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  • 08.08.2009 09:14

  • von Pete Fink

Leute mit Biz: Dr. Martin Küster und die Formel-1-Weltreisen

Vom "Schumi-Fan" zum Weltenbummler: Dr. Martin Küster und das Grand Prix Travel Team bringen die Fans zu allen Formel-1-Rennen auf dem ganzen Globus

(Motorsport-Total.com) - "Die Formel 1 ist alle zwei Wochen für zwei Stunden Sport, aber dazwischen knallhartes Business", hat der große Frank Williams einmal gesagt. Für 'Motorsport-Total.com' Grund genug, eine Artikelserie ins Leben zu rufen, die sich mit dem Businessaspekt des Motorsports beschäftigt. In unregelmäßigen Abständen stellen wir eine Persönlichkeit vor, die sich im Motorsportbusiness durchgesetzt hat und mit Biss an ihre Sache herangeht - "Leute mit Biz" eben. Heute in der 15. Edition: Dr. Martin Küster, der mit seinem Grand Prix Travel Team sehr erfolgreich Reisen zu den Formel-1-Gastspielen auf dem ganzen Globus anbietet.

Titel-Bild zur News:

Dr. Martin Küster schickt heute Formel-1-Fans in die ganze Welt

Im Sommer 1993 wollte ein junger, motorsportbegeisterter BWL-Student namens Martin Küster zum Formel-1-Rennen nach Hockenheim fahren. Küster war, wie viele andere, ein Fan des jungen Michael Schumacher, doch die große Hysterie um den späteren siebenfachen Formel-1-Weltmeister befand sich damals noch in ihren Anfängen. Nur die Tickets hatten bereits gesalzene Preise.#w1#

"Ich musste damals feststellen, dass die Eintrittskarte mein Studentenbudget deutlich überschritten hat", erinnert sich Küster. "Man verlangte damals bereits 200 Mark von mir. Das war natürlich viel zu viel für einen armen Studenten und deshalb musste ich unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu fahren."

Aber dieses Erlebnis blieb nicht ohne Konsequenzen. "Ich beschloss, mein ganzes Erspartes zusammenzukratzen und mir für den nächsten Hockenheim-Grand-Prix 50 Eintrittskarten zu kaufen. Zudem organisierte ich eine Reise mit der Zielsetzung, dass dadurch natürlich mein eigenes Ticket samt Hotel bezahlt war." Plus die Hoffnung auf einen Überschuss, denn Küster war ja immerhin ein aufmerksamer Student der Betriebswirtschaftslehre.

Hockenheim, Spa und dann die ganze Welt

Ein riskantes Spiel, aber "ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass das funktionieren würde." Er sollte Recht behalten. Es war ein Volltreffer, denn seine 50 Hockenheim-Tickets waren innerhalb von 14 Tagen ausverkauft. Die Reinvestition war ebenfalls eine logische, denn "Schumi-Fan" Küster sah auf diese Weise auch das Rennen am Nürburgring...

Michael Schumacher

Damit begann alles: Der junge Michael Schumacher erobert die Formel-1-Welt Zoom

Ein durchaus beeindruckendes Geschäftsfundament: Die Faszination Schumacher auf der einen Seite und der Ärger über die hohen Formel-1-Eintrittspreise auf der anderen Seite bildeten die Basis für eine heute florierende Firma, das Grand Prix Travel Team.

In den folgenden Jahren wiederholte Küster seine Reisen zum Hockenheimring und in die Eifel mit Erfolg. Anschließend ging es auch ins Ausland, es folgten Spa, Monza, Budapest und natürlich Monaco. "Erst als diese Rennen fest in unserem Programm integriert waren, ging es dann weltweit zur Sache", beschreibt er den kontinuierlichen Aufstieg. Inzwischen bietet das Grand Prix Travel Team Reisen zu allen Formel-1-Stationen an.

Für den damaligen Studenten Küster war diese Entwicklung bereits ein Fulltime-Job. "Auch wenn ich mit nur acht Semestern sehr schnell studiert habe, habe ich mich doch den überwiegenden Teil des Tages mit der Organisation dieser Reisen beschäftigt", beschreibt der Unternehmer den Weg, wie er sein großes Hobby Motorsport zum Beruf machen konnte.

Die Spezialität von Bernie Ecclestone

Das führte sogar soweit, dass der frischgebackene Uni-Absolvent zwei erstklassige Angebote von BMW ausschlug. Heute meint er rückblickend: "Hätte ich das alles nicht schon während des Studiums als Fulltime-Job aufgefasst, wäre ich nicht so erfolgreich geworden und hätte niemals so komfortabel BMW Offerten ablehnen können."

