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Brawn spielt rätselhaftes F-Schacht-System herunter

Das Fahrerlager rätselt derzeit, wie das legale Mercedes-F-Schacht-System funktioniert - Teamchef Ross Brawn hält es aber nicht für einen "großen Vorteil"

(Motorsport-Total.com) - Ein Bolide steht derzeit im Blickpunkt der Formel 1: der neue Mercedes F1 W03. Das Team, das auf die Brainpower von fünf Menschen setzt, die bereits Erfahrung als Technikchefs haben, ging am innovativsten mit dem neuen Reglement um. Im Fahrerlager wird seit einiger Zeit gemunkelt, die Truppe rund um Technikchef Bob Bell habe ein F-Schacht-System entwickelt, das durch DRS vom Piloten gesteuert wird und sowohl Front- als auch Heckflügel umfasst.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Bereits im Vorjahr testete das Team im Freien Training von Südkorea einen F-Schacht-Frontflügel, bei dem die Luft über ein Loch in der Nase in den Flügel geleitet wurde - ab einer gewissen Geschwindigkeit entstand ein Strömungsabriss. Wer angenommen hatte, F-Schacht-Systeme wären in der Formel 1 nach 2010 verboten worden, der irrt. Seitdem dürfen die Systeme nicht mehr aktiv - also indem der Fahrer die Aerodynamik verändert - betrieben werden.

Eine Zweitnutzung des DRS-Knopfes, mit dem die Piloten den Heckflügel flacher stellen, ist aber nicht ausdrücklich verboten - und somit erlaubt. Das hat der Technische Delegierte der FIA, Charlie Whiting bereits bestätigt: Das Mercedes-System sei "komplett passiv", so der Brite gegenüber 'Autosport'. "Es gibt keine bewegten Teile, es interagiert nicht mit der Radaufhängung, keine Lenkung, nichts. Daher sehe ich keine Regel, die so etwas verbieten würde."

Rätselraten um Mercedes-F-Schacht

Noch gibt es aber unterschiedliche Theorien, wie das System funktioniert. Einige Experten glauben, dass beim Mercedes ein Schacht vom Front- zum Heckflügel führt und man somit den Front-F-Schacht mittels DRS kontrollieren kann. Das hätte Sinn, denn so würde man bei aktiviertem DRS auch beim Frontflügel einen Strömungsabriss erzielen, wodurch das Auto wieder in der Balance wäre - vor allem im Qualifying ein enormer Vorteil, weil man das System viel gezielter einsetzen könnte.

Würde der F-Schacht-Frontflügel ab einer gewissen Geschwindigkeit und ohne Verbindung mit DRS für einen Strömungsabriss sorgen, dann stünde man vor der Herausforderung, dass sich die DRS-Nutzung in Qualifying und Rennen aus Reglement-Gründen deutlich unterscheidet. Ein automatisches System könnte durch die Parc-Ferme-Regel nicht auf die unterschiedlichen Bedingungen abgestimmt werden.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Australien


Eine andere Theorie besagt, dass das Team vorne und hinten ein F-Schachtsystem verwendet und bloß das Heckflügel-System durch DRS gesteuert wird. Wo die Luft eintritt, ist unklar - sie wird aber in die Endplatten geleitet und dann nach oben zum verstellbaren Heckflügel geleitet. Dort muss sie in jedem Fall hinkommen, sonst könnte die Bedienung über das System nicht funktionieren. Wenn der Fahrer den Knopf drückt, dann könnte sich im Flügel ein Schacht öffnen, wodurch die Luft austritt.

Brawn: Unser System ist nicht kompliziert

Mercedes-Teamchef Ross Brawn gibt sich derweil noch geheimnisvoll: "Das ist großartig für die Formel 1, denn die Magie der Formel 1 besteht nicht nur aus den Fahrern, sondern auch aus der Technologie, der Innoviation, aus den Geschichten, die durch die Medien geistern. Wenn ich höre, dass Leute Einheitsautos fordern, damit es für die Fahrer... dann verstehen sie den Punkt nicht. Wir haben da draußen Weltmeister, die vielleicht nicht im besten Auto sitzen - und das ist eine Story. Es ist toll, dass die Leute über unterschiedliche Dinge sprechen. Heute über uns, morgen über andere. Das macht die Formel 1 so faszinierend."

Das Team aus Brackley stand schon einmal in Melbourne wegen einer Innovation im Mittelpunkt: 2009 verblüffte das damalige Brawn-Team alle mit dem umstrittenen Doppeldiffusor, der Jenson Button schließlich den WM-Titel bescherte. Doch was hat es mit der aktuellen Entwicklung wirklich auf sich? "Natürlich gehe ich jetzt bei der Sache, die die Leute F-Schacht nennen, nicht ins Detail", winkt Brawn ab. "Ich wundere mich über den Namen, denn ich weiß gar nicht, was das bedeutet. Wir haben ein interessantes System auf dem Auto, das alles andere als kompliziert ist. Ich bin sicher, dass es sich die anderen Teams ansehen werden - dann müssen sie entscheiden, ob es sich auszahlt oder nicht."

Kein großer Vorteil?

Der Brite übt sich aber in Understatement: "Es hat nicht die gleiche Tragweite wie der Doppeldiffusor. Und auch nicht wie die Auspuffsysteme in den vergangenen Jahren. Natürlich hilft es, deswegen verwenden wir es ja, aber es bringt keinen massiven Performance-Vorteil.."

Williams-Geschäftsführer Adam Parr, der Brawns Ausführungen lauschte, kann sich eine ironische Bemerkung nicht verkneifen: "Das ist jetzt eine Erleichterung, das zu hören. Dann können wir ja die Entwicklung unseres Systems einstellen." Brawn schlagfertig: "Ich würde mir wünschen, dass ihr all euer Geld dafür ausgibt, Adam - in der Zwischenzeit beschäftigen wir uns mit anderen Dingen."

Erste Aufschlüsse über das System wird auf jeden Fall das Qualifying geben. Denn durch die Freigabe von DRS müsste auch das daran gekoppelte F-Schacht-System von Mercedes dann seine Wirkung zeigen. Einen ersten Vorgeschmack gab es jedenfalls schon am Freitag: Mercedes war in den Topspeed-Wertungen stets im Vorderfeld.