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Bortolotti: "Ich bin für alles offen"

Formel-2-Meister Mirko Bortolotti im Interview: Wie seine Testleistung in Abu Dhabi einsortiert werden muss und warum er nicht nur an die Formel 1 denkt

(Motorsport-Total.com) - Als Belohnung für seinen Meistertitel in der Formel 2 hatte Mirko Bortolotti vergangene Woche in Abu Dhabi Gelegenheit, für Williams zu testen. Für den Italiener war es nach mehreren Tests im Red-Bull-Juniorenprogramm und für Ferrari bereits der dritte Formel-1-Rennstall, den er kennenlernen durfte - und offenbar hat er seine Sache gut gemacht.

Titel-Bild zur News: Mirko Bortolotti

Mirko Bortolotti hat auch schon für Ferrari und Toro Rosso getestet

Bortolotti belegte am Donnerstag den siebten Platz unter 14 Piloten, erzielte eine Bestzeit von 1:43.277 Minuten. Damit war er um knapp eine Sekunde langsamer als Williams-Testfahrer Valtteri Bottas, der die beiden vorangegangenen Tage im FW33 getestet hatte. Doch der Vergleich hinkt: "Von außen ist es nicht so einfach, die Zeiten zu interpretieren. Selbst wenn man vor Ort ist, versteht man das kaum", erklärt der 21-Jährige im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Denn: "Man weiß ja nicht, mit welchen Reifen und mit wie viel Sprit die Teams testen, ob sie mit einem 2011er-Auto fahren oder mit verschiedenen 2012er-Teilen. Das sieht man auch an den Zeitunterschieden zwischen Red Bull, McLaren und Ferrari. Die verschiedenen Teams waren auf verschiedenen Strategien und deswegen kann man nicht sagen, was da abgeht. Ich selbst weiß nur, was wir selbst getestet haben."

Anderer Williams als beim Grand Prix

"Das Auto, das ich getestet habe, war nicht das gleiche wie das, das am Rennwochenende im Einsatz war. Wir hatten verschiedene Sachen schon für 2012 am Auto", stellt Bortolotti klar. "Wenn man das in Betracht zieht, war der Test sehr gut. Die Performance war gut und die Rundenzeit hat gepasst. Wir sind sehr zufrieden." Auch Williams-Quellen geben zu, dass man von den Testzeiten aufgrund der Fahrzeug-Konfiguration im Vergleich zum Grand Prix eine Sekunde abziehen kann.

Mirko Bortolotti

Platz zwölf unter 23 Fahrern: Mirko Bortolotti beim Young-Driver-Test Zoom

Doch das war nicht Bortolottis einziger Nachteil: "Die Fahrer, die vorne dabei waren, die im Ferrari oder Red Bull gesessen sind, sind alle drei Tage gefahren", sagt er. "Das ist natürlich ein großer Unterschied, denn ich hatte nur einen Tag und musste auch noch einige Aerotests absolvieren, hatte wenig Zeit, um mich auf Rundenzeiten zu konzentrieren. Und viele von denen sind schon letztes Jahr in Abu Dhabi Formel 1 gefahren oder auch GP2."

"Das soll aber keine Ausrede sein, denn ich weiß, dass ich mit dem Paket und mit der Zeit, die mir zur Verfügung stand, einen sehr guten Job gemacht habe. Das weiß das Team auch - und das zählt", hält der Wahl-Österreicher fest. Zum Beispiel konnten die Williams-Ingenieure an den Daten ablesen, dass er sich ohne rote Flaggen am Ende noch einmal deutlich gesteigert hätte, doch ausgerechnet sein gezeiteter Run auf den weichsten Reifen wurde unterbrochen.

Bessere Zeit wäre möglich gewesen

Wie schnell wäre es sonst gegangen, Mirko? "Das ist Spekulation", entgegnet er. "Aber natürlich, wenn man aus der Box fährt und eine rote Flagge hat, den Run in der ersten Runde abbrechen muss, hätte man eventuell schneller sein können. Wie viel, das kann ich nicht sagen." Viel hätte es sicher auch gebracht, nicht nur einen halben Tag zur Verfügung zu haben, um auf Rundenzeiten loszugehen, sondern wie Bottas zwei Tage lang testen zu dürfen.

"Ich habe mit Valtteri darüber geredet", meint Bortolotti. "Er hat gesagt, dass er vom ersten auf den zweiten Tag fahrerisch zugelegt hat, weil du natürlich die Strecke lernst und am zweiten Tag vom ersten Run weg weißt, was du zu tun hast. Du hast ja die ganze Nacht Zeit, darüber nachzudenken, und damit wirst du automatisch ein paar Zehntel schneller, ohne dass du am Auto groß was änderst. Das ist schon ein Vorteil."


