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  • 25.03.2012 19:33

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Karthikeyan im Kritik-Kreuzfeuer: Alles halb so wild?

Eine rollende Schikane oder ein zufälliges Opfer der Umstände? Narain Karthikeyan hätte sich sein erstes Saisonrennen sicherlich anders vorgestellt...

(Motorsport-Total.com) - Dass er bei seinem ersten Rennauftritt in diesem Jahr gleich so oft und so prominent im Bild sein würde, damit hätte Narain Karthikeyan sicherlich nicht gerechnet. Beim Großen Preis von Malaysia stand der HRT-Pilot aber überraschend häufig im Zentrum der Aufmerksamkeit - und das zunächst auch ausschließlich aus sportlichen Gründen. Aufgrund seiner Reifenwahl trumpfte er groß auf.

Titel-Bild zur News: Narain Karthikeyan

Narain Karthikeyan steht nach dem Rennen in Malaysia ziemlich in der Kritik

Karthikeyan war einer der wenigen Piloten, die von Anfang an auf Regenreifen setzten. Deshalb machte er speziell in den ersten Runden eine sehr gute Figur und tauchte bei der Unterbrechung des Rennens sogar an zehnter Stelle (!) auf. Eine starke Leistung, wenn man bedenkt, dass HRT vor nur einer Woche noch nicht einmal die 107-Prozent-Hürde im Formel-1-Qualifying genommen hatte.

"So gut war ich in der Formel 1 wohl nie zuvor platziert", sagt Karthikeyan. Doch der indische Rennfahrer durfte sich nur kurz über diese Platzierung freuen - nach dem Neustart ging es nur noch rückwärts. "Es trocknete ab und ich konnte mich nicht vor den anderen halten", meint Karthikeyan. Immerhin habe er das Rennen beendet und wichtige Kilometer für sich und sein Team zurückgelegt.

Der Haken daran: Karthikeyan entwickelte sich zum Stolperstein für manche Favoriten, denn schon wenige Runden nach den grünen Flaggen fuhr sich Jenson Button (McLaren) am Heck des HRT-Fahrzeugs seinen Frontflügel ab. "Ich hörte dann nur einen Knall und das war es. Mein Auto trug etwas Schaden davon, doch das konnte ich nicht spüren", sagt Karthikeyan zu dieser Situation.

"Ich hörte dann nur einen Knall und das war es." Narain Karthikeyan

Gegenüber 'Autosport' nimmt der Inder den Zwischenfall auf seine Kappe: "Es tut mir leid für Jenson. Ich dachte nicht, dass er dort überholen würde. Man will ja nicht im Weg stehen. Hätte ich ihn kommen gesehen, wäre ich zur Seite gefahren", erläutert Karthikeyan und fügt hinzu: "In diesem Chaos war das aber nicht der Fall. Ich fuhr einfach normal weiter." Nur um noch einmal ähnlich aufzufallen.

Ein kaputter Frontflügel, ein platter Hinterreifen

Sebastian Vettel (Red Bull) und die Spitzengruppe setzten wenige Runden vor Schluss zum Überrunden an, als Karthikeyan dem aktuellen Weltmeister mit seinem Frontflügel den linken Hinterreifen aufschlitzte. Die Folge: Vettel musste mit einem Reifenschaden an die Box fahren, der sichere vierte Platz war dahin. Karthikeyan überstand indes auch diesen Treffer unbeschadet.

"Ich ließ alle vorbei, weil ich blaue Flaggen gesehen und eine entsprechende Funknachricht gekriegt hatte. Dann kam ich auf die weiße Linie, die noch immer feucht war. Ich bekam viel durchdrehende Räder bei meinen Slicks und musste vom Randstein wieder zurück auf die Strecke. Leider befand er sich dort. Ich konnte nichts machen", sagt er über den Zwischenfall mit Red-Bull-Fahrer Vettel.

"Ich konnte nichts machen." Narain Karthikeyan

Das Ende vom Lied: Vettel kam außerhalb der Punkteränge über die Linie, Karthikeyan wurde Vorletzter. Die Rennleitung bestrafte ihn jedoch nachträglich für die Berührung mit Vettel - damit wurde Karthikeyan noch bis auf den letzten Platz zurückgereicht. Das Ergebnis seines Rennens war aber nicht das Schlimmste - viel vernichtender waren die Kommentare aus dem Fahrerlager.

Vettel stichelt gegen Karthikeyan

Vettel sparte beispielsweise nicht mit Kritik an Karthikeyan: "Wie im echten Leben auch. Es gibt ein paar Gurken, die herumfahren", meint der aktuelle Formel-1-Weltmeister und begründet seine Schelte mit seiner Sicht der Dinge: "Er war neben der Strecke und ich war meiner Meinung nach schon vorbei. Ein vierter Platz wäre zufriedenstellend gewesen. So springt halt gar nichts dabei heraus", sagt Vettel.

Button hätte ebenfalls gute Gründe, Karthikeyan nicht mehr ganz grün zu sein, nimmt die Kollision aber auf seine Kappe. "Als ich bremste, blockierten die Räder am Heck, ich verzögerte nicht wie gewünscht. Ich habe dann noch versucht, die Kurve irgendwie zu bekommen, aber es ging nicht mehr. Ich habe ihn leicht berührt und der Flügel war kaputt. Meine Schuld", fasst Button zusammen.

"Er war neben der Strecke und ich war meiner Meinung nach schon vorbei." Sebastian Vettel

Überhaupt scheint sich der McLaren-Pilot gut damit arrangieren zu können: "Wenn du erst einmal im Mittelfeld-Gewusel steckst, dann gerät mal schnell alles außer Kontrolle." Adrian Sutil, Studiogast bei Fernsehsender 'Sky' sieht dies ähnlich: "Button dachte, Karthikeyan hätte ihn gesehen und würde ihn vorbeilassen. Dem war aber nicht so." Karthikeyan habe zugemacht, doch Button war schon dort.


Fotos: Narain Karthikeyan, Großer Preis von Malaysia


Whitmarsh und Horner sind sich uneins

Ein Rennunfall, wie er im Motorsport häufig vorkommt. Anders verhält es sich bei der zweiten Begegnung von Karthikeyan - dabei ging es schließlich nicht um einen Positionskampf. Der Inder war dafür aber augenscheinlich etwas zu aggressiv unterwegs. "Das zeigt wieder: Die Überrundeten müssen einfach mehr aufpassen", meint Sutil und merkt an: "Es sind immer die gleichen Fahrer."

Dagegen möchte sich Karthikeyan aber zur Wehr setzen. Als Hinterbänkler habe man in der Formel 1 einen schweren Stand, klagt der HRT-Pilot. Mit viel Rücksicht dürfe man sicherlich nicht rechnen. "Manche versuchen, dich aus dem Weg zu drücken, um wieder auf die Ideallinie zu gelangen", meint Karthikeyan. Vielleicht ergreift McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh deshalb Partei für den Inder.

"Manche versuchen, dich aus dem Weg zu drücken." Narain Karthikeyan

"Ich finde, man sollte mit Narain jetzt nicht allzu hart ins Gericht gehen", sagt Whitmarsh, doch sein Pendant bei Red Bull hält ganz genau das Gegenteil für angebracht. Der Red-Bull-Teamchef wettert gegen Karthikeyan: "Der hatte wohl einen Aussetzer." Vielleicht fuhr er aber auch einfach nur sein Rennen. Und vielleicht war er in Sepang einfach nur zweimal zur falschen Zeit am falschen Ort.