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  • 06.02.2010 13:56

  • von Christian Sylt

Force India: Steht das Team auf der Kippe?

Neue Details: Was es mit der verspäteten Einreichung der Buchhaltungsdaten bei Force India auf sich hat - Droht die Schließung des Rennstalls?

(Motorsport-Total.com) - Es halten sich zahlreiche Gerüchte, wonach Campos und US F1 beim Saisonstart der Formel 1 nicht in der Startaufstellung stehen werden. Umso überraschender kam am Freitag die Nachricht auf, dass Force India in noch viel größerer Gefahr zu schweben scheint. So liegt dem 'Telegraph' und 'pitpass.com' ein offizielles Dokument der Behörden vor.

Titel-Bild zur News: Giancarlo Fisichella

Verschwommen: Wohin geht die Rennreise für Force India in dieser Formel-1-Saison?

Darin ist zu lesen, dass das Companies House - die britische Regierungseinrichtung, die als Unternehmensaufsicht als Handelsregister fungiert - offiziell damit begonnen hat, Force India zu schließen, weil die Buchhaltungsunterlagen von 2008 nicht eingereicht wurden. Die Daten des in Northamptonshire angesiedelten Unternehmens hätten eigentlich bis zum 31. Oktober 2009 übermittelt werden müssen.#w1#

Das Formel-1-Team Force India hat es allerdings nicht geschafft, diese Dokumente einzureichen. Am 26. Januar 2010 ließ das Companies House den Direktoren des Unternehmens - einschließlich Milliardär Vijay Mallya - den offiziellen Bescheid mit dem Hinweis zukommen, dass "der Name Force India Formula One Team nach Ablauf von drei Monaten ab dem oben genannten Datum aus dem Handelsregister gestrichen und das Unternehmen aufgelöst wird, sofern nichts Gegenteiliges dargelegt wird." Am selben Tag wurde diese Information auch in der 'London Gazette' abgedruckt, die als gesetzliche Informationsquelle für die Wirtschaftsauskunftsdatei fungiert.

Die Nachricht wird in der 'Gazette' veröffentlicht, um Kreditgeber, Lieferanten und Angestellte davon in Kenntnis zu setzen, dass das Unternehmen in drei Monaten aufgelöst wird, wenn nichts unternommen wird, um die Schließung abzuwenden. Force-India-Geschäftsführer Otmar Szafnauer sagt: "Wir haben uns mit dem Companies House über eine Ausweitung dieser Deadline unterhalten, weil wir mehr Zeit brauchten, um die Daten zu ordnen. Am 28. Januar wurden wir schriftlich über die Ausweitung der Deadline bis zum 25. Februar unterrichtet. Packen wir es nicht, ist die Frage, was danach passiert."

Neue Deadline: Jetzt ist Eile geboten

Szafnauer betont, dass "unsere Buchhalter sagen, dass wir nicht länger als bis zum 25. Februar brauchen werden." Nichtsdestotrotz: Seitdem das Team im Oktober 2007 von Orange India Holdings, dem Investmentunternehmen von Mallya und dem ehemaligen Spyker-Geschäftsführer Michiel Mol, gekauft wurde, hat es seine Buchhaltungsunterlagen mehrfach zu spät eingereicht. Die Daten von 2006 und 2007 wurden im vergangenen Jahr mit einer Gesamtverspätung von 28 Monaten übermittelt.

"Wenn sie ihre Unterlagen bis zum 25. Februar einreichen, können wir den Schließungsprozess aufhalten", sagt ein Repräsentant des Companies House. "Jetzt liegt es an ihnen. Wir können die Geschäftsauflösung nur aufschieben, wenn uns die Buchhaltungsdokumente vorgelegt werden. Erhalten wir in den kommenden drei Monaten keinerlei Daten, dann werden wir das Unternehmen aus dem Register löschen."

Unterm Strich bedeutet das: Reicht Force India seine Unterlagen nicht in den kommenden drei Monaten ein, so wird die Schließung des Unternehmens vollzogen und es hört auf zu existieren. Das würde das Formel-1-Engagement sicherlich einbremsen. Sämtliche Vermögenswerte würden zum Eigentum der Krone werden. Obendrein scheint das Unternehmen ein unmittelbarer Unterzeichner des Concorde Agreements zu sein. Wenn Force India also aufgelöst wird, dann würde der Formel-1-Startplatz des Teams wieder an die FIA zurückgehen. Die Buchhaltungsunterlagen nicht einzureichen ist ein Verbrechen und sämtliche Direktoren des Unternehmens riskieren eine Strafverfolgung.

Auskunft von Vijay Mallya wirft Fragen auf

Im Zuge dessen haben einige Nachrichtenportale ein Statement von Vijay Mallya veröffentlicht, ohne zuvor die Richtigkeit des Gesagten überprüft zu haben. Gegenüber 'Autosport' soll Mallya gesagt haben: "Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei der Erstellung eines Finanzberichts eines Unternehmens mal zu Verzögerungen kommt. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben." Diese Aussage ist nicht nur ungenau, sondern bestärkt auch nicht gerade die Zuversicht, dass Mallya diese Angelegenheit meistern kann. Nicht der Finanzbericht von Force India ist nämlich spät dran, sondern die Buchhaltungsunterlagen sind überfällig und haben den Schließungsprozess überhaupt erst in Gang gesetzt.

Im von 'Autosport' veröffentlichten Artikel wird Mallya weiter zitiert: "Force India stand stets in Kontakt mit dem Companies House und eine Verlängerung der Einreichungsfrist wurde am 27. Januar 2010 gewährt, die eine Gnadenfrist bis zum 25. Februar 2010 beinhaltet. Das ist eine Standardprozedur und in keinem Geschäftsfeld ungewöhnlich." Tatsächlich ist es durchaus ungewöhnlich, wenn ein Formel-1-Team durch einen solchen Hinweis in der 'Gazette' auftaucht - zumal keinem der fünf anderen in Großbritannien ansässigen Rennteams in den vergangenen fünf Jahren etwas ähnliches widerfahren ist.

Vijay Mallya (Teameigentümer)

Vijay Mallya und sein Team können das drohende Unheil noch abwenden Zoom

Weiter heißt es von Mallya: "Wir leiten alle notwendigen Schritte ein, um sicherzustellen, dass wir unsere Daten an oder vor diesem Datum einreichen. Force Indias Teilnahme an der Formel-1-Weltmeisterschaft war niemals in Gefahr und wird auch niemals in Gefahr sein." Auch das scheint nicht präzise zu sein. Auf die Frage, ob man sagen kann, dass sich ein Unternehmen, das eine erste Ankündigung in der 'Gazette' erhalten hat, in Gefahr befindet, antwortetet ein Repräsentant der 'London Gazette' mit "aber natürlich".

Verstreicht die Frist ungenutzt, droht die Schließung

Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie weit fortgeschritten der Schließungsprozess ist, fügt der Sprecher hinzu: "Die zweite Ankündigung in der 'Gazette' nennt man auch die letzte Warnung vor der Geschäftsauflösung. Danach wird das Unternehmen aus dem Register des Companies House gestrichen. Das Unternehmen muss sich auflösen und alle Türen schließen." Nur für den Fall, dass jemand Zweifel an der Bedeutung dieser Sache hat, erläutert der Repräsentant, dass die 'London Gazette' "eine offizielle Publikation der Regierung" ist.

Nach dieser kleinen Geschichte fragt man sich natürlich, was in aller Welt in den Buchhaltungsdaten zu finden ist, dass Force India diese so vehement vom Companies House fernhalten will. Wenn die Dokumente schlechtere Ergebnisse als die vorangegangenen Datensätze enthalten, dann wäre das nichts anderes als sensationell.

Die Bankdaten bis zum 31. Dezember 2007 weisen einen Nettoverlust von 12,5 Millionen Pfund (rund 14,3 Millionen Euro; Anm. d. Red.) beim Umsatz auf, der um 22 Prozent auf 29 Millionen Pfund (etwa 33,2 Millionen Euro) gesunken ist. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens übertrafen die Vermögensmasse um 47 Millionen Pfund (rund 53,8 Millionen Euro), weshalb Wirtschaftsprüfer Grant Thornton folgendes Statement abgab: "Die weitergehende Unterstützung durch die Mutterfirma des Unternehmens, Orange India Holdings Sarl, ist notwendig, wenn das Unternehmen weiterhin als Konzern agieren soll. Das Fehlen von öffentlich erhältlichen Informationen über diese Organisation gibt Anlass zu einer grundlegenden Unsicherheit, welche in Bezug auf die Fähigkeit des Unternehmens, weiterhin als Konzern zu agieren, signifikante Zweifel streut."