• 26.03.2012 11:30

  • von Roman Wittemeier

Vettel: Es hat gefunkt, oder?

Sebastian Vettel und sein Team Red Bull boten auf der Zielgeraden des Malaysia-Grand-Prix ein besonderes Schauspiel: Von Funkstille und drohendem Bremsdefekt

(Motorsport-Total.com) - Jeder Handynutzer kennt das Phänomen Funkloch. In einem solchen scheint sich Sebastian Vettel beim Grand Prix von Malaysia über weite Strecken befunden zu haben. Die Verbindung zum Team brach nach Angaben der Verantwortlichen (Christian Horner: "So ungefähr Runde 20") kurz vor der Mitte des Rennens ab, allerdings klappte die Verständigung später wieder. Das Problem an der Sache: Vettel hörte offenbar nur das, was er hören wollte. Zumindest setzte er nicht alle Vorgaben des Teams um.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel Boxenmauer Boxentafel Pit Board

Angeblich konnte man nur per Boxentafel mit Sebastian Vettel kommunizieren

Das unterhaltsame Spektakel begann in der vorletzten Runde. Vettel lag auf dem elften Platz, also außerhalb der Punkteränge. Sein Renningenieur Guillaume "Rocky" Rocquelin nutzte den angeblich nicht mehr funktionierenden Funk: "Box, Box, Box. We're gonna retire the car, retire the car. Stop the car, stop the car. Emergency - stop the car!" Vettel kam der Aufforderung nicht nach. Er fuhr auf die letzte Kurve zu und vernahm: "Stay out, stay out, stay out, stay out!"

In der Zwischenzeit war den Red-Bull-Verantwortlichen offenbar klar geworden, dass der vorherige Funkspruch in alle Welt hinausgegangen war. Vettels RB8 mag in jener Schlussphase des Rennens nicht mehr in allerbester Verfassung gewesen sein, aber er lief noch. Vielen Zuhörern war schnell klar, was Red Bull eigentlich beabsichtigte: Man wollte einen Ausfall vorgaukeln. Dies hätte gewisse Vorteile bei der Vorbereitung des kommenden Rennens in China.

An Fahrzeugen, die einen Grand Prix aus technischen Gründen nicht beendet haben, darf beispielsweise vor dem folgenden Rennwochenende straffrei das Getriebe gewechselt werden. Es gibt keinen konkreten Passus im Reglement, der einen vorgetäuschten Ausfall unter Strafe stellen würde, wohl aber könnte in einem solchen Fall der berühmte Paragraf 151c des International Sporting Code der FIA zur Anwendung kommen.

Dieser Passus besagt, dass "jegliches betrügerische Verhalten oder jede Handlung gegen die Interessen des Wettbewerbs oder der Interessen des Motorsports allgemein" unter Strafe gestellt werden kann. Ein vorgetäuschter Ausfall von Vettel hätte womöglich als betrügerischer Akt ausgelegt werden können. Das war den Beteiligten offenbar kurzfristig doch noch klar geworden. Doch damit noch nicht genug der Verwirrung.

Im Hintergrund hatten sich Red-Bull-Macher offensichtlich in aller Eile einen guten Ausfallgrund überlegt. Man drückte in der allerletzten Runde noch einmal auf den Funkknopf: "Stop the car, stop the car. Emergency - stop the car!" Auch in diesem Fall reagierte Vettel nicht. Hatte er die Ansage schlichtweg nicht hören können? Das will man uns seitens Red Bull jedenfalls erklären.

Sebastian Vettel

Stimmte die Kommunikation zwischen Team und Auto nicht? Zoom

"Seb hörte uns nicht am Funk und machte weiter. Zum Glück brachte er sein Auto ohne Defekt über die Distanz", so Teamchef Christian Horner in der offiziellen Presseaussendung nach dem Grand Prix. Man gab einen Defekt an der Bremsbelüftung als Grund an. Die Temperaturen im Bremssystem seien in die Höhe geschnellt, zwischendurch wieder gesunken und dann wieder nach oben geklettert. Man habe einen Bremsausfall befürchten müssen, Vettel hätte deshalb aus Sicherheitsgründen anhalten sollen.

Und der Weltmeister? Der widerspricht sich in seinen Aussagen nach dem Rennen. In der offiziellen Presseaussendung heißt es vom Heppenheimer: "Ich habe am Ende des Rennens nichts im Funk gehört." Kurz zuvor hatte Vettel jedoch in aller Offenheit - und ohne Red-Bull-PR-Überprüfung - ganz anders gesprochen. "Ich hätte reinkommen sollen, aber ich habe mir gedacht, es gehört sich so, dass man ein Rennen zu Ende fährt, auch wenn das Auto den Geist aufgibt", so Vettel auf 'RTL'.


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Malaysia


Diese Worten machen deutlich, dass Vettel die Ansagen des Teams per Funk durchaus gehört hatte. Im Weltmeister siegte die Ehrlichkeit und die Sportlichkeit über strategische Erwägungen. "Ich denke, das Team wollte einfach das Auto sparen, aber ich wollte gern die Zielflagge sehen, was vielleicht auch nicht ganz richtig ist. Die zwei Runden schießen den Bock auch nicht fett", winkt Vettel ab. Der Deutsche bleibt seiner Linie treu. Auch im vergangenen Jahr überhörte er mal Funksprüche und fuhr am Ende von Grands Prix - sehr zum Leidwesen seines Teams - mehrfach noch "unvernünftig" schnelle Rennrunden.

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