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Heidfeld: "Bin für den Sieg bereit"

Nick Heidfeld spricht im exklusiven Interview über die Wintertests, erwartet am Saisonbeginn keine Wunder, glaubt aber an seinen ersten Sieg

(Motorsport-Total.com) - Bei der Präsentation des F1.08 in München war die Euphorie im BMW Sauber F1 Team noch groß, aber schon nach dem ersten Test in Valencia musste die Erwartungshaltung ein wenig nach unten revidiert werden. Nun zeigt die Tendenz wieder klar nach oben - und der anvisierte erste Grand-Prix-Sieg erscheint keineswegs unmöglich.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld, 30, visiert im neunten Jahr in der Formel 1 seinen ersten Sieg an

Natürlich möchte Nick Heidfeld diesen am liebsten selbst einfahren, schließlich war er von Anfang an der inoffizielle Führungsfahrer des Projekts von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' nahm er knapp drei Wochen vor dem Saisonauftakt Stellung zu Themen wie dem Verlauf der Wintertests, dem Verbot der Traktionskontrolle, dem Duell mit Robert Kubica, sein Leben in der Schweiz und vieles mehr.#w1#

Keine Sorgen um die Zuverlässigkeit

Frage: "Nick, wir haben noch knapp drei Wochen bis Melbourne. Seid ihr denn in Sachen Zuverlässigkeit schon so weit, dass ihr sagen könnt, ihr seid bereit?"
Nick Heidfeld: "Ja. In Sachen Zuverlässigkeit waren wir von Anfang an sehr gut aufgestellt und haben auch jetzt in den letzten Tests kaum Probleme gehabt und keine gravierenden, die uns stoppen würden oder die nicht auszusortieren wären. Beim letzten Test sind wir auch mit beiden Autos eine Rennsimulation gefahren. Die haben wir mit beiden Autos problemlos überstanden."

"In Sachen Zuverlässigkeit waren wir von Anfang an sehr gut aufgestellt." Nick Heidfeld

Frage: "Nach den ersten Tests hast du noch ein wenig über die Balance geklagt, hattest in den Kurven mal Über-, mal Untersteuern. Habt ihr das inzwischen besser im Griff?"
Heidfeld: "Ja, deutlich. Da haben wir große Fortschritte gemacht. Das hing auch damit zusammen, dass sich das diesjährige Auto radikal unterscheidet vom letztjährigen, was für mich aber auch der einzig richtige Schritt ist, um unser erstes Rennen zu gewinnen, was ja nun unser Ziel ist dieses Jahr. Da haben wir sowohl über Setup, aber auch über neue Teile in allen Bereichen - aerodynamisch, aber auch auf der mechanischen Seite - kontinuierlich bei jedem Test Fortschritte erzielt."

Frage: "Aerodynamisch fällt natürlich vor allem eine Änderung auf, nämlich dieses 'Hirschgeweih' auf der Nase. Beim Launch hast du gesagt, das ist das schönste Auto, das du je gefahren bist. Stehst du dazu immer noch?"
Heidfeld: "Ja, ganz klar."

Frage: "Auch mit diesem skurrilen Teil?"
Heidfeld: "Auch mit dem, was du 'Hirschgeweih' nennst, ja. Bei uns heißt das 'Tomcat'."

Frage: "'Tomcat'?"
Heidfeld: "Wie ein Jagdflieger."

Das beste Auto ist schnell und leicht zu fahren

Frage: "Kommen wir noch mal auf die Balance zurück. Die Erfahrung zeigt, dass gut ausbalancierte Autos nicht zwingend die schnellsten sein müssen. Habt ihr seit den ersten Tests auch an Performance zugelegt oder ist das Auto jetzt einfach besser zu fahren?"
Heidfeld: "Das allerbeste Auto, das die WM gewinnt, ist beides: leicht zu fahren und schnell."

"Das allerbeste Auto ist leicht zu fahren und schnell." Nick Heidfeld

Frage: "Ohne Traktionskontrolle ist Übersteuern in diesem Jahr für die Reifen wahrscheinlich mehr Gift als Untersteuern, nicht wahr?"
Heidfeld: "Die Reifen werden mit Sicherheit anders belastet als im letzten Jahr. Theoretisch sollte es schlimmer sein, das wird sich aber auch erst über die Saison ein bisschen herauskristallisieren. Unsere Rennsimulation haben wir leider bei nassen Bedingungen gemacht, aber man muss wahrscheinlich noch mehr auf die Hinterreifen achten als vorher."

Frage: "Neigt euer Auto eher zum Über- oder Untersteuern oder ist es neutral?"
Heidfeld: "Es ist recht neutral. Das ist immer ein bisschen streckenspezifisch."

Frage: "Testzeiten einzuschätzen ist natürlich immer so eine Sache, aber Ferrari und McLaren-Mercedes werden für euch zumindest am Saisonbeginn eher nicht zu schlagen sein. Was meinst du?"
Heidfeld: "Das schätze ich im Moment auch so ein. Wie du selbst gesagt hast: Es sind immer Vermutungen, ein Hochrechnen der Rundenzeiten. Ferrari war nicht da, als wir in Barcelona getestet haben. Letzte Woche waren wir ja in Valencia. Deswegen kann man nur vermuten, dass Ferrari vorne ist, auch vor McLaren."

Frage: "In einer Umfrage auf 'Motorsport-Total.com' trauen dir etwa 60 Prozent den ersten Sieg zu in diesem Jahr. Es ist dein neuntes Jahr in der Formel 1. Siehst du dich auch ein wenig unter Druck, dass es jetzt mal klappen muss?"
Heidfeld: "Nein. Das hängt auch von der Leistung des Autos ab. Ich denke auch, dass ich für den Sieg bereit bin, aber das wäre ich auch in den letzten Jahren schon gewesen. Ich hoffe, dass wir unsere Zielsetzung für dieses Jahr, ein Rennen zu gewinnen, einhalten können, und dass das Auto dementsprechend stark genug ist."

Keine Angst vor dem Teamkollegen

Frage: "Robert Kubica war bei den Tests relativ schnell unterwegs. Wird es in diesem Jahr schwieriger, ihn im Griff zu haben, zumal es sein zweites volles Jahr in der Formel 1 ist?"
Heidfeld: "Das wird die Saison zeigen, aber ich erwarte da jetzt keine dramatischen Unterschiede. Er ist seit zwei Jahren bei allen Rennen dabei - er ist ja schon vor zwei Jahren zumindest die Freitage gefahren."

Nick Heidfeld

Das BMW Sauber F1 Team hat bei allen Tests kontinuierliche Fortschritte gemacht Zoom

"Seit anderthalb Jahren fährt er die Rennen mit. Da sah es bis jetzt ganz gut für mich aus. Ich hoffe, dass das auch weiter so hinhaut, aber das ganze Blabla interessiert nicht - man muss schauen, wie es nächste Saison aussieht. Zu beurteilen, wie es letzte Saison war, bringt sowieso nichts."

Frage: "Glaubst du, dass das Verbot der Fahrhilfen einem von euch beiden mehr entgegenkommt? Eure Fahrstile sind ja doch ein bisschen unterschiedlich..."
Heidfeld: "Ja, wir fahren schon unterschiedlich, aber im Moment sehe ich da keine dramatische Entwicklung in irgendeine Richtung."

Frage: "Generell zum Verbot der Fahrhilfen: Einige Fahrer haben sich darüber beschwert, dass es speziell im Regen gefährlich werden könnte. Viele unserer Leser sagen: Früher ist es auch gegangen, die Jungs sollen nicht solche Weicheier sein! Wie siehst du diese Diskussion?"
Heidfeld: "Ich finde es teilweise ein bisschen schade, weil es aus meiner Sicht ein bisschen verzogen dargestellt wird. Es sind bei weitem nicht alle, die sich da beklagen, und ein, zwei, die das recht aggressiv gesagt haben, werden da dargestellt, als wären das alle Fahrer. Wenn ein, zwei etwas sagen, heißt das nicht, dass das das ganze Fahrerfeld ist."

Ohne Traktionskontrolle macht das Fahren Spaß

"Ich kann sowieso nur für mich sprechen, und ich freue mich, dass diese Systeme - speziell auch die Traktionskontrolle - weggefