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  • 26.10.2011 09:18

Formel 1 in Indien: Abenteuer, Kultur und Curry

Die Vorschau auf den Grand Prix von Indien: Warum Motorsport dort nicht neu ist, was für eine Strecke auf die Fahrer wartet und welche Probleme das Land hat

(Motorsport-Total.com/SID) - Nach China (2004) entdeckt die Formel 1 nun den nächsten "schlafenden Riesen" für sich: In der Industriestadt Noida findet am kommenden Wochenende der erste Grand Prix von Indien statt. Damit geht die Königsklasse des Motorsports ganz neue Wege, aber wer glaubt, dass es im zweitbevölkerungsreichsten Land der Welt früher keine Autorennen gegeben hat, der irrt sich.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Grand-Prix-Premiere in Noida: Die Formel 1 ist endlich in Indien angekommen

Das erste fand sogar schon vor 107 Jahren statt, als die Motorenunion von Westindien 1904 ein Rennen von Delhi bis Bombay (seit 1996 Mumbai genannt) organisierte. Auf einer Strecke von insgesamt rund 1.300 Kilometern fuhren vor allem wohlbetuchte Gentleman-Driver in Rolls-Royces und Fords gegeneinander. Regeln gab es nicht, geschweige denn einen Verband. Dafür stand die Veranstaltung unter der Schirmherrschaft von Vizekönig George Curzon.

Wenn am kommenden Wochenende wieder in Indien die Motoren dröhnen, hat das mit der damaligen Veranstaltung nicht mehr allzu viel zu tun. Gefahren wird auch nicht mehr auf öffentlichen Straßen, sondern auf einer vor allem für die Formel 1 errichteten Anlage inmitten eines großen Freizeit- und Sportareals. Kostenpunkt für das Gesamtprojekt: 40 Milliarden Rupien, umgerechnet fast 600 Millionen Euro - für indische Verhältnisse ein Vermögen.

Der sogenannte Greens-Sports-City-Komplex beinhaltet neben dem nach Buddha benannten Buddh-International-Circuit (Fassungsvermögen: 110.000 Tribünenplätze, temporär ausbaufähig für 200.000 Zuschauer) auch noch ein Stadion mit 25.000 Sitzen, einen 18-Loch-Golfkurs, Tennis- und Squashplätze sowie eine Sportakademie. Die Errichter- und Betreibergesellschaft Jaypee Sports International (JPSI) erhofft sich davon einen Umsatz von 120 Millionen Euro pro Jahr und verspricht 10.000 Arbeitsplätze.

Strecke in Noida (Indien)

Der Buddh-International-Circuit besticht durch einige Höhenunterschiede Zoom

Doch auch wenn Indien zweifellos zu den aufstrebenden Märkten gehört, ist das Land auch bekannt für enorme soziale Unterschiede. So kam es im Vorfeld der Eröffnung des Buddh-International-Circuit auch zu einer Kontroverse, weil sich die Bauern, die ihr Land für das Projekt verkauft haben, betrogen fühlen. Angeblich sollen sie von der Regierung nur einen Bruchteil jenes Preises erhalten haben, den die Grundstücke eigentlich wert gewesen wären.

Indien auf dem Prüfstand

Einzige Aufgabe der Regierung war und ist aber, für das Land und diverse Genehmigungen zu sorgen sowie die Sicherheit zu unterstützen. Betrieben wird die Strecke einzig und allein von der privaten Gesellschaft JPSI, was viele gar nicht schlecht finden: "Den Grand Prix veranstaltet ein privater Promoter und nicht der Staat. Das macht in Indien einen Riesenunterschied", weiß Sauber-Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn.


