• 11.05.2009 16:42

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Es besteht Verbesserungsbedarf"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali im Interview über den Großen Preis von Spanien, die Pannenserie bei der Scuderia und gute alte Ferrari-Zeiten

(Motorsport-Total.com) - Ferrari präsentierte sich am vergangenen Wochenende in starker Verfassung. Der überarbeitete F60 stellte einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zum bisherigen Abschneiden der Roten dar - dennoch schlichen sich einmal mehr einige Fehler im Tagesgeschäft ein. Kimi Räikkönen kam nicht über Q1 hinaus, musste im Rennen nach einem Defekt frühzeitig aussteigen und Felipe Massa war zum Spritsparen gezwungen. Teamchef Stefano Domenicali stellte sich im Anschluss daran den Medien.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali (Teamchef)

Stefano Domenicali und sein Team sind noch nicht wieder auf Erfolg gepolt

Frage: "Stefano, was ist auf den letzten Rennrunden mit Felipe Massa geschehen?"
Stefano Domenicali: "Wir hatten leider ein Problem. Das haben wir beim letzten Boxenstopp bemerkt. Dabei ist nicht der komplette Sprit in den Tank geflossen. Wir wissen aber noch nicht, was genau das Problem war und ob es einen Zusammenhang mit dem Tank an sich gibt. Wir überprüfen das im Augenblick."#w1#

"Wir hatten schon einen kurzen zweiten Stint, wobei wir ursprünglich einen längeren Rennabschnitt vorgesehen hatten. Wir waren ja gut unterwegs. Beim zweiten Boxenstopp trat diese Situation dann erneut auf. Als wir die Lage überprüfen konnten, haben wir überlegt, was zu tun wäre: Entweder hätten wir die Tankanlage austauschen und noch einmal hereinkommen müssen, oder eben draußen bleiben. Letzteres war wohl die bessere Entscheidung."

Ursachenforschung noch nicht abgeschlossen

Frage: "Felipe hat gesagt, dass ihm die Performance in Barcelona neuen Mut verschafft hat und dass ihr schon bald wieder die Chance auf Siege haben werdet. Er meinte aber auch, dass die WM verloren sei - siehst du das ähnlich?"
Domenicali: "Zunächst einmal müssen wir unsere Schwierigkeiten beseitigen. Wir müssen sicherstellen, dass wir überall das maximal Mögliche leisten. Wenn wir erst einmal in allen Bereichen auf diesem hohen Niveau angekommen sind - was hoffentlich schon sehr bald der Fall sein wird -, dann werden wir unseren Blick nach vorne richten und schauen, wo wir stehen. Das Brawn-Team ist sehr zuverlässig und sehr schnell - für uns trifft im Augenblick nur das Gegenteil zu. Wir können also nur alles versuchen, unser Bestes geben und dann werden wir sehen."

Frage: "Ihr habt Schwierigkeiten mit dem Auto und mit der Strategie. Was ist also zu tun?"
Domenicali: "Wir müssen uns auf unsere Leute verlassen, um sicherzustellen, dass wir einen Leistungssprung machen können. Es ist sehr einfach, die Jungs nach Hause zu schicken. Aber was hilft das denn? Dadurch wird die Situation ja auch nicht besser. Wir müssen also durchaus realistisch bleiben und ein Problem nach dem anderen angehen. Unsere bisherigen Schwierigkeiten sind jedenfalls nicht akzeptabel."

"Unsere bisherigen Schwierigkeiten sind nicht akzeptabel." Stefano Domenicali

Frage: "Aufgrund der Benzinmengen hätte Felipe im ersten Stint eigentlich viel länger fahren können als die Brawn-Autos. Warum ist er schon so früh hereingekommen?"
Domenicali: "In diesem Zusammenhang ist wohl der Spritverbrauch sehr interessant. Das könnte in der Zukunft ein sehr wichtiges Element sein. Das ist es, würde ich sagen."

Frage: "Willst du damit sagen, dass euer Motor ziemlich durstig ist?"
Domenicali: "Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Das müssen wir uns erst genau anschauen. Wir müssen dem Fahrzeuggewicht widmen, denn das kann ein Faktor beim Benzinverbrauch sein - genau wie der Fahrstil. Das müssen wir unbedingt verstehen."

Frage: "Hat Felipe eine neue Tankanlage benutzt?"
Domenicali: "Nein. Wir müssen die Ursache noch herausfinden. Wir wissen es noch nicht."

Ferrari leidet unter der Niederlagen-Serie

Frage: "Kannst du uns erklären, was mit Kimi passiert ist?"
Domenicali: "Noch nicht. Es deutet alles auf ein hydraulisches Problem hin. Noch kennen wir aber die Ursache dafür nicht. Die Mechaniker untersuchen den Wagen im Augenblick."

Frage: "Eure Rennpace war in Barcelona recht gut. Wie viel Zuversicht verschafft euch das?"
Domenicali: "Das ist sicherlich der beste und zugleich einzige positive Aspekt an diesem Wochenende. Das ist sehr bedeutend. Ohne die Probleme hätte Felipe gewiss um das Podium kämpfen können. Das müssen wir also getrennt von den negativen Momenten betrachten und genau darauf zurückkommen, wenn wir uns auf Monte Carlo vorbereiten."

"Ohne die Probleme hätte Felipe gewiss um das Podium kämpfen können." Stefano Domenicali

Frage: "Einerseits habt ihr deutlich an Leistung zugelegt, andererseits sind viele kleine Fehler passiert. Schmerzt so etwas nicht, wenn man diese Lage mit Ferraris Glanzzeiten vergleicht? Wie baust du das Team wieder auf?"
Domenicali: "Das verursacht sogar sehr große Schmerzen. Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, dass uns das überhaupt kein Kopfzerbrechen bereitet - denn genau so ist es nun einmal im Augenblick. Es ist jetzt wichtig, dass die Verantwortlichen in jedem Bereich den bestmöglichen Job machen. Letztendlich bin ich es natürlich, der den Druck aufrecht erhalten muss. Dennoch braucht es auch das Personal, das hart arbeitet und Verantwortung übernimmt. Sonst würde es sehr schwierig werden. Sicherlich ist es rückblickend ein großes Ziel, wieder auf dieses hohe Niveau zu kommen - und zwar so schnell wie möglich."

Frage: "Wo wir gerade von Fehlern und Problemen reden. Machst du dir Sorgen über deine eigene Position im Team?"
Domenicali: "Ganz ehrlich: Das ist doch nicht das Problem. Wenn es ein Problem darstellen sollte, dass ich für alles verantwortlich zeichne, und wenn ich die Situation verbessern könnte, dann wäre ich der Erste, das zu tun - schließlich arbeite ich schon seit 20 Jahren für Ferrari. Das ist also nicht der Punkt. Wir müssen schlichtweg sicherstellen, dass wir wieder auf unser normales Niveau zurückkehren können."

Kein Bekenntnis zur Formel 1 über 2009 hinaus

Frage: "Jahrelang war Ferrari die Messlatte in der Formel 1. Jetzt schleichen sich auf einmal Fehler ein. Warum passieren solche Dinge in diesem Jahr?"
Domenicali: "Wir hatten natürlich auch in den vergangenen Jahren einige Probleme mit der Zuverlässigkeit. Wenn man zurückblickt, so war das in Wahrheit unsere größte Schwierigkeit überhaupt. Das konnten wir in den vergangenen Jahrzehnten niemals zu einhundert Prozent in den Griff bekommen. Leider haben wir das immer wieder erfahren müssen."

"Wir müssen in diesem Bereich ganz klar etwas ändern. Das ist ein langfristiges Problem und bislang haben wir es nicht aus dem Weg schaffen können. Auf der anderen Seite stehen dann die taktischen Fragen. Da muss man ganz klar sagen, dass wir uns nicht auf dem Niveau befinden, wo wir sein sollten. Wir müssen uns die einzelnen Personen vornehmen, weil wir uns auf diese Verantwortungsträger verlassen müssen. Da besteht unbedingt Verbesserungsbedarf."

"Wir hatten in den vergangenen Jahren einige Probleme mit der Zuverlässigkeit." Stefano Domenicali

Frage: "Was ist der Grund für diese Veränderung?"
Domenicali: "Ich halte es für schwierig, in diesem Zusammenhang nur von einem Grund zu sprechen, denn sonst wären die einen Gott und die anderen würden einfach nicht richtig liegen. Es gibt Gründe dafür, aber es hängt gewiss nicht alles an der Person, welche letztendlich eine Entscheidung fällt."

Frage: "An diesem Wochenende haben einige Teams - öffentlich oder nicht - verlauten lassen, dass sie zu den aktuell diskutierten Bedingungen nicht an der WM 2010 teilnehmen wollen. Wie steht Ferrari dazu?"
Domenicali: "An diesem Wochenende hatte ich nun wirklich andere Sorgen. Wir müssen diesbezüglich eine Lösung finden, denn diese Entwicklung bewegt sich unserer Ansicht nach nicht in die richtige Richtung. Wir wollen eine Lösung dafür finden."