Dr. Martin Küster Valencia

Jede Menge Arbeit bereits im Vorfeld: Ortsbesichtigung in Valencia Zoom

Ohne Reue übrigens, denn er ist auch heute noch davon überzeugt, dass "die unternehmerische Freiheit und die Emotionalität des Produktes mir viel näher liegen als die Sicherheit eines Großkonzerns". Seinen Doktortitel der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln machte Küster im Jahr 2000. Zu diesem Zeitpunkt war der Schritt in Richtung Übersee-Aktivitäten bereits vollzogen.

"Überseereisen anzubieten war einfach notwendig, um unser Unternehmen für bestimmte Firmenkunden interessant zu machen." Das passende Stichwort dazu lautet auf Neudeutsch "Incentive". Trotz globaler Expansion blieb die Organisation in seiner Hand, denn worauf Küster von Beginn an besonderen Wert legte, war und ist eine intensive persönliche Präsenz vor Ort. Also eben genau nicht das ausschließliche Eingehen von Agenturpartnerschaften.

"Wir versuchen alles aus erster Hand einzukaufen, um vernünftige Preise zu realisieren. Nicht nur Tickets, sondern auch Hotelkontingente oder die fast überall notwendigen Transfers." Was im Fall der traditionellen Europa-Rennen natürlich bekanntes Terrain ist. Nur war es geradezu eine Spezialität von Bernie Ecclestone, in den vergangenen Jahren immer neue Länder in den Formel-1-Kalender aufzunehmen.

Der Mittlere Osten als Steckenpferd

"Bahrain, Shanghai, Singapur, Istanbul, auch Valencia oder nun Abu Dhabi", zählt der Unternehmer auf. Orte, die Küster und sein Team bereits weit im Vorfeld des Rennens ein- oder mehrmals aufzusuchen hatten". Zum Beispiel Bahrain: "Als dieser Grand Prix lanciert wurde, haben wir schon sehr früh damit angefangen, Kontakte zu knüpfen" erinnert er sich. Kontakte, die schließlich bis zur Königsfamilie reichten.

Blick auf den Bahrain International Circuit

Bahrain und der gesamte Mittlere Osten haben es Küster besonders angetan Zoom

Man begann vor Ort "bereits mit dem ersten Spatenstich" zu organisieren. "Das hatte dann zur Folge, dass wir die besten Hotels bekommen haben. Wir hatten sogar bessere Zimmer als Bernie Ecclestone, der normalerweise die besten Hotels en bloc übernimmt", lacht Küster. Er nennt dies - nicht ohne Stolz - schlicht und ergreifend "Produktperfektion".

Aufgrund dieser guten Kontakte ins Arabische hat er übrigens auch keine Angst vor dem Abu-Dhabi-Debüt im November. "Das ist für uns gewissermaßen ein Heimspiel, weil der Mittlere Osten mit Bahrain, Dubai und Abu Dhabi eines unserer Steckenpferde geworden ist." Abgesehen von dem zu vermutenden Mega-Spektakel, das die Formel 1 in Abu Dhabi liefern wird, verwundert es daher nicht, wenn Küster auf die Frage nach seinem Lieblingsrennen mit Bahrain antwortet.

Geht es um die Vorbereitung auf ein Formel-1-Event, das zum ersten Mal stattfindet, wird es vor allem dann schwierig, wenn ein Reiseveranstalter auf einer verschlungenen Stadtstrecke (Singapur) weit im Vorfeld - also noch ohne installierte Tribünen - die besten Tickets ausmachen muss. "Das war ein echtes Problem", gibt Küster zu. "Da kann man sich tatsächlich nur auf die Auswahl der Hotels fokussieren und muss dann den ersten Grand Prix wirklich stattfinden lassen."

Die Formel 1 ist wieder "In"

Bahrain, Singapur, Abu Dhabi sind nun eher exotische Orte. Aber gibt es denn - abgesehen von den deutschen Rennen - klassische Formel-1-Topseller? "Das ist völlig unterschiedlich", verrät Küster. "Natürlich ist da Monaco zu nennen, aber auch Monza und Budapest laufen meistens gut. Doch es gab auch Jahre, in denen die Nachfrage nach Barcelona sehr stark war." Eine tiefere Ursache für dieses unstete Buchungsverhalten seiner Kunden konnte er "bis jetzt noch nicht ausmachen."

