powered by Motorsport.com
  • 12.03.2008 17:40

  • von Michael Noir Trawniczek

Newey und das Formel-1-Auto der Zukunft

Stardesigner Adrian Newey erklärt das Phänomen der "Dirty Air" und beschreibt, in welche Richtung die Entwicklung der Formel 1 geht

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 befindet sich im Wandel - seit einige Experten in einem italienischen Windkanal neue Erkenntnisse zu dem leidigen Überholproblem, jenem der Luftverwirbelungen im Heck des Vordermanns, ziehen konnten, wurde ein Plan festgelegt, das Reglement Schritt für Schritt diesen Erkenntnissen anzupassen: Weniger aerodynamischer, dafür wieder mehr mechanischer Abtrieb. Werner Jessner hat für das 'Red Bulletin' ein interessantes Interview geführt - mit jenem Mann, der in Sachen Formel-1-Technik zu den Superstars zu zählen ist: Red-Bull-Technikdirektor Adrian Newey.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Über die Aerodynamik soll in der Formel 1 das Überholen leichter gemacht werden

Newey beschreibt das Problem der "Dirty Air" mit den folgenden Worten: "Fährt ein Formel-1-Auto einem anderen hinterher, brechen nach und nach die aerodynamischen Systeme zusammen. Formel-1-Autos sind richtige Biester, wenn sie nicht korrekt angeströmt werden, viel kritischer als Flugzeuge."#w1#

Immer nur ein Modell im Windkanal

Dem Einwand, warum man bei der Entwicklung eines Formel-1-Autos nicht mit zwei Autos im Windkanal auf dieses Problem eingeht, entgegnet Newey entwaffnend: "Man könnte das natürlich tun, aber wir benutzen nur saubere Anströmung, um die Autos zu testen und zu verstehen. Das Ziel ist, ein Auto so schnell zu machen, dass es aus der Pole-Position startet. Dann stellt sich das Problem der 'Dirty Air' erst gar nicht."

Jener Luftstrom, den man "Dirty Air" nennt, sehe aus "wie ein gigantischer Pilz", beschreibt Newey: "Man kann diesen Effekt bei Regenrennen mit freiem Auge beobachten, wo die Autos diese typischen Hahnenschwänze hinter sich herziehen. Die 2009er-Autos sollen einen möglichst schmalen Pilz erzeugen, der erst hoch oben entsteht. Daher werden wir 2009 hohe, schmale Heckspoiler haben. Der Frontflügel wird in der Mitte relativ ineffizient sein, sich also vom Pilz des Vordermannes nicht groß stören lassen", gibt Newey einen Ausblick auf die zukünftigen Formel-1-Boliden.

Diese würden den aktuellen ChampCars ähnlich sein, bestätigt Newey. "Außerdem wollten Sponsoren Autos, die sauberer aussehen, damit man ihre Logos wieder besser erkennt als bei den sehr ausgereiften, aber zerklüfteten Konstruktionen von heute", spielt Newey auf die immer komplexer werdenden Zusatzflügel an, die ab 2009 wohl Geschichte sein werden.

"Breite Slicks geben mehr mechanischen Grip", sagt Newey - die guten alten profillosen Slickreifen sollen im nächsten Jahr wieder eingeführt werden. Damit gibt die FIA quasi zu, mit den Rillenreifen ein Jahrzehnt lang den viel zitierten Holzweg beschritten zu haben, da einer verringerten mechanischen Abtriebskraft nur wenige aerodynamische Einschränkungen entgegengesetzt wurden.

Newey findet Überholmanöver ausreichend

Newey selbst ist kein Freund dieser Maßnahmen - er findet es falsch, das Überholen leichter zu machen: "Wenn man das Überholen noch einfacher macht, wird ein schnelleres Auto, das durch einen schlechten Boxenstopp oder ähnliches zurückgefallen ist, die Autos davor einfach einsammeln. Zwei Sekunden Action, aber kein Fight. Und das soll ja auch nicht der Sinn sein. Ich gebe zu: Hier vertrete ich wahrscheinlich eine Minderheitsposition."

Ein weiteres Thema wird für die künftige Formel 1 die Energierückgewinnung sein. Newey findet das gut: "Es ist wichtig, dass wir als Formel 1 Entwicklungen vorantreiben und Impulse setzen. Einst hat die Formel 1 Turbos und Schaltwippen modern gemacht, jetzt promoten wir grüne Technologie." Newey bestätigt, dass künftig über einen Boost-Button zusätzliche PS abgerufen werden sollen, die über eingesammelte, beispielsweise aus den Bremsen generierte Energie zustande kommt. Im Bereich der Batterietechnik soll es dann auch weitere Kooperationen mit der Industrie geben.

David Coulthard

Adrian Newey gilt als großer Mastermind der Aerodynamik in der Formel 1 Zoom

Auf der Suche nach den Zehntelsekunden und den erhöhten Abtriebswerten wird heutzutage vor allem mit CFD-Computertechnik ("Computational Fluid Dynamics") gearbeitet, stellt Newey fest: "Im Gegensatz zum Windkanal, wo wir hauptsächlich erkennen, wie Dinge funktionieren, sagt uns CFD, warum sie funktionieren. Das hilft enorm und macht die Arbeit effizienter", sagt der Brite, der tatsächlich noch mit einem Zeichenbrett arbeitet und sich auch selbst als Hobby-Rennfahrer ins Cockpit gleiten lässt.

Angesprochen auf seine Handschrift als Formel-1-Designer antwortet Newey: "Früher, bei Leyton House, Williams und sogar in den frühen McLaren-Jahren, waren 90 Prozent aus meiner Feder. Heute sind die Entwicklungsteams viel größer und jedes Bauteil geht durch viele Hände, bevor es ans Auto kommt. Eine Handschrift ist heute also schwerer zu erkennen. Eventuell könnte man die Evolution des Kiels und die Art, wie sich die Vorderachse seit 2005 entwickelt hat, als typisch für mich bezeichnen."