Fotos: Red-Bull-Showrun in Noida


Bestes Beispiel dafür: die Commonwealth-Games 2010. Die sorgten im Vorfeld für Schlagzeilen, weil die Sportstätten beinahe nicht fertig geworden wären; zudem klagten die Athleten über katastrophale sanitäre Bedingungen im Athletendorf. Zum Drüberstreuen gab es Korruptionskontroversen und Terrordrohungen, sodass die ersten Events denkbar schlecht besucht waren und auch einige prominente Athleten auf eine Teilnahme verzichteten.

Auch den Grand Prix hätte die indische Regierung beinahe "verpfuscht", denn im Vorfeld führten drei Themen zu Boykottüberlegungen. Allen voran ein Gesetz, wonach die aus dem Ausland stammenden Formel-1-Teams ein 19tel ihres Jahreseinkommens (weil sie einen von 19 Grands Prix dort bestreiten) in Indien versteuern müssen. Doch JPSI bot daraufhin an, im schlimmsten Fall für diese Kosten aufzukommen, und in der Folge fand sich doch noch eine Ausnahmeregelung.

Dann waren da auch noch die wütenden Bauern, die ihre Grundstücke zu Spottpreisen verkauft haben und sich im Nachhinein betrogen gefühlt haben. "Man hat uns dafür Arbeitsplätze versprochen", schimpft ein Betroffener und ärgert sich darüber, dass stattdessen nur eine Sportstadt für eher wohlhabende Bevölkerungsschichten entstanden ist. Gerade die Formel 1 gilt ja weltweit - und ganz besonders im überwiegend armen Indien - als elitäre Sportart.¿pbvin|512|4200||0|1pb¿

In der letzten Woche vor dem ersten Indien-Grand-Prix im Jahr 2011 stiegen dann auch noch die nationalen TV-Stationen auf die Barrikaden, die allesamt davon ausgegangen waren, dass sie die Veranstaltung mit ihren eigenen Kameras dokumentieren dürfen. Doch diese Rechnung haben sie ohne Bernie Ecclestone gemacht, dessen Verträge genau regeln, dass nur seine eigenen Kamerateams das Rennen filmen dürfen.

Obendrein ließen im Internet kursierende Fotos von den Bauarbeiten bis kurz vor Schluss vermuten, dass einige Streckenanlagen bis zum Schluss nicht fertig werden könnten - ähnlich wie ein Jahr zuvor bei der Premiere in Yeongam (Südkorea). Doch JPSI bekam es auf den letzten Drücker doch noch auf die Reihe, alle notwendigen Arbeiten fertigzustellen, sodass einer reibungslosen Durchführung des ersten Grand Prix von Indien nichts mehr im Weg steht.

Der Bau des Kurses in Noida war ein Wettlauf gegen die Zeit Zoom

Mit dafür verantwortlich war übrigens auch ein Deutscher: Hermann Tilke, Bernie Ecclestones Architekt des Vertrauens, ein erprobter Formel-1-Streckenbauer aus Aachen. "Indien wird in Teilen eine sehr schnelle Strecke", kündigt Tilke vor der Premiere gegenüber 'Motorsport-Total.com' an. "Ich denke, dass wir zwei bis drei Überholmöglichkeiten haben. Das wird eine relativ spektakuläre Strecke, auf die ich mich freue."

Der neue Kurs im Blickpunkt

Schnell heißt laut ersten Simulationen: knapp 320 km/h Höchstgeschwindigkeit bei einer Rundenzeit unter 1:30 Minuten auf 5,137 Kilometer Streckenlänge. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 210 km/h. Der Kurs besteht aus 16 Kurven und zwei langen Geraden, an deren Ende (Kurve eins beziehungsweise Kurve vier) sich jeweils die von Tilke angesprochenen Überholmöglichkeiten befinden.

Die Strecke weist mit einer langen Zielgeraden und einer sehr langen, fließenden Kurve (den Kurven zehn und elf, die an die drei Scheitelpunkte von Kurve acht in Istanbul erinnern) Ähnlichkeiten zum unter Fahrern recht beliebten Kurs in der Türkei auf. Während Kurve acht in der Türkei aber mit 270 km/h durchfahren wird, sollten die Kurven in Indien mit 170 km/h (Kurve zehn) und 210 km/h (Kurve elf) genommen werden.¿pbvin|512|4187||0|1pb¿

Die genaue Rundenzeit und die Geschwindigkeit sind stark vom Gripniveau der Pirelli-Reifen auf der für die Teams neuen und im Voraus schwierig zu simulierenden Asphaltoberfläche abhängig. Eine Rundenzeit von 1:25 Minuten entspräche einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 218 km/h, eine Zeit von 1:30 Minuten würde eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 205 km/h bedeuten. Damit wäre Noida einer der schnelleren Grand-Prix-Schauplätze.

Zu Beginn der Vorbereitungen stehen aus Sicht der Teams aber nicht die technischen, sondern die logistischen Herausforderungen im Vordergrund. Bereits im Dezember 2010 statteten die Logistikverantwortlichen von Mercedes der Umgebung der Strecke einen Besuch ab. Kurz darauf nahmen sie die Hotelreservierungen vor. Die Logistikmannschaft besucht den Veranstaltungsort normalerweise neun Monate vor dem Rennen, um den Aufbau der Boxen, die Zugangswege und die Lagerräume zu planen.

Die technische Vorbereitung beginnt mit den Streckenplänen der Architekten. Die darauf verzeichneten Höhenunterschiede und Neigungen bilden ungefähr sechs Wochen vor dem Rennwochenende die Grundlage für die Streckenkarte in einer virtuellen Simulation. Diese Karte wird stetig mit Informationen von der FIA und der Strecke gefüttert und verbessert. Eine Woche vor dem Event werden Setup-Simulationen durchgeführt, wobei das Team das Basis-Setup für das erste Freie Training ermittelt.

Die Teams beziehen die neue Boxenanlage in Indien Zoom

Die Streckencharakteristik lässt sich an einer zweidimensionalen Karte ablesen. Faktoren wie der Abtrieb, der Bremszyklus und die G-Kräfte sind Bestandteil der Streckengeometrie. Basis-Simulationen geben Hinweise auf die richtige Auswahl dieser Parameter. Die ersten Simulationen haben ergeben, dass der Volllastanteil ungefähr 65 Prozent beträgt. Die längste Vollgaspassage dauert 14,5 Sekunden zwischen den Kurven drei und vier.

Die Autos erreichen auf einer Runde an drei Stellen Geschwindigkeiten über 285 km/h. Die schnellste Kurve sollte Kurve zwölf sein, die wohl mit 255 km/h durchfahren wird. Die maximale Belastung sollte 4,0g in den Kurven fünf, neun und elf betragen. Die Streckenkarte für das erste Rennen auf diesem Kurs ist aber mangels Informationen nicht detailliert genug, um Bodenwellen und die Beschaffenheit der Kerbs zu enthalten - beides beeinflusst die Fahrzeugabstimmung.

Große Herausforderung für Teams & Piloten

Somit können die Fahrer den Simulator ausschließlich zum Kennenlernen der Strecke nutzen. Normalerweise legt ein Team wie Mercedes rund 100 Runden im Simulator zurück. Dabei werden eine Reihe an Spritmengen und Gripniveaus ausprobiert, um so viele Szenarien wie möglich abzudecken. Neben der Nutzung des Fahrsimulators führt das Team auch Strategiesimulationen durch, um so viele verschiedene Rennausgänge wie möglich zu analysieren - bis zum Renntag rund eine Million mögliche Varianten.

Die Fahrer müssen sich wie auf anderen Strecken mit dem KERS-Einsatzplan, den DRS-Zonen sowie den Linien bei der Boxenein- und -ausfahrt zur Aktivierung und Deaktivierung des Speed-Limiters vertraut machen. Das Lernen der Strecke beginnt am Donnerstag mit dem üblichen Streckenrundgang. Die Fahrer inspizieren die Strecke zu Fuß und merken sich bestimmte Zeichen und Markierungen, die sie im Auto wiedererkennen müssen.

Das Streckenlernen ist aufgrund des steigenden Grip-Levels ein fortwährender Prozess während des Wochenendes. Das Team teilt das Trainingsprogramm so ein, dass die Fahrer so viel Zeit wie möglich haben, um sich mit den Feinheiten der Streckenführung anzufreunden. Bei den meisten Fahrern sollten grundlegende Parameter wie Ideallinie, Brems- und Beschleunigungspunkte nach dem ersten Freien Training sitzen.¿pbvin|512|4194||0|1pb¿

Einer, der die Strecke von Baubeginn an kennengelernt hat, ist Narain Karthikeyan, 2005 auf Jordan der erste Inder in der Formel 1. "Ich bin schon auf allen nennenswerten Grand-Prix-Strecken gefahren, aber diesen zähle ich zu den besten", schwärmt er von seiner Heimstrecke und kündigt an: "Viele werden sehr positiv überrascht sein." Denn die Streckenführung, so hört man, soll die Fahrer vor Herausforderungen stellen.

Karthikeyan wird bei der Premiere in seinem Heimatland übrigens am Start sein und damit Motorsport-Geschichte schreiben, denn neben ihm wird kein weiterer Inder am Rennen teilnehmen. Lotus-Testfahrer Karun Chandhok rückt nämlich wider Erwarten in kein Stammcockpit auf und ist darüber "sehr enttäuscht", denn: "Ich war bereits in dieses Projekt involviert, als die Strecke noch ein leeres Stück Land war."

Damit bleibt die einzige realistische Hoffnung der indischen Fans auf ein respektables Ergebnis eines "Lokalmatadors" das Force-India-Team von Geschäftsmann Vijay Mallya und der indischen Sahara-Gruppe. Mallya hat bereits vor Jahren angekündigt, dass er davon träumt, 2010 beim ersten Indien-Grand-Prix mit einem indischen Force-India-Piloten auf dem Podium zu stehen. Doch aus 2010 wurde 2011 und Inder hat er noch immer keinen im Cockpit...

Narain Karthikeyan (Jordan-Toyota EJ15)

Narain Karthikeyan war 2005 auf Jordan der erste Inder in der Formel 1 Zoom

Sollte aus einer indischen Überraschung nichts werden, können sich die Fans ihren Frust bei einem Metallica-Konzert von der Seele headbangen oder sich von Lady Gaga ablenken lassen - zwei weltweit bekannte Musikacts, die noch nie zuvor in Indien aufgetreten sind. Das zeigt den Stellenwert, den die Königsklasse des Motorsports schon jetzt in einem der wichtigsten Wachstumsmärkte der Welt hat - oder trügt dieser Schein nur?

Zwischen Gastfreundschaft und lästiger Bürokratie

Sie wollen Abenteuer, Kultur und Curry, doch die Regulierungswut indischer Bürokraten hat den Formel-1-Fahrern die Vorfreude auf das Riesenreich schon gründlich verdorben. "Ich habe ein wenig das Gefühl, dass uns die Inder gar nicht so gern sehen wollen", sagt Timo Glock. "Fehlt nur noch, dass sie mein Seepferdchen sehen wollen für den Fall, dass ich in einen indischen Tümpel falle. Ich hoffe, dass die indischen Fans uns schneller ins Herz schließen als die hiesigen Einreisebehörden."

Weltmeister Sebastian Vettel freut sich auf die zweitschnellste Strecke des Jahres, Rekordchampion Michael Schumacher auf eine Kultur, die selbst er noch nicht kennt, und Nico Rosberg auf den Taj Mahal. Doch um die Formel-1-Premiere in Indien absolvieren zu können, mussten Fahrer, Teammitglieder, Fans und Journalisten in einer zermürbenden Bürokratieschlacht um ein Visum kämpfen.pbvin|512|4190||0|1pb¿

An das Einreisepapier zu gelangen, schien manchem zwischenzeitlich unmöglich. Rosberg soll es zunächst sogar verweigert worden sein. Ob am Wochenende tatsächlich auch der letzte Techniker in der Nähe von Delhi ankommen wird, scheint im Vorfeld die spannendste Frage. Nicht nur Glock, auch Heikki Kovalainen, immerhin mit der Erfahrung von fast 100 Grands Prix ausgestattet, staunt: "Ich musste rund 70 Seiten Papierkram unterzeichnen. Alles scheint kompliziert, das ist unwirklich."

Karun Chandhok musste sich von den Kollegen einiges anhören: "Viele haben sich aufgeregt, wie schwierig es ist, ein Visum zu bekommen", sagt der stolze Inder, Sohn des indischen Motorsport-Präsidenten und als solcher vor der Absage seines Starts die PR-Lokomotive der Veranstalter, etwas traurig. Auch beim Automobil-Weltverband FIA war der Ärger mit den Visa groß. Sollten die Probleme sich fortsetzen, "werden 90 Prozent der Formel-1-Leute - ich eingeschlossen - nicht am Rennen teilnehmen", schimpft Kommunikationschef Matteo Bonciani.

Doch die erstmalige Reise in das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde verspricht letztlich viel Außergewöhnliches. Rosberg reiste beispielsweise extra einige Tage vorher an. Sein Ziel: "Einige Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, ganz besonders das Taj Mahal." Auch Schumacher freut sich auf "ein Land, das sehr faszinierend sein soll".

Die Reize Indiens

Für die Hersteller bietet das Rennen in Indien die Möglichkeit, sich auf einem schnell wachsenden Markt zu präsentieren, in dem 65 Prozent der Einwohner unter 30 Jahre alt sind. Viele Beteiligte interessieren sich derweil neben der Kultur vor allem fürs Kulinarische. "Alle von ihnen sind sehr interessiert, das indische Essen - Currys, wie sie dazu sagen - zu probieren", sagt Chandhok.

Force-India-Ferrari VJM-01

Force India präsentierte seinen Boliden 2008 in der Finanzmetropole Mumbai Zoom

Glocks Teamchef John Booth hat sich extra beim befreundeten Kricketspieler Freddy Flintoff informiert. "Sein Ratschlag ist es, Currygerichte an der Straße zu essen und eine Menge Bier zu trinken. Vielleicht werde ich diesen Ratschlag befolgen", schmunzelt Booth. Und Kamui Kobayashi meint: "Butter-Chicken-Curry ist mein Lieblingsessen, und ich will es gerne mal da essen, wo es herkommt."

Vettels Teamchef Christian Horner glaubt nicht, dass dem einen oder anderen die scharfe und mitunter nicht ganz keimfreie Kost auf den Magen schlagen könnte. Red Bull war bereits seit Wochen mit einem Showcar in Indien unterwegs, "und wir hatten lediglich einen Zwischenfall mit einem verdorbenen Magen", sagt Horner.

Wer ein Visum in den Händen hält, hat also offenbar keine Sorgen mehr. Und so sagt Formel-1-Boss Bernie Ecclestone: "Wir freuen uns auf Indien. Wir hätten schon vor langer Zeit dort sein sollen." Dafür soll die Königsklasse umso länger in Indien bleiben: "Wir sehen es als langfristiges Projekt", erklärt JPSI-Geschäftsführer Samir Gaur. Als Vorbild dient die Strecke in Sepang (Malaysia), die an 250 Tagen im Jahr ausgebucht ist.

"Wir befinden uns in Gesprächen mit MotoGP, aber auch mit anderen Auto- und Motorrad-Rennserien, die an anderen Terminen im Jahr fahren könnten", verrät Gaur. Angedacht sind auch Kooperationen mit Automobilherstellern, die die Strecke für Incentives buchen können. Mercedes hat laut Medienberichten sogar vor, eine Rennfahrerakademie zu gründen und in der Nähe des Buddh-International-Circuits anzusiedeln.¿pbvin|512|4191||0|1pb¿

Indiens wenig bekannte Motorsport-Tradition

Denn einen indischen Motorsport-Superstar hervorzubringen, das wäre ein erstrebenswerter Nebeneffekt einer solchen Rennanlage. Verwunderlich wäre das nicht, denn Indien hat mehr Motorsport-Tradition, als den meisten Europäern bewusst ist. Rennstrecken gab es nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem auf stillgelegten Flugfeldern in Mumbai, Kolkata, Chennai und Bangalore. Keine davon ist heute noch erhalten.

Am 25. Oktober 1953 wurde in Chennai erstmals ein professionelles Auto- und Motorradrennen organisiert. Ein Jahr später wurde in Madras der erste Motorsportklub gegründet - ein Vorläufer des heutigen Nationalverbandes FMSCI (1971). Eines der Gründungsmitglieder der FMSCI war übrigens Indu Chandhok, Vater des heutigen Präsidenten Vicky (ein enger Freund von Vijay Mallya) und Großvater von Karun Chandhok.

Noch weit bewegter als die Geschichte des indischen Motorsports ist freilich die Geschichte von Indien als Staat. Heute ist Indien ein multiethnischer Staat mit 1,2 Milliarden Einwohnern und damit nach China das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt. Außerdem gilt Indien, seit 1947 unabhängig, als größte Demokratie der Welt. Amtssprachen sind Hindi und Englisch, Nationalwährung ist die Rupie (für einen Euro bekommt man rund 70 Rupien).

Delhi Indien

Indiens Hauptstadt Neu-Delhi hat einige Sehenswürdigkeiten zu bieten Zoom

Die ersten indischen Wurzeln liegen in der Indus-Kultur, deren Schrift bis heute nicht entziffert werden konnte und die 1700 vor Christus zerfallen ist. Rund 1.000 Jahre später entwickelten sich Buddhismus und Hinduismus zu prägenden Religionen; erst im achten Jahrhundert nach Christus kam auch der Islam nach Indien. Später wurde Indien von europäischen Kolonialmächten erobert. Erst 1947 erfolgte die Unabhängigkeit vom Königreich Großbritannien. Einer der berühmtesten (friedlichen) Unabhängigkeitskämpfer war Mahatma Gandhi.

Seit einigen Jahren befindet sich das Land zwar wirtschaftlich im Aufschwung, doch das gilt nicht für alle Schichten der Bevölkerung. Übervölkerung, Armut, Umweltverschmutzung sowie der Streit mit Nachbarland Pakistan gelten als die größten Probleme Indiens. Außerdem kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu terroristischen Anschlägen, denen hunderte Menschen zum Opfer fielen.

Hauptstadt Indiens ist Neu-Delhi in unmittelbarer Nähe zu Delhi, das mit rund elf Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes darstellt und mit mehr als 17 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Agglomeration. Delhi ist kultureller Mittelpunkt der hindisprachigen Gemeinschaft des Nordens. Indiens größte Stadt und wirtschaftliches Zentrum ist jedoch Mumbai. Die Metropole an der Westküste zählt fast 13 Millionen Einwohner, in der Agglomeration rund 20 Millionen.

Die Heimat der Formel-1-Strecke, Noida (steht für New Okhla Industrial Development Authority), ist eine 640.000 Einwohner zählende Industrie-Vorstadt im Südosten von Delhi, mehr als 60 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Gegründet wurde Noida am 19. April 1976 im Rahmen eines großangelegten Urbanisierungsprogramms. Sanjay Gandhi, der Sohn der damaligen Premierministerin Indira Gandhi, gilt als für die Gründung verantwortlich.