Dr. Martin Küster Monaco

Monaco ist und bleibt einer der ganz großen Formel-1-Dauerbrenner Zoom

Ein Drittel des Umsatzes wird über die Firmenkunden generiert. Ist denn die Formel 1 in den Augen der Incentive-Spezialisten noch etwas Besonderes? Die Antwort des Reise-Profis überrascht: "Sie ist es wieder. Es gab Jahre, in denen Michael Schumacher ein Rennen nach dem anderen gewonnen hat und teilweise schon zu Saisonmitte Weltmeister war. Da war es für viele Firmenkunden einfach nicht mehr angesagt, immer wieder zur Formel 1 einzuladen."

Diese Kunden "sind aber 2006 und 2007 wieder zurückgekommen." War der Überfahrer Schumacher also gar geschäftsschädigend? Küster muss lachen: "Das will ich so nicht sagen, letztlich hat er das Geschäft ja erst ermöglicht. Aber es setzte damals schon eine gewisse Marktsättigung ein. Damals war eben die Frage: Gewinnt Schumi oder gewinnt er nicht? Heute lautet die Frage: Wer gewinnt das Rennen?"

Im Rezessionsjahr 2009 gibt es da zudem einen Sebastian Vettel, "der sowohl im Fernsehen wie auch vor Ort ein echter Sympathieträger ist." Und natürlich das Schumacher-Comeback, das die Begeisterung noch einmal massiv in die Höhe treibt. "Seitdem steht unser Telefon nicht mehr still. Wir hatten in den ersten 24 Stunden so viele Buchungen wie zuvor in insgesamt sechs Wochen."

Perfektes Timing beim Schumi-Comeback

Auch der Zeitpunkt des Comebacks hätte - aus der Sicht eines Reiseveranstalters - nicht besser sein können. "Im August ist unser Vorverkauf fast abgeschlossen, denn im Herbst kommen nur noch die Überseerennen und die müssen ja langfristig geplant werden." Schumacher lockt da, trotz Rezession, viele Fans von der Couch weg, die sich die Chance nicht entgehen lassen wollen, den 40-jährigen Formel-1-Superstar noch einmal live zu erleben.

Michael Schumacher

Motto 2009: Runter von der Couch und noch einmal Michael Schumacher sehen Zoom

Eine Kombination Schumacher und BMW gab es in der Formel 1 bekanntlich nie. Diese Verbindung hätte Küster sicherlich sehr glücklich gemacht, denn schließlich gründete er als 17-Jähriger den heutigen BMW M Club, der als Mitglieder nur Fahrer von BMW M und Alpina-Fahrzeugen aufnahm. Ein durchaus kühnes Unterfangen für jemanden, der zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht einmal den Führerschein besaß.

Doch kein Problem für den autobegeisterten Teenie ("Mein erstes Wort war nicht Mama oder Papa, sondern Auto"), der bereits damals sein Organisationstalent unter Beweis stellte, als er die ersten BMW Treffen veranstaltete. Die Liebe zum Motorsport ereilte den heute 41-Jährigen also sehr früh, nicht zuletzt bestehen sogar entfernte verwandtschaftliche Beziehungen zu Bernd Rosemeyer.

Rundum Sorglos

BMW spielte immer eine wichtige Rolle in Küsters Leben, und so fand er den Ausstieg aus der Formel 1 "natürlich sehr schade. Andererseits sehe ich es positiv, wenn sich die Hersteller wieder etwas zurücknehmen, denn durch die Hersteller ist die Formel 1 doch recht clean geworden." Küster fehlen "zunehmend Quergeister und markante Typen wie ein Gerhard Berger, Eddie Irvine, Senna, Lauda, Montoya oder auch ein Michael Schumacher. Charaktere, die polarisiert haben, die gesagt und getan haben, was sie wollten."

Dr. Martin Küster

Von Hockenheim bis Melbourne: Eine Rundum-Betreuung ist immer gefragt Zoom

Damit steht er sicherlich nicht alleine da. Er glaubt: "Wenn Fahrer aufgrund von Marketingstrategien nicht mehr das sagen dürfen, was sie wollen, dann ist das keine positive Entwicklung. Meiner Meinung nach wird durch die Stärkung unabhängiger Teams diese Polarisierungstendenz wieder zunehmen, und damit letztlich auch das Interesse an der Formel 1." Was wiederum gut für sein Geschäft ist.

Worin sieht er das Erfolgsgeheimnis seiner Firma? "Die Leute wollen Emotionen mit einem Rundum-Sorglos-Paket", schildert er die Erwartungshaltung der Kunden. "Wir haben zum Beispiel von Anfang an nur Wochenend- und Sitzplatz-Tickets, sowie Hotels mit mindestens drei Sternen gebucht." Hochwertige Pakete also, die in letzter Zeit noch ausgebaut wurden, denn "inzwischen liegen wir im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich."

Es geht noch besser

Das hat sich in Krisenzeiten "als sehr gut erwiesen, weil die preis-unsensiblen Kunden in der Regel auch treue Kunden sind." Also hat er keine Angst vor dem erheblichen Preisniveau der Formel 1? "Natürlich bin auch ich jedes Mal wieder skeptisch, wenn die Preise immer wieder erhöht werden. Zumindest Einstiegspreise sollten attraktiv bleiben. Auf der anderen Seite hat das mit dazu beigetragen, die Formel 1 so erfolgreich zu machen, wie sie heute ist. "

Eifeldorf Grüne Hölle

Entertainment: Der Nürbrugring besitzt in Küsters Augen Vorbildcharakter Zoom

Seine Begründung lautet: "Früher war die Formel 1 ein Produkt für Motorsportverrückte, heute ist sie eine weltweite Plattform, die in den meisten Ländern ein gesellschaftlich sehr hoch angesiedeltes Ereignis darstellt." Ein Wecken der Begierde also, allerdings nicht ohne Schwächen.

"Das ganze Drumherum ist einfach noch viel zu wenig", findet der Formel-1-Weltenbummler, aber wenigstens "haben die Veranstalter nachgebessert, wie zum Beispiel auf dem Nürburgring." Nur der Rennsonntag mit einem einzigen Highlight, dem Großen Preis über knapp zwei Stunden, "das ist zu wenig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit großen Mehrkosten verbunden ist, wenn am Sonntagvormittag zwei oder drei andere spannende Rennen stattfinden."

Küsters Idee: "Warum findet zum Beispiel der dritte Teil der Qualifikation nicht am Sonntagvormittag statt?" Scheu vor Veränderungen seien nicht angebracht. "Die Formel 1 ist ein Produkt, das man laufend verbessern muss, und wobei man nicht immer und ausschließlich nur an die Fernsehzuschauer denken sollte." Klar, denn leere Tribünen lassen sich auch im TV nur ganz schlecht verkaufen.

Dr. Martin Küster im Kreuzverhör:

Geburtsdatum: 03.07.1968

Geburtsort: Bonn

Wohnhaft in: Köln

Familienstand: ledig, liiert

Erstes Fahrzeug: Renault R5 TL mit 45 PS und natürlich mit nachträglichem Sportfahrwerk, Zusatzscheinwerfer und Drehzahlmesser etc. Topspeed 135 km/h, gefühlt deutlich schneller!

Aktuelles Fahrzeug: BMW Alpina Roadster S

Erlernter Beruf: Groß- und Außenhandelskaufmann, dann Dipl.-Kaufmann

Im Motorsport involviert seit: 1986

Größter beruflicher Erfolg: Freude und Unabhängigkeit miteinander verbunden zu haben

Größtes Ziel: Freunde pflegen, Freude bewahren, Unabhängigkeit sichern

Online oder Print? Infos Online, Bilder Print

Business- oder Economy-Class? Economy, ich schlafe sowieso im Flieger

Boulevard oder Feuilleton? weder noch

Festgeld oder Optionsschein? beides, am liebsten zum jeweils optimalen Zeitpunkt

T-Shirt oder Sakko? Sakko

Opernball oder Oktoberfest? als Kölner natürlich Karneval!

Arbeit oder Hobby? ist für mich zum Glück dasselbe

Lebensmotto: Wer nichts wagt, der nicht gewinnt. Aber Augen auf und immer umsichtig sein!

Geld bedeutet für mich... Sicherheit, Unabhängigkeit und in Dimensionen eines Bernie Ecclestone auch Spiel

Motorsport fasziniert mich, weil... Wer noch nie von 0 auf 100 in 4 Sekunden beschleunigt hat, weiß nicht, was Emotionen sind. Der professionelle Motorsport ist so gesehen Emotion nonstop. Eine x-fache Geschwindigkeit zu beherrschen, die im Menschen von Natur aus nicht angelegt ist und sie im Wettbewerb zu perfektionieren, ist faszinierend.