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  • 12.06.2008 13:37

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Verzichten die Teams freiwillig auf KERS?

Wegen des großen Gewichtsnachteils kann es passieren, dass einige Teams KERS gar nicht einsetzen werden - Nachteile überwiegen die Vorteile

(Motorsport-Total.com) - Als große Revolution wurde die Einführung der Hybridtechnologie in die Formel 1 von Max Mosley und der FIA angekündigt, aber unter den Rahmenbedingungen, unter denen KER-Systeme 2009 erlaubt sein werden, könnte die mit Spannung erwartete Premiere ganz ausbleiben. Denn zumindest im Moment überwiegen die Nach- noch die Vorteile.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Honda ist eines der Teams, das sich noch nicht für KERS entschieden hat

Die Idee, etwa aus Bremsabwärme Energie zu gewinnen und diese zu speichern, damit sie der Fahrer in Form von zusätzlicher Motorleistung via Knopfdruck wieder freisetzen kann, macht sich auf dem Papier ganz hervorragend. Der Haken an der Sache: KERS steckt noch im Anfangsstadium seiner Entwicklung, also werden die Komponenten voraussichtlich 20 bis 30 Kilogramm wiegen. Das entspricht auf den meisten Strecken einem Zeitverlust von bis zu einer Sekunde.#w1#

Speicherkapazität zu niedrig festgelegt?

Umgekehrt ist der Leistungsgewinn, den sich die Ingenieure von KERS versprechen, laut aktuellen Simulationen mit nur ungefähr drei Zehntelsekunden zu beziffern. Das liegt in erster Linie - aber nicht nur - daran, dass die FIA die Speicherkapazität zumindest für das erste Jahr beschränkt hat, was in Technikerkreisen von Anfang an umstritten war. Daher überlegen sich nun einige Teams, 2009 komplett auf KERS zu verzichten.

"Heute weiß niemand, wie gut KERS sein wird." Ross Brawn

Ross Brawn von Honda erklärte beispielsweise gegenüber 'Motorsport-Total.com', dass sein Team für 2009 ein Auto bauen wird, das mit und ohne KERS funktioniert: "Ich denke, jedes Team wird beide Optionen abdecken, denn heute weiß niemand, wie gut KERS sein wird. Daher bin ich mir sicher, dass jedes Team ein Auto bauen wird, das mit oder ohne KERS fahren kann", gab der Teamchef in Kanada zu Protokoll.

"Man gewinnt zwei oder drei Zehntelsekunden, aber man verliert beim Gewicht, beim Packaging und beim Drehmoment hinten. KERS wird durch die Hinterachse und die Bremsen angetrieben, aber sobald das Speicherelement bis zum erlaubten Maximum gesättigt ist, kann sich das Drehmoment der Hinterachse ändern", brachte Brawn einen weiteren Nachteil ins Spiel - und schlussfolgerte daraus: "Es ist jedenfalls sicher keine klare Entscheidung für KERS."

Keine Vorreiterrolle ohne KERS

Es werde "eine Weile dauern", bis die Formel-1-Teams in der Entwicklung so weit sind, dass all diese Nachteile eliminiert sind. Andererseits war genau das Mosleys Plan: dass der Motorsport die Entwicklung ankurbelt und vergleichbare Systeme für die Serienproduktion auch leichter und leistbarer werden. Fraglich ist allerdings, ob die Formel 1 diese Vorreiterrolle einnehmen will, wenn viele Teams Leistungsnachteile befürchten.

"Es wird eine Weile dauern, bis wir die Nachteile eliminieren können." Ross Brawn

Allerdings scheint man nicht überall so zu denken wie bei Honda und einigen anderen Rennställen, die sich zu diesem Thema im Moment zumindest nicht offiziell äußern wollen. Beim BMW Sauber F1 Team geht man zum Beispiel fest davon aus, dass der neue F1.09 mit einem KER-System ausgestattet sein wird: "Das ist ganz klar der Plan", bestätigte Technikchef Willy Rampf gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Ein ausführliches Interview mit Ross Brawn wird im Laufe des heutigen Tages bei uns veröffentlicht.