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Kann Lotus in Australien die Topteams ärgern?

Mit dem E20 fuhr Lotus bei den Tests vielversprechende Rundenzeiten: Können Kimi Räikkönen und Romain Grosjean für eine Überraschung sorgen?

(Motorsport-Total.com) - Auch wenn Lotus (ehemals Renault) keine reibungslose Vorsaison hatte, so machten die Rundenzeiten von Kimi Räikkönen und Romain Grosjean Mut. Nach dem Problemjahr 2011 scheint die Motivation in Eric Boulliers Mannschaft wieder groß zu sein. Die Verpflichtung des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Räikkönen und die Umbenennung haben reichlich frischen Wind mit sich gebracht. Doch wozu ist der Finne in seinem Comebackjahr in der Lage?

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Der Lotus E20 ist einer der Geheimfavoriten der anstehenden Formel-1-Saison

"Wir möchten beim ersten Rennen in Australien ein gutes Wochenende ohne große Probleme oder Fehler haben", erklärt Räikkönen nüchtern. "Ich weiß nicht, wo wir stehen werden - keiner weiß das. Wenn man die Rundenzeiten der Tests anschaut, dann sieht man, dass alle sehr eng beieinander sind. Wir wissen nicht, mit wie viel Sprit die anderen gefahren sind. Das macht einen großen Unterschied aus. Nach dem Training in Melbourne werden wir einen ersten Anhaltspunkt haben. Nach dem Qualifying wird jeder genau wissen, wo wir stehen."

Ist Räikkönen schon bereit?

"Ich fühle mich sehr wohl im Team. Wir sind immer noch dabei, Dinge zu lernen, doch alles läuft reibungslos und ohne Probleme. Das ist eine gute Ausgangslage, um in die Saison zu gehen", schildert der Finne, der nichts gegen ein paar Tage mehr Vorbereitung gehabt hätte: "Man wünscht sich immer mehr Tage zur Vorbereitung. Doch das ist so und man muss damit klarkommen. In der ersten Woche in Jerez hatten wir einen recht guten Test ohne große Zuverlässigkeitsprobleme."

Der Riss im Chassis reduzierte Räikkönens Vorbereitungen und komprimierte das Testprogramm von Lotus erheblich. "Beim zweiten Test in Barcelona hatten wir ein Problem, das wir beseitigt haben. Das stellt kein Problem mehr dar", berichtet der ehemalige Ferrari-Pilot. "Ein paar Tage mehr wären nicht von Nachteil gewesen, doch ich bin recht zuversichtlich, dass wir alles zusammenbringen, wenn die Zeit reif ist."

Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen hatte nicht allzu viel Zeit, sich wieder einzuleben Zoom

Die Änderungen seit seinem Formel-1-Ausstieg 2009 sieht Räikkönen nicht so ernst: "Es ist nach wie vor Rennsport und die Dinge, die gleich geblieben sind, überwiegen die Änderungen. DRS und KERS sind auch nur Knöpfe, die man drücken muss. Beim Testen drückt man sie zu spät oder zu zeitig, doch das ändert nicht allzu viel. Die Boxenstopps sind ein bisschen kürzer als vorher. Es ist aber nichts, was vollkommen anders ist. Man stoppt das Auto und fährt wieder los."

Die Freude auf den Saisonstart

Endlich wieder ein Formel-1-Rennen zu bestreiten, hat ihm offensichtlich gefehlt. Entsprechend freudig blickt der Lotus-Pilot auf den Saisonstart: "Ich denke, niemand mag das Testen mehr als das Rennen fahren. Sicherlich haben sich die Rennen etwas verändert, wenn es ums Überholen geht, seit dem ich das letzte Mal dabei war. Es ist aber kein vollkommen anderer Sport. Es wird spannend werden und derjenige, der das Meiste aus den Reifen herausholt, wird vermutlich in einer starken Position sein"

Die Stimmung im Team hängt auch von der Zusammenarbeit der beiden Piloten ab. Zum Teamkollegen hat der Weltmeister von 2007 ein gutes Verhältnis. "Er ist ein netter Kerl", bilanziert Räikkönen. "Ich kannte ihn vorher nicht. Auch wenn wir vorher schon ein paar Mal gegeneinander gefahren sind, hatten wir noch nicht miteinander gesprochen. Er ist etwas jünger als ich. Bei ihm ist es auch schon lange her, als er in der Formel 1 fuhr. Ich denke, dass er gut sein wird und ich freue mich, mit ihm zu arbeiten."

Kimi Räikkönen

Kann Lotus beim Saisonstart in Melbourne die Favoriten ärgern? Zoom

In Melbourne war Räikkönen bereits siegreich und demzufolge hat er recht gute Erinnerungen: "Australien ist ein toller Ort, auch wenn die Anreise von Europa aus recht lang ist. Der Kurs selbst zählt nicht zu den schwierigsten im Kalander. Es war schön, bei meinem ersten Rennen im Albert Park einen Punkt zu holen und die Podestplätze sowie der Sieg 2007 haben mich glücklich gemacht. Der Kurs hat sich nicht verändert. Deshalb bin ich zuversichtlich, zu wissen, wo es lang geht."