Fotos: Williams, Young-Driver-Test in Abu Dhabi, Donnerstag


"Aber für mich war es nicht so schlimm", relativiert er. "Ich habe nicht lange gebraucht, um auf Pace zu kommen, aber es ist ein ganz natürlicher Ablauf, dass man am zweiten oder dritten Tag noch schneller wird, wenn man eine Strecke nicht kennt." Auch wegen komplexer Systeme wie KERS oder DRS, die in der Formel 2 nicht verwendet werden. Bortolotti sagt aber selbstbewusst: "Schwer gefallen ist mir das nicht. Ich finde es cool, dass man im Laufe jeder Runde so viel machen muss."

"Man muss diese Systeme ja nicht irgendwie einsetzen, sondern richtig, sonst bringen sie keinen Vorteil. Ich glaube, diesbezüglich war das Team sehr zufrieden mit mir. Natürlich musst du dich am Anfang drauf einstellen, aber es war kein Problem für mich", betont der Italiener, der sich im Williams-Simulator und mit dem Studium eines Handbuchs (Umfang: "Fünf bis zehn Seiten - das ist nicht so brutal schwierig") auf Abu Dhabi vorbereitet hat.

Keine Chance bei Williams

Wie es nun mit seiner Karriere weitergeht, kann Bortolotti "momentan noch nicht sagen. Wenn's nach mir ginge, hätte ich natürlich Ideen, was ich machen möchte, aber das hängt von vielen Faktoren ab. Natürlich ist für mich die Formel 1 ein großes Thema - das ist der Grund, warum man als Rennfahrer pusht, vor allem wenn man jung ist." Doch zumindest bei Williams wird in der Saison 2012 definitiv kein Platz für ihn sein.

Mirko Bortolotti

Datenanalyse mit den Ingenieuren: Mirko Bortolotti gibt gutes Feedback Zoom

Eine Minichance gibt es vielleicht auf einen Testvertrag bei Lotus (Caterham), wo sich aber auch viele Anwärter mit einem prall gefüllten Geldkoffer anstellen. "Wenn es keine Chance gibt als Stammpilot, wäre auch Testfahrer eine Alternative", gibt Bortolotti zu. "Aber ich bin ein sehr bodenständiger Mensch und weiß, was für Faktoren da mitspielen. Von daher bin ich anderen Serien nicht abgeneigt. Ich bin für alles offen, es ist alles möglich."

In der Formel 1 regiert momentan der Grundsatz: Geld regiert die Welt. Aber auf das Spielchen, für einen Vertrag Millionensummen mitbringen zu müssen, möchten sich der Italiener und sein Manager Edi Nikolic nur "sehr ungern" einlassen: "Ich denke, dass die Formel 1 die Königsklasse des Motorsports ist. Dort sollten die besten Fahrer fahren. Da entwickelt sich momentan eine merkwürdige Situation", seufzt Bortolotti.

Geld wichtiger als Speed?

"Für die Teams ist es zu wichtig, Fahrer zu engagieren, die große Sponsoren mitbringen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass der Klasseunterschied zwischen den Teams sehr groß ist", spekuliert er. "Wenn bei einem mittleren Team ein sehr, sehr guter Fahrer fährt, kann der wahrscheinlich auch nicht viel mehr rausholen. Deswegen sagen sich die Teams: Okay, ein Fahrer, der zwei, drei Zehntel schneller ist, bringt uns nicht viel, also ist es vielleicht wichtiger, dass er Geld hat."

"Wenn diese Budgets verlangt werden, ist es für mich nicht realistisch, 2012 Formel 1 zu fahren." Mirko Bortolotti

Einen großen Geldgeber hat Bortolotti "momentan nicht" an der Angel: "Man muss schauen, was in den nächsten Wochen passiert." Aber er weiß genau: "Wenn diese Budgets verlangt werden, ist es für mich nicht realistisch, 2012 Formel 1 zu fahren. Deswegen sage ich, es gibt andere Serien, die auch sehr gut und für einen Fahrer motivierender sind, weil man um die Spitzenplätze kämpfen und Rennen gewinnen kann."

"Persönlich gesehen wäre eine andere Serie, in der ich als Fahrer einen Unterschied machen kann, interessanter als irgendein Formel-1-Team, in dem du sowieso keine Chance hast - und auch noch einzahlen musst", stellt er klar - und meint damit möglicherweise die DTM, in der er sich gerade um Testfahrten bemüht: "Das wäre eine Serie, in der ich sehr gerne fahren würde. Die DTM wäre für mich eine tolle Option."

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