• 27.05.2011 09:01

  • von Peter Szczecinski

Wie Webbers Renningenieur von einem Unfall profitierte

Mark Webbers Renningenieur Ciaron Pilbeam spricht über den Job an der Boxenmauer und die ungewöhnlichen Umstände, die ihn dorthin befördert haben

(Motorsport-Total.com) - Millionen von Menschen weltweit sitzen sonntags vor ihren Fernsehgeräten und verfolgen die Formel-1-Rennen. Neben Überholmanövern und Boxenstopps gehört der Boxenfunk zu den spannenden Elementen einer TV-Übertragung. Bei jedem Grand Prix bekommt der Zuschauer durch diese O-Töne zwischen dem Fahrer und seinem Renningenieur einen Einblick in die taktischen Spielchen, die auf der Strecke nicht immer offensichtlich sind. Red Bulls Ciaron Pilbeam ist einer dieser Renningenieure. Seit 2007 ist er an den Rennwochenenden Mark Webbers wichtigster Ansprechpartner - seine Premiere am Boxenfunk feierte der Brite allerdings 2005 am Kommandostand von BAR.

Titel-Bild zur News: Ciaron Pilbeam

Ciaron Pilbeam ist vielen Fans als Renningenieur von Mark Webber geläufig

"Meinen ersten Arbeitstag bei BAR hatte ich in Silverstone. Ich fuhr morgens vor der Rennen mit meinem Motorrad an die Strecke, während die anderen Ingenieure sich ein Auto teilten. Ich saß bereits seit über eine Stunde an der Strecke und fragte mich, wo die anderen bleiben", blickt Pilbeam auf sein dramatisches erstes Wochenende zurück. "Dann kam heraus, dass sie einen Verkehrsunfall hatten. Ihr Wagen wurde von einem entgegenkommenden Auto erfasst, das von einem Betrunkenen gelenkt wurde."

Vom Pech der Kollegen profitiert

Dieser Vorfall sollte weitreichende Folgen mit sich ziehen und war gleichzeitig die nächste Stufe in Pilbeams Karriereleiter: "Zwei Jungs schafften es an die Strecke, während die anderen beiden den Tag mit Gehirnerschütterungen, Schnittverletzungen und Prellungen im Krankenhaus verbrachten. Einer von ihnen war Takuma Satos Renningenieur und ich sollte in seine Rolle schlüpfen. Ich arbeitete davor als Performance-Ingenieur und so wurde dieses Rennen zu meiner Feuertaufe", erklärt er.

Die plötzliche Beförderung in den Kommandostand überraschte Pilbeam. Zwar war er mit dem Formel-1-Boliden vertraut, dennoch fühlte er sich von den Vorkommnissen überrollt. Denn nun hatte er großen Einfluss auf die Rennstrategie: "Ich kannte das Auto bereits von den Testfahrten und arbeitete mit diesem Piloten schon einige Zeit, also war ich gewissermaßen vorbereitet, aber es kam ziemlich unerwartet und so wurde ich gewissermaßen ins kalte Wasser geschmissen."

Die Arbeit des Renningenieurs am Renntag unterscheidet sich deutlich von den stressigen Einheiten an einem Formel-1-Wochenende: "Den Job am Sonntag zu übernehmen war einfacher und schwieriger zugleich, als ihn das gesamte Wochenende über zu machen. An Freitagen und Samstagen hat man deutlich mehr zu tun, aber am Sonntag ist der Druck ungleich größer", erinnert sich Pilbeam an sein Renndebüt in einer Zeit, als Nachtanken noch erlaubt war.


Fotos: Mark Webber, Großer Preis von Monaco


Das Resultat bei seinem Premierenrennen am Boxenfunk sorgte nicht für Begeisterung im Team, denn der BAR war 2005 nur bedingt konkurrenzfähig: "Leider lief es im Rennen nicht so gut", blickt der Brite zurück. "Wir kamen zwar ins Ziel, aber es war kein gutes Ergebnis. Für unsere Verhältnisse waren wir gut unterwegs, aber die Leistungsfähigkeit war einfach nicht vorhanden. Ich werde es dennoch nie vergessen. Ich fühlte mich dem unter Druck gesetzt, aber war der Sache gewachsen."

Wechsel von BAR zu Red Bull

Dennoch stellte der erste Einsatz als Renningenieur für Pilbeam einen Erfolg dar, denn die Feuertaufe hatte er bestanden. Der Aufstieg in die Kommandozentrale des Rennstalls sollte nicht lange auf sich warten lassen, bevor er eine Saison später den Rennstall wechselte. "Später habe ich mir gedacht: 'Okay, ich kann es.' Nur kurze Zeit später übernahm ich den Posten ganz und bestritt noch einige Rennen mit BAR, bevor ich als echter Renningenieur zu Red Bull gewechselt bin", sagt Pilbeam.

Trotz der neuen Umgebung und veränderten Rahmenbedingungen verzeichnete der Brite bei seinem neuen Team schnell erste Erfolgserlebnisse: "Das erste Rennen mit Red Bull hatte ich 2006 an der Seite von Christian Klien, bei dem wir Punkte sammelten. Er kam in Bahrain als Achter ins Ziel und fuhr ein richtig gutes Rennen. Damals wurden die neuen Regeln für das Qualifying eingeführt, wodurch sich einiges geändert hat."

Mark Webber und Ciaron Pilbeam

Mark Webber hält große Stücke auf seinen Partner am Kommandostand Zoom

Die lange Eingewöhnungsphase im Vorfeld vor der Saison führte dazu, dass er sich sichtlich wohler in seinem Job fühlte: "Ich hatte die gesamten Wintertestfahrten mit dem Team und Christian absolviert, sodass ich dieses Mal besser vorbereitet war. Ich spürte immer noch den Druck und war ein wenig nervös, gleichzeitig voller Vorfreude."

Pilbeam bestreitet in diesem Jahr seine sechste komplette Saison als Renningenieur bei Red Bull. Die Anspannung während eines Formel-1-Wochenendes hat sich in den Jahren aber nicht verändert: "Um ehrlich zu sein, fühle ich mich heute immer noch so. Es ist immer ein Nervenkitzel für mich und so wird es auch immer bleiben", meint Pilbeam.

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