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  • 13.07.2009 15:45

  • von Dieter Rencken

Glock wären Formel-1-Tickets zu teuer

Timo Glock im Interview: Über seine Arbeit und Ziele bei Toyota, die Nähe zu den Fans und den "magischen Anruf" von iSport-Chef Paul Jackson

(Motorsport-Total.com) - Timo Glock war kein Youngster mehr, als er endgültig in der Formel 1 angekommen ist. Doch inzwischen bestreitet er seine zweite volle Saison bei Toyota, einem Team, bei dem er sich heimisch fühlt. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' sprach der Odenwälder über seine Anfänge und seine aktuellen Ziele mit Toyota, sein Verhältnis zu den anderen deutschen Piloten und über die schwierige politische Lage.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock hofft, dass der erste Sieg mit Toyota nicht mehr allzu entfernt ist

Außerdem erklärte er, was sich die Formel 1 in Sachen Fannähe von den US-Serien abschauen könnte, warum er hofft, in Ungarn wieder ein Topergebnis holen zu können, warum iSport-Chef Paul Jackson mit einem einzigen Anruf seine Karriere gerettet hat und er erläutert, ob ein Leben als Gerüstbauer für ihn ernsthaft eine Alternative zum Beruf des Rennfahrers wäre:#w1#

Frage: "Blicken wir zurück auf das vergangene Jahr, als du zu Toyota gekommen bist. In den ersten fünf oder sechs Rennen warst du weit hinter Jarnos Pace. Ab dem Rennen in Deutschland hast du aufgeholt, jetzt seid ihr gleichauf. Hast du deiner Fahrstil geändert? Hast du dich an die Formel 1 oder das Auto angepasst oder was hat sich geändert?"
Timo Glock: "Der Hauptpunkt war, dass ich mich daran gewöhnen musste, wie das Team arbeitet und wie das Auto ist. Wir mussten ein paar kleine Änderungen vornehmen, aber das geht nicht in ein oder zwei Rennen, es hat einfach ein bisschen länger gedauert, alles so zu entwickeln, dass mein Auto und mein Fahrstil zusammengepasst haben. Und das war in Hockenheim der Fall. Von da an hatte ich die Pace von Jarno und im Rennen war ich ein paar Mal schneller. In Hockenheim gab es eine gewisse Wende und das lag vor allem an Änderungen an der Mechanik des Autos."

Frage: "Was genau wurde geändert?"
Glock: "Zuallererst musste ich mich an die Reifen gewöhnen, aber das Auto hat einfach zu sehr untersteuert. Es war beim Bremsen nervös, die Balance hat also nicht ganz gepasst. Das mussten wir zusammenbringen, Bremsbalance, weniger Untersteuern. Dann hat es besser zu meinem Fahrstil gepasst. Und dazu habe ich mich mehr an die Formel 1 gewöhnt, an das, was in der Qualifikation so passiert und so weiter."

"In Hockenheim gab es eine gewisse Wende." Timo Glock

Frage: "Wirst du auch in der kommenden Saison für Toyota fahren? Hat Toyota eine Option auf dich?"
Glock: "Es sieht für mich nicht allzu schlecht aus, es sieht für die Zukunft recht positiv aus. Ich hoffe, dass ich dort nächstes Jahr auch fahren werde."

Frage: "Sprichst du im Moment auch mit anderen Teams?"
Glock: "Nein."

Das heikle Thema Politik

Frage: "Wie zuversichtlich bist du, dass es im nächsten Jahr eine Formel 1 geben wird und dass Toyota in dieser Formel 1 fahren wird?"
Glock: "Die Situation ist derzeit etwas schwierig. Vor dem Rennen am Nürburgring hat alles ganz positiv ausgesehen, aber jetzt hat es wieder viele Diskussionen gegeben. Es ist momentan schwierig, das irgendwie zu kommentieren."

Frage: "Hält dich das Team in dieser Sache auf dem Laufenden oder informierst du dich darüber in den Medien?"
Glock: "Ich spreche sehr viel mit John Howett und dem Team, sie informieren mich darüber. Die Medienberichte darüber lese ich nicht mehr, ich höre mir nur an, was das Team mir darüber sagt."

"Es ist momentan schwierig, das irgendwie zu kommentieren." Timo Glock

Frage: "Du hast ein Appartment in Köln, in der Nähe der Fabrik?"
Glock: "Nein, nicht mehr. Ich hatte im vergangenen Jahr eins, jetzt nicht mehr. Der Eigentümer hat mich zwar nicht rausgeworfen, aber wir haben festgestellt, dass es nicht richtig funktioniert und deshalb entschieden, es sein zu lassen. Ich hatte einfach nicht genügend Zeit und so."

Frage: "Wo wohnst du dann jetzt?"
Glock: "Ich wohne etwa eineinhalb Stunden von Köln entfernt in der Nähe von Frankfurt, zehn Minuten vom Flughafen weg. Ich habe dort meine eigene Wohnung. Meine Eltern wohnen auch nur 20 Minuten weg."

Ein Teil der "Formel deutsch"

Frage: "Abgesehen von den anderen Gegnern: Ihr seid fünf deutsche Fahrer in der Formel 1. Ist man besonders motiviert, die anderen vier Deutschen zu schlagen oder will man das gesamte Feld schlagen? Und wie kommst du mit den anderen Deutschen zurecht?"
Glock: "Ich will das ganze Feld schlagen und vor allen anderen sein. Das ist mein Ziel, mehr nicht. Dafür und um Podiumsplätze muss man wirklich kämpfen. Es wäre schön, vor allen anderen Deutschen zu sein, aber wir versuchen, das bestmögliche Ergebnis zu holen und ums Podium zu kämpfen."

Frage: "Die Frage nach dem besten deutschen Fahrer ist in den deutschen Medien ein großes Thema. Ähnlich wie es bei den britischen Medien mit den Briten ist. Setzt dich das unter Druck?"
Glock: "Nein, ich denke, dass der größte Druck derzeit auf Sebastian Vettel lastet. Er ist im Moment der deutsche Topfahrer und er kämpft um den Titel. Da ist es normal, dass sich alles auf ihn konzentriert. Für uns andere Deutschen macht das die Sache vielleicht ein bisschen einfacher. Aber vor allem beim Heimrennen ist der Druck immer da, es ist jedoch ein positiver Druck."

Timo Glock, Sebastian Vettel, Nico Rosberg, Nick Heidfeld, Adrian Sutil

Timo Glock ist einer von fünf deutschen Piloten im Feld der Formel 1 Zoom

Frage: "Wie verstehst du dich mit den anderen Deutschen?"
Glock: "Wir verstehen uns wirklich gut. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Sebastian und zu Nick Heidfeld. Den kenne ich noch aus den Zeiten, als ich beim BMW Sauber F1 Team Testfahrer war. Adrian Sutil kenne ich aus der Formel 3 und der Formel BMW, Nico Rosberg auch. Wir kommen alle recht gut miteinander aus."

Frage: "Aber ihr hängt nicht dauernd zusammen und trefft euch privat?"
Glock: "Ich würde sagen, dass wir dafür nicht genügend Zeit haben."

Frage: "Ihr habt jetzt mehr Zeit als je zuvor..."
Glock: "Ja, aber die Marketingleute haben schon Beschäftigung für uns (lacht; Anm. d. Red.)."

Fannähe und Ticketpreise

Frage: "Du hattest kürzlich einen PR-Termin in Paris, hat das Spaß gemacht?"
Glock: "Ja, es war eine schöne Veranstaltung. Ich musste viele Interviews geben und hatte viel zu tun. Es war schön."

Frage: "Was machst du, um den Kontakt zu deinen Fans zu halten? Du hast viele Fans, organisierst du da auch eigene Veranstaltungen?"
Glock: "Ich versuche einfach, für sie mein Bestes zu geben. Ich nehme mir die Zeit, um Autogramme zu geben und so weiter - zumindest an den Rennwochenenden. Ich war auch in Goodwood und hatte dort als Deutscher am Ende des Wochenendes recht viele englische Fans dazugewonnen, weil wir viel unterwegs waren. Ich habe viele Burnouts und Donuts und so etwas gemacht und viele Autogramme gegeben. Und ich denke, das haben sie Fans sehr geschätzt. Am Schluss hat mir Lord March eine Medaille überreicht, weil ich den Fans die beste Show geboten hatte."

Timo Glock

Timo Glock hätte gern mehr Zeit. um sich mit den Fans zu treffen Zoom

Frage: "Wenn du dir so die Ticketpreise anschaust: Tun dir die Fans da leid? Denn viele müssen ihren halben Monatslohn für ein Ticket aufbringen. Man muss zwei Wochen lang arbeiten, um auf der Tribüne sitzen und Timo Glock zuschauen zu können..."
Glock: "Das ist einer der Punkte, in dem die Formel 1 ein bisschen umdenken muss. Da muss ein besserer Kompromiss gefunden werden. Ich denke, dass man am Nürburgring einen ganz guten Job gemacht hat. Es gibt jetzt den Freizeitpark und die ganze Familie kann viel mehr erleben, man hat viel mehr Möglichkeiten. Das ist recht schön."

Frage: "Wenn du kein Rennfahrer, sondern ein normaler Fan wärst - würdest du so viel Geld für ein Ticket ausgeben und 400 Euro zahlen, um einen Grand Prix anzuschauen?"
Glock: "Ich denke nicht. Ich glaube, momentan wird man als TV-Zuschauer umfassender informiert, man kann das Rennen anschauen, hört Interviews, dazu kommt das Internet."

Frage: "In der ChampCar-Serie, in der du gefahren bist - es ist ja jetzt die IndyCar-Serie - ist die Verbindung zwischen Fahrern, Teams und Fans wesentlich enger. Gibt es da etwas, was sich die Formel 1 abschauen könnte, um Fans und Sport näher zusammenzubringen?"
Glock: "Dort gab es bessere Möglichkeiten für die Fans, weil der Paddock für alle zugänglich war. Für mich war das kein Problem, vielleicht für die amerikanischen Piloten etwas mehr. Dort hatte man als Fahrer mehr Zeit für die Fans. Denn in der Formel 1 ist der Zeitplan so eng gesteckt. An einem Donnerstag zum Beispiel habe ich zwischen 13 Uhr mittags und 21 Uhr abends eine Pause von zehn Minuten. Es geht nonstop durch mit Interviews, PR-Terminen ... und mit seinen Ingenieuren sollte man sich auch noch treffen. Manchmal verbringt man weniger Zeit mit seinen Ingenieuren als mit PR und Marketing. Das ist der Grund, war die Formel 1 nach außen nicht so offen ist und wir momentan einfach nicht die Möglichkeit haben, mehr Zeit mit den Fans zu verbringen."

"Ich glaube, momentan wird man als TV-Zuschauer umfassender informiert." Timo Glock

¿pbvin|512|1741||0|1pb¿Frage: "Blicken wir nach vorn: Im vergangenen Jahr bist du in Ungarn ein fantastisches Rennen gefahren, du hättest es auch gewinnen können. In diesem Jahr ist es eines deiner Ziele, einen Sieg zu holen. Könnte das in Ungarn möglich sein, liegt dir die Strecke?"
Glock: "Ich hatte noch nie ein besonderes Feeling, was die Strecke in Ungarn angeht. Im vergangenen Jahr war ich dort sehr schnell unterwegs. Ich hoffe, dass wir das in diesem Jahr wiederholen können. Das wäre natürlich perfekt. Ich mag die Strecke, es ist ein Fahrerkurs, es gibt viele Kurven und man hat nicht viel Zeit, sich zwischendrin auszuruhen. Ich freue mich schon drauf und hoffe, die Leistung aus dem Vorjahr wiederholen zu können."

Frage: "Wie erfolgreich warst du dort in der GP2?"
Glock: "Ich war auf der Pole Position. Im ersten Rennen war ich Zweiter hinter Lucas di Grassi, aber beim Boxenstopp ließ sich ein Rad nicht festmachen, deshalb habe ich zehn Sekunden in der Box verloren und wurde Neunter. Im zweiten Rennen ist dann mein Getriebe kaputtgegangen."

"Im vergangenen Jahr war ich dort sehr schnell unterwegs." Timo Glock

Frage: "Es ist aber eine Strecke, die deinem Fahrstil entgegenkommen sollte?"
Glock: "Es sieht ein bisschen danach aus, ja. In diesem Jahr ist wegen der Reifen und der neuen Regeln alles ein bisschen anders, aber warten wir es ab. Ich hoffe, dass es wieder so gut läuft."

Der lange Weg zurück

Frage: "Du hattest einen langen Weg zurück in die Formel 1. Nachdem du bei Jordan gefahren bist, bist du erst einmal in die USA gegangen und dann in der GP2 gefahren. Hattest du je den Gedanken, dass du es vielleicht nicht zurück in die Formel 1 schaffen könntest?"
Glock: "Ja, 2006 gab es einen Moment, als ich für BCN das GP2-Rennen in Monaco gefahren bin. Wir hatten wirklich ein sehr schlechtes Jahr, wir hatten viele Probleme am Auto und waren wirklich nicht schnell. In Monaco war ich 17. der Startaufstellung und konnte mich im Rennen bis auf Platz vier vorkämpfen, aber dann ist das Getriebe wieder kaputtgegangen.

"Da saß ich in der Boxengasse und habe gesagt: 'Okay, das war's.". Denn wenn man in der GP2 nicht vorn ist, hat man keine Chance auf eine Rückkehr in die Formel 1. Doch plötzlich bekam ich den 'magischen' Anruf von Paul Jackson - am Montag nach dem Rennen in Monaco. Er gab mir die Chance, zu iSport zu wechseln und zwei Wochen später war ich in Silverstone Zweiter hinter Lewis Hamilton. Das war der Restart und ich konnte wieder von der Formel 1 träumen."

Paul Jackson

Paul Jackson holte Timo Glock in sein iSport-Team - 2007 folgte der Titelgewinn Zoom

Frage: "2007 hast du dann den Titel geholt. Denkst du, dass dieser Anruf von Paul Jackson endgültig dazu geführt hat, dass du jetzt hier fährst?"
Glock: "Ja. Jedes Mal, wenn ich in sehe, danke ich ihm dafür, dass er meine Karriere gerettet hat."

Frage: "Triffst du ihn oft?"
Glock: "Ja, ich versuche es. Ich bin vor Silverstone schon am Mittwoch rübergeflogen und habe das Team besucht. Wir haben den ganzen Tag zusammen verbracht und hatten einfach nur Spaß."

Frage: "Wenn du es nicht zurückgeschafft hättest in die Formel 1, was hättest du dann gemacht? Wärst du Rennfahrer geblieben oder hättest du es ganz aufgegeben? Du hast mal gesagt, dass du dann im Geschäft deines Vaters gearbeitet hättest, aber das kann ja nicht ganz ernst gemeint gewesen sein..."
Glock: "So etwas muss man ernsthaft in Betracht ziehen, wenn man kein Cockpit findet. Die Frage ist, welche Möglichkeiten sich bieten."

Frage: "Alex Zanardi hatte eine ähnliche Karriere wie du: ein paar Rennen Formel 1, ChampCar, zurück in die Formel 1. Ich habe ihm dieselbe Frage gestellt und er sagte: 'Wenn ich ein gelernter Klempner wäre, würde ich das wieder tun'. Als ich in Jahre später wiedertraf, erinnerte ich ihn daran und er sagte, er habe damals nur einen Spaß gemacht. Hättest du also ernsthaft daran gedacht, Gerüstbauer zu werden?"
Glock: "Nein, wenn sich eine andere Möglichkeit ergeben hätte, wäre ich im Rennsport geblieben."