Stewart: "Freistehende Räder das größte Risiko"

Jackie Stewart fordert nach den tödlichen Unfallen noch mehr Fokus auf die Sicherheit - Für den dreifachen Weltmeister sind die freistehenden Räder das größte Problem

(Motorsport-Total.com) - Die tödlichen Unfälle der letzten beiden Wochen haben die Motorsportszene wachgerüttelt. Die Sicherheit ist wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Auch wenn die Formel1 kontinuierlich an der Sicherheit arbeitet, ist das Restrisiko nie ausgeschlossen. Jackie Stewart war einer der Vorreiter in Sachen Sicherheit. Als der Schotte Ende der Sechzigerjahre bei einem schweren Unfall in Spa-Francorchamps erkannte, wie mit dem Leben der Fahrer gespielt wurde, machte er sich stark und erhob öffentlich das Wort, um die Sicherheit zu erhöhen.

Titel-Bild zur News: Jackie Stewart

Jackie Stewart hat sich schon immer für die Sicherheit stark gemacht

Wenn man alleine die Strecken von damals mit heute vergleicht, ist kaum zu glauben, wie damals die Verhältnisse waren. Bäume standen am Streckenrand, es gab keine Leitplanken. Erdhügel sollten die Autos bei einem Ausritt stoppen, aber meistens katapultierten sie sie in die Luft und sorgten für schwere Unfälle. Damals wurden Stewarts Vorstöße von manchen Organisatoren als verrückt und feige abgetan. Doch der Schotte gab nie auf und setzte damals eine Sicherheitsrevolution in Gange, die bis heute anhält. Es ist auch Stewart zu verdanken, dass die Formel 1 generell sicherer geworden ist.

Die Motorsportszene hat sich seit den Zeiten von Jochen Rindt stark verändert. Heute eckt Stewart nicht mit seinen Forderungen nach mehr Sicherheit an. Nach dem tödlichen Unfall von Dan Wheldon spricht der dreifache Weltmeister das Problem der freistehenden Räder an. Er findet, dass sich die Formel 1 das sehr genau ansehen muss, um künftige Tragödien zu vermeiden. "Ich schätze, weil es jetzt zwei Wochen her ist, haben sich die Beteiligten etwas gefangen. Es gab keine spontane Reaktion, die gekommen wäre, wenn man bereits am nächsten Tag wieder gefahren wäre."

"Trotzdem muss man sich das sehr genau ansehen, weil es jederzeit wieder passieren könnte", wird Stewart von 'Autosport' zitiert. "Das größte Problem besteht weiterhin, wenn sich die Räder berühren. Wenn wir etwas finden können, um zu vermeiden, dass das vordere linke Rad zwischen das rechte Vorder- und Hinterrad des Gegners kommt - darin liegt das Problem. Es gibt etwas im Kartsport für die unerfahrenen Leute, für die Kinder. Ehrlich gesagt, haben wir in den letzten beiden Jahren mehr Kollisionen in der Formel 1 gesehen, als jemals bevor."

Jackie Stewart

Die Autos von Jackie Stewart waren weit von der heutigen Sicherheit entfernt Zoom

Speziell die Zahl der Auffahrunfälle hat sich erhöht. Aber es gibt auch oft kleine Berührungen, bei denen die Frontflügel beschädigt werden, ein Reifen einen Seitenkasten berührt und so weiter. Generell fahren die Fahrer viel enger und halten weniger Abstand. Manchmal erinnern die Zweikämpfe an den Tourenwagensport, wo Berührungen dazugehören, aber viel weniger gefährlich sind.

¿pbvin|512|3831|sicherheit|0|1pb¿"Ich denke jetzt nicht nur an den Webber-Unfall", spricht Stewart den Unfall im vergangenen Jahr an. Damals war Webber in Valencia über das Hinterrad von Heikki Kovalainen wie ein Flugzeug aufgestiegen. "Es geht um die Situationen, die wir gesehen haben, um die Kollisionen. Das zeigt, dass die Fahrer viel als garantiert ansehen. In meiner Zeit hatten wir nie Kollisionen, weil die Dynamik solcher Unfälle so offensichtlich war, dass alle gemeint haben, wir dürfen das nicht tun."

Die Spitzenfahrer zu Stewarts Zeit machten sich vor einem Rennen manchmal aus, an welchen Stellen sie sich überholen können und an welchen nicht, weil es zu gefährlich und riskant war. Ein Gentlemans-Agreement vergangener Tage. "Jetzt kollidieren sie und kommen damit davon. Deshalb denken sie, dass es okay ist, diese Chancen zu nutzen."

"Es ist ein großes Risiko, wenn man einem anderen Auto nahe kommt und einer wechselt die Linie. Das kann der Kuss des Todes sein." Stewart glaubt, dass der Wheldon-Unfall bei vielen Fahrern die Augen geöffnet hat. "Es muss ihnen die Augen geöffnet haben, weil so viele Autos in die Luft geflogen sind. Obwohl wir heute fantastische Benzintranks haben, gab es bei mehreren Autos Explosionen und Feuer. Das kann jedem passieren."

"Ich denke, dass sich jeder besinnen und sich das sorgfältig ansehen muss. Man braucht Experten sowohl vom Sport als auch von außerhalb. Die Situation der sich berührenden Räder kommt langsam in die Formel 1. Zu viele Fahrer berühren sich gegenseitig mit den Reifen. Sie denken, das ist okay und keine große Sache."

Michael Schumacher und Witali Petrow

Auffahrunfälle haben in der aktuellen Saison stark zugenommen Zoom

"Es ist aber eine große Sache, denn es muss nur um einen Zentimeter falsch laufen. Dann passieren Vorfälle wie mit Webber im vergangenen Jahr, oder ein herumfliegendes Rad trifft einen anderen Fahrer. So wie es bei Henry Surtees passiert ist. Er hatte nichts mit dem eigentlichen Unfall zu tun, aber die Trümmerteile fliegen mit so hoher Geschwindigkeit herum."

"Wir müssen das genau untersuchen und können nicht sagen, dass solche Unfälle sehr selten vorkommen. Man muss genau analysieren, was man in Zukunft besser machen kann." Bei diesem Prozess findet Stewart, dass die Fahrer wieder mehr einbezogen werden müssen, denn schließlich geht es um ihr Leben. "Die Fahrer müssen bei der Sicherheit mehr zu sagen haben. Sie sind da draußen. Mir haben schon viele Offizielle gesagt, dass sie nichts über die Dynamik verstehen. Sie messen es nur."

"Im Prinzip sitzt der Fahrer hinter dem Lenkrad. Er weiß, wie weit er mit dem Auto gehen kann und wann es in die Luft geschleudert wird. Sie haben es erlebt. Es hängt aber vom Glück ab, ob das Auto in die Streckenbegrenzung oder darüber fliegt."