"Man benötigt ein Auto mit einer guten Traktion. Die Tests haben gezeigt, dass der E20 eine gute Traktion hat. Das wird uns also helfen. Gutes Einlenkverhalten und eine hohe Bremsstabilität helfen ebenfalls. Diese Bereiche fühlen sich mit dem Auto auch gut an", analysiert er. "Der Kurs kann zu Beginn etwas rutschig sein. Zudem ist es in Melbourne nicht immer warm. Das Wetter kann tückisch sein."

"Meine Ingenieure haben Simulationen absolviert und die Daten vom Test ausgewertet. Wir haben also eine Vorstellung, wie das Auto im Albert Park arbeiten sollte. Bevor wir nicht auf der Strecke waren, wissen wir es aber nicht", stellt Räikkönen klar.


Fotos: Lotus, Testfahrten in Barcelona


Neuland für Grosjean

Teamkollege Grosjean blickt seiner ersten kompletten Formel-1-Saison ebenfalls freudig entgegen. "Ich freue mich auf Australien und fühle mich im Team sehr wohl. Während der Tests war es fantastisch. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich war erst einmal in Australien, als ich 2009 Ersatzfahrer war. Das Land ist toll. Ich liebe Melbourne."

"Ich hoffe, dass mir der Kurs liegt - er sieht großartig aus. Die Atmosphäre ist besonders. Es war einer meiner Lieblings-Grand-Prix, als ich noch nicht gefahren bin und lediglich zugeschaut habe. Ich kann es mir noch nicht vorstellen, wie es ist, hier zu fahren", erklärt der Franzose.

Romain Grosjean

Romain Grosjean muss den Kurs in Melbourne noch lernen Zoom

Das Wetter in Australien ist Mitte März nicht immer ein Garant für Sonnenschein. Die Temperaturen sind oft niedrig und das Risiko für ein Regenrennen ist nicht unerheblich. Grosjeans Erfahrungen mit einem Formel-1-Auto im Nassen liegen etwas zurück. Dennoch hätte er nichts gegen ein Regenrennen: "Im dritten Freien Training in Brasilien 2009 bin ich zum letzten Mal im Nassen gefahren. Das ist schon lange her. Ich bin bereit, sollte die Strecke rutschig sein. Ich werde versuchen, das Maximum herauszuholen. Ich mag es, im Nassen zu fahren. Vielleicht wäre es ein Vorteil für mich."

Da der GP2-Meister bisher nicht in Melbourne fahren konnte und Lotus noch keinen Simulator besitzt, musste er bei der Vorbereitung improvisieren: "Ich habe mir sehr viele Onboard-Kamera-Videos angesehen", berichtet Grosjean. I"ch habe sehr viel Zeit mit meinen Ingenieuren verbracht und die Daten aus dem Vorjahr angesehen. Im ersten Freien Training werde ich so viel wie möglich fahren, um den Kurs zu lernen und ein paar Kilometer zu sammeln, damit ich mir etwas Wissen über den Kurs aneigne. Ich freue mich darauf, dass ich bald auf den Simulator zurückgreifen kann."

Grosjeans Marotten

Melbourne ist keine permanente Rennstrecke. Deshalb ist das Griplevel im ersten Freien Training niedrig. "Der Kurs ist so wie er ist. Er wird sich verbessern, was einem entgegenkommt. Man spürt das im Auto nicht allzu sehr, sondern sieht es an den Rundenzeiten. Die Haftung verbessert sich und die Rundenzeiten werden besser", so Grosjean.

"Ich habe anhand der Onboard-Kamera-Aufnahmen der vergangenen Jahre gesehen, dass der Kurs wohl viel Spaß macht. Ich hoffe, er kommt dem E20 entgegen." Auch wenn der Lotus-Pilot noch nie in Melbourne an den Start ging, so hat er doch einen festen Ablauf und gewährt einen Einblick in seine Marotten: "Bei mir gibt es gewöhnlich einen festen Ablauf. Es ist aber nicht so, dass ich daran besonders festhalte."

Romain Grosjean

Onboard-Aufnahmen halfen Grosjean bei seiner Vorbereitung auf Melbourne Zoom

"Es ist etwas, dass ich so mache, weil ich damit vertraut bin. Ich steige gewöhnlich von rechts ins Auto. Das heißt aber nicht, dass ich nie von der anderen Seite einsteigen würde. Ich versuche, entspannt zu sein, mich gedanklich vorzubereiten und aufs Rennen einzustellen, indem ich mir sage: 'Los jetzt! Wir fahren jetzt ein Rennen!' In einem Grand Prix zu starten ist eine tolle Erfahrung. Ich kann es kaum abwarten", erläutert er.

Beim Start selbst zählt einzig die Konzentration. Grosjean erklärt: "Man muss ruhig bleiben. Wenn man sein Bestes gibt, ist man sehr gelassen, aber sehr wachsam. Man muss beim Umschalten der Ampel schnellstmöglich reagieren. Das ist etwas, was sehr schwierig ist - diese Balance aus hoher Konzentration und starker Fokussierung."

Das gestiegene Medieninteresse in Frankreich begrüßt der Lotus-Pilot: "Ich war überrascht über das Interesse der Medien. Ich bevorzuge es aber, in dieser Position zu sein, anstatt keine Aufmerksamkeit zu erhalten und nicht in der Formel 1 zu sein. Es ist gut, dass uns die Leute Beachtung schenken für das, was wir tun. Das ist ein gutes Zeichen. Ich hoffe, dass es so weiter geht."