• 23.06.2009 17:18

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Analyse: Von Geld, Egos und Machtkämpfen

So weit sind die Planungen der Alternativserie vorangeschritten und so viel könnte das Formel-1-Imperium dadurch verlieren - Briatore attackiert Mosley

(Motorsport-Total.com) - Es gehe "weder um Persönlichkeiten, noch um einen Machtkampf" versichert John Howett, Teampräsident von Toyota und stellvertretender Vorsitzender der FOTA, im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Aber in Wahrheit geht es wahrscheinlich um beides ein bisschen - und vor allem wieder einmal um viel Geld.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone und Max Mosley

Ihr Lebenswerk steht auf dem Spiel: Bernie Ecclestone und Max Mosley

Wenn die FOTA am Donnerstag tagt, um mit den konkreten Planungen einer eigenen Alternativserie zu beginnen - vorausgesetzt die morgige Sitzung des Motorsport-Weltrats der FIA in Paris führt zu keinem Kompromiss -, dann steht das Lebenswerk von Bernie Ecclestone auf dem Spiel. Denn das Formel-1-Imperium, das inzwischen zu einem großen Teil der britischen Investmentgesellschaft CVC Capital Partners gehört, würde eine Abspaltung wohl kaum überleben.#w1#

Formel-1-Imperium in seinen Grundfesten erschüttert

'Motorsport-Total.com' vorliegenden Investorenschätzungen zufolge hat alleine die Androhung einer Alternativserie den Wert der Holding um 150 bis 350 Millionen Euro reduziert. Das ist besonders dramatisch, als das Formel-1-Imperium ohnehin auf vier Krediten aufgebaut ist, insgesamt 2,9 Milliarden US-Dollar (umgerechnet gut zwei Milliarden Euro) schwer. Die Royal Bank of Scotland (RBS), die das Geld zur Verfügung gestellt hat, ist über die aktuelle Situation dementsprechend besorgt.

Howard Moody von der Royal Bank of Scotland

Howard Moody von der RBS: Die Bank ist von der Spaltung ebenfalls betroffen Zoom

Hinzu kommt, dass die Holding auf Basis der kommerziellen Vorvereinbarung von Mai 2006 den Teams auch noch 150 Millionen Euro schuldet. Zwar hat Bernie Ecclestone einen Teil der den betroffenen Teams zustehenden Einnahmenbeteiligung vor dem Saisonauftakt überwiesen, um einen Boykott des Grand Prix von Australien zu verhindern, doch den Rest hält er noch zurück. Am liebsten würde er dieses Geld wohl erst auszahlen, wenn ein neues Concorde-Agreement unterschrieben ist.

"Mir wurde mehrfach versichert, dass das Geld verfügbar ist und dass es auf Konten liegt. Solange es nicht ausbezahlt ist, kann ich dazu aber nichts sagen", bestätigt Howett unsere Darstellung. Dabei sind es seiner Meinung nach nicht die Teams, die die Ratifizierung eines neuen Concorde-Agreements blockieren: "Wir versuchen seit zwei Jahren, ein Concorde-Agreement zu unterschreiben, aber es gibt ein Zögern seitens CVC und der FIA."

Teams fordern, was ihnen zusteht

Seitens der FOTA hört man oft, Geld sei im aktuellen Streit nicht das Wichtigste. Aber Howett pocht darauf, dass das, was vereinbart wurde, auch tatsächlich überwiesen wird: "Für einige Teams ist das schon entscheidend. Für uns ist es wichtig, denn wir sind in gutem Willen an den Start gegangen und wir haben uns sehr um ein neues Concorde-Agreement bemüht. Bis jetzt gibt es aber noch keins. Ich meine, dass wir nicht dazu beigetragen haben, den Prozess zum Scheitern zu bringen."

"Ich meine, dass wir nicht dazu beigetragen haben, den Prozess zum Scheitern zu bringen." John Howett

"Wir brauchen ein Dreierabkommen, das die Basis definiert, auf der wir in Zukunft im Interesse des Sports zusammenarbeiten können", so der Brite, der sich wünscht, dass das Concorde-Agreement von allen Teams, vom Halter der kommerziellen Rechte und auch von der FIA unterschrieben wird. Die Anerkennung der "Formel-1-Verfassung" durch die FIA würde einen stabilen und transparenten Regelgebungsprozess gewährleisten.

