An den 1994 tödlich verunglückten Senna erinnert seitdem ein kleines "S" auf den Boliden des Teams.

Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen gewinnt 1997 sein erstes Formel-1-Rennen auf Williams Zoom

Dass das inzwischen börsennotierte Team, aus dessen Vorstand Frank Williams vor wenigen Tagen ausgeschieden ist, seit 1997 keinen Titel mehr gewann, ist aber auch dem Starrsinn seines Gründers geschuldet. Technikgenie Adrian Newey wollte damals Anteile am Team erwerben, Williams verweigerte sie ihm, Newey baute schließlich für McLaren und zuletzt für Sebastian Vettel seine nächsten Weltmeister-Autos. "Rückblickend war das ein Fehler. Adrian Newey gibt es nur einmal", sagt Williams.

Dass sein Team im Vorjahr mit mickrigen fünf Punkten nur Neunter der WM-Wertung wurde, ärgert den Boss. Sein Ausstieg ist vorbestimmt, aber so wird er nicht aufhören. Noch einmal will er zurückkommen. Denn eines weiß er genau: "Ohne Motorsport wäre ich wohl wirklich krank."

Stimmen zum 70. Geburtstag von Frank Williams:


Die Geschichte des Williams-Teams

Jenson Button: "Frank hat mir eine große Chance eröffnet, als ich in die Formel 1 kam. Er hat an mich geglaubt, da war ich nur ein Teenager mit ein paar Tests. Natürlich hatten wir unsere Reibereien, als ich 2005 zu Williams zurückkehren hätte sollen, es dann aber doch nicht tat. Wir hatten aber auch schöne Zeiten, und umso schwieriger war diese weniger schöne Zeit, besonders mit jemandem wie Frank, den ich eigentlich sehr mag. Aber wir haben das überstanden. Was er erreicht hat, ist für jeden eine Inspiration. Er denkt jede Minute daran, wie er das Team verbessern kann, um wieder einen Grand Prix zu gewinnen. Ich hoffe, dass ihm das gelingt. Es ist erstaunlich, dass er mit 70 Jahren immer noch arbeitet. Er ist eine Legende unseres Sports."

Jenson Button

Jenson Button (2000) Zoom

David Coulthard: "Sir Frank Williams wird heute 70 Jahre alt. Er ist eine wahre Legende unseres Sports und noch genauso enthusiastisch wie immer. Jeder spricht über den Niedergang von Williams und niemand hat Spaß daran, das Team in dieser Position zu sehen. Ich schon gar nicht, denn im Anschluss an den tragischen Tod von Ayrton Senna gab mir Frank 1994 meine große Chance in der Formel 1. Ich kann nichts anderes als Gutes von ihm und seinem Rennstall berichten. Es gibt wohl kaum jemanden im Fahrerlager, der etwas Schlechtes über Williams sagen könnte. Sie waren das Sinnbild eines stolzen, privaten Teams, das den großen Teams in der Hersteller-Ära erfolgreich Paroli bot. Ich bin erleichtert, dass es mit dem Team diese Saison wieder aufwärts zu gehen scheint."

David Coulthard

David Coulthard (1995) Zoom

Damon Hill: "Frank hat mein Leben verändert, denn er war derjenige, der letztendlich darüber entscheiden musste, ob ich bei Williams eine Chance erhalten würde. Er rief mich an einem Freitag an und bat mich, einmal bei Williams vorbeizukommen. Ich sagte, der Verkehr würde fürchterlich sein, und dass ich nur ungern komme, wenn es nichts bringt. Er meinte, der Besuch würde sich auszahlen. Er ist eine der hingebungsvollsten Formel-1-Persönlichkeiten, die es gibt. Die Tatsache, dass er querschnittsgelähmt ist, seit ich ihn kenne, sagt etwas über ihn aus. Er hat stoische Qualitäten, die sich die meisten von uns nicht einmal vorstellen könnten. Ohne jeden Zweifel war ich genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als ich nach meinem Sieg beim Großbritannien-Grand-Prix 1994 im Williams-Motorhome saß, mit Frank und dem Pokal auf dem Tisch, an einem wunderschönen Sommer-Nachmittag mit einem breiten Lächeln in unseren Gesichtern."

Damon Hill

Damon Hill (1996) Zoom

Adrian Newey: "Frank ist eine erstaunliche Person. Das durchzumachen, was er mit seinem Unfall durchgemacht hat, und trotzdem noch den Antrieb und die Entschlossenheit zu haben, ein sehr aktiver Teamchef zu sein, spricht für ihn. Er ist einer der wahren Enthusiasten des Motorsports. Ihm ist das Wohlergehen dieses Sports so wichtig, dass er manchmal sogar gegen die Interessen seines eigenen Teams abstimmt. Der erste Sieg und die erste Weltmeisterschaft sind in jeder Karriere ein großer Meilenstein. Ich habe das mit Williams geschafft. Ich erinnere mich sehr gern an meine Williams-Zeit zurück. Wir alle witzelten, dass es manchmal Franks und Patricks Spielzeug-Laden war, aber so haben sie es eben gemacht. Dadurch war es auch sehr reizvoll, dort zu arbeiten."

Adrian Newey

Adrian Newey (1996) Zoom

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