Das ist eines der Hauptanliegen von Howett und seiner Mitstreiter: "Was die Regelgebung angeht, wurden weder die Vereinbarungen einzelner Teams, noch die Prozesse des Concorde-Agreements von 1998 eingehalten. Die Anwendung der vereinbarten Regelgebung wurde vom Präsidenten völlig ignoriert." So kam es zur Einführung der umstrittenen Budgetobergrenze, die letztendlich der Auslöser des Streits, war, in dem es inzwischen um sehr viel mehr geht.

Briatore stänkert gegen Mosley

"Uns wurde die Tür vor der Nase zugeschlagen", ärgert sich Renault-Teamchef Flavio Briatore, der von Mosley hinter vorgehaltener Hand als "Möchtegern-Ecclestone" bezeichnet wird, laut 'Autosport'. Und er kritisiert Mosley ganz direkt: "Max wird die ganze Zeit persönlich. Ich bin zu sehr ein Gentleman, als dass ich auch persönlich werden würde, aber wenn er das so will, dann habe ich viel über Max zu sagen. Er muss aufhören, die Leute zu beschimpfen."

"Wenn er das so will, dann habe ich viel über Max zu sagen." Flavio Briatore

Auf die Frage, was er davon halte, dass ihn Mosley als "Verrückten" bezeichnet habe, entgegnete der flamboyante Italiener: "Ich will nicht beschreiben, was für ein Mensch Max in seinem Privatleben ist, denn eine Demonstration davon hatten wir im Vorjahr in 'News of the World'. Es reicht! Wenn es jemanden gibt, der lieber ruhig sein sollte, dann ihn, denn er ist mit seinem Privatleben als Präsident kein besonders gutes Vorbild."

Aus diesem Statement kann man durchaus herauslesen, was die Teamchefs stets bestreiten, wenn ein Aufnahmegerät auf dem Tisch liegt: dass Mosleys Rücktritt eine Annäherung bewirken könnte. "Das ist Angelegenheit der FIA", weicht Howett der Frage nach dem FIA-Präsidenten aus. "Sie haben in dieser Frage das Bestimmungsrecht, nicht wir. Sein Verhalten in den vergangenen ein oder zwei Jahren macht es aber schwierig, eine vernünftige Lösung zu erreichen."

Di Montezemolo im Weltrat mit Stimmrecht

"Vielleicht wäre die FIA dann aufgeschlossener und eher dazu bereit, professionell mit der FOTA und mit den Teams zu diskutieren. Ich halte aber fest, dass es hier nicht um Personen geht, sondern um Positionen", sagt der 56-Jährige und fügt hinsichtlich der morgigen Sitzung des Weltrats an: "Ich hoffe, dass Herr di Montezemolo den Ratsmitgliedern die Schwierigkeiten erklären kann, denen wir uns seit Jahren ausgesetzt sehen."


Fotos: Großer Preis von Großbritannien


"Im Moment sehen wir keinen Bedarf für Gespräche. Wir warten ab, was bei der Sitzung des Weltrats passiert und ob es seitens der FIA eine signifikante Bewegung gibt", fährt Howett fort. Und was wenn nicht? "Dann wird sich wahrscheinlich nichts ändern. Wir haben bis Donnerstag versucht, eine unserer Meinung nach mehr als vernünftige Lösung zu erzielen. Die Öffentlichkeit sieht das genauso wie wir. Jetzt müssen wir mit der Gründung einer neuen Meisterschaft fortfahren."

Mosley meinte zuletzt am Sonntag in Silverstone, eine Einigung sei "sehr nahe" und er gehe "unbedingt" davon aus, dass 2010 alle Teams an einer von der FIA organisierten Formel-1-Weltmeisterschaft teilnehmen werden. Doch dafür, dass alles nur ein Bluff sein soll, rasseln die Säbel der Teams ganz schön laut. Unter der Hand wurden am Wochenende erste Details bekannt: Die Alternativserie soll "New Formula" heißen und 17 Rennen umspannen.

Geld ist nicht das Problem

Die Zeit drängt zwar, doch der Sportmarketinggigant IMG wurde offenbar bereits mit organisatorischen Vorbereitungen betraut. Der finanzielle Aspekt stellt laut Howett auch in Zeiten der Weltwirtschaftskrise kein signifikantes Problem dar: "Wir brauchen kein Investment, sondern nur Cash-Flow. Innerhalb der FOTA haben wir bereits ein ausreichendes Vermögen, um mit der Gründung dieser Serie zu beginnen."

"Wir brauchen kein Investment, sondern nur Cash-Flow." John Howett

Dazu kommt ein Loyalitätspakt der fünf in der FOTA vertretenen Automobilhersteller (BMW, Daimler, FIAT, Renault und Toyota), der vorsieht, dass ein Unternehmen, das sich vom Pakt verabschiedet und einen eigenen Weg geht, jeweils 50 Millionen Euro an alle anderen überweisen muss - also insgesamt 200 Millionen Euro. Dass so ein Pakt ohne Zustimmung der Vorstände unterschrieben wird, gilt als so gut wie ausgeschlossen.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Hersteller theoretisch bis zu einer Milliarde Euro locker machen könnten. Damit lässt sich eine Rennserie gründen. Auch das Aufsetzen eines Reglements wäre nicht das Problem: "Das wäre sehr einfach. Innerhalb der Technischen Arbeitsgruppe machen wir ja schon jetzt einen Teil dieser Arbeit. Ich weiß nicht, ob die derzeitigen Regeln in irgendeiner Form urheberrechtlich geschützt sind. Das werden unsere Anwälte professionell prüfen", sagt Howett.

Keine Piraten, sondern Migranten

Das Wort "Piratenserie" hört er übrigens nicht sonderlich gerne: "Wir nennen es lieber Migration. Als ich jung war, gab es im Fußball die Erste Division. Jetzt haben wir die Premier League. Genauso ist es mit dem Europacup und der Champions League. Soweit ich das mitbekomme, lieben alle die Premier League und die Champions League, auch wenn die in ihrer Finanzierung und Methodik völlig unterschiedlich funktionieren."

"Als ich jung war, gab es im Fußball die Erste Division. Jetzt haben wir die Premier League." John Howett

Laut EU-Kommission wäre die FIA übrigens theoretisch dazu verpflichtet, auch eine etwaige FOTA-Serie zu sanktionieren, sollte die FOTA das wünschen. Howett bestätigt dies: "Herr Mosley hat selbst gesagt, dass die FIA, wenn wir unsere eigene Serie gründen, die Regeln administrieren würde, sollten wir das wollen." Aber warum will er euch dann überhaupt ins Boot holen? "Das weiß ich nicht. Das muss man ihn selbst fragen", antwortet der Toyota-Teampräsident achselzuckend.

"Ein Thema ist auch", fährt er bezugnehmend auf die kommerziellen Aspekte fort, "dass 50 Prozent der Einnahmen aus dem Motorsport genommen werden. Strecken und Veranstalter haben dadurch Schwierigkeiten, die Öffentlichkeit zahlt sehr hohe Eintrittspreise. Wir müssen mit dem Halter der kommerziellen Rechte Investitionen in den Sport diskutieren und Möglichkeiten, wie wir den Sport, an dem wir teilnehmen, verbessern können."

Silverstone, Imola, Montréal und Co.

Das von Mosley und Ecclestone aufgebauschte Problem, Rennstrecken zu finden, sieht die FOTA nicht. Denn es stimmt zwar, dass Ecclestone schlau genug war, die mit ihm assoziierten Strecken für Meisterschaften, die ihm nicht in den Kram passen, zu sperren, aber dank der Expansion der Formel 1 in den vergangenen Jahren sind taugliche Schauplätze wie Silverstone, Imola oder Montréal nicht mehr an Ecclestone gebunden.

Imola

Die umgebaute Traditionsstrecke in Imola wäre ein möglicher FOTA-Austragungsort Zoom

"Selbst wenn wir die derzeitigen Formel-1-Strecken nicht heranziehen, gibt es mindestens 15 Qualitätsstrecken, die verwendet werden könnten", unterstreicht Howett. "Mich wundert, dass die Leute das alles für so schwierig halten." Auch die TV-Verträge erachtet er nicht als Stolperstein: "Es gibt in jedem Land Broadcaster, die derzeit nicht involviert sind. Ich bin mir sicher, dass neue Broadcaster an unserem Angebot interessiert wären."

Aber trotz der durch viele Umfragen dokumentierten öffentlichen Sympathie für die Pläne der FOTA wünschen sich die meisten Fans doch eine Einigung und nur eine gemeinsame Formel-1-Weltmeisterschaft 2010. Nach der Verschiebung der Veröffentlichung der ursprünglich für vergangenen Samstag angekündigten Nennliste existiert zumindest wieder etwas mehr Handlungsspielraum. Interessant wird es aber erstmals schon morgen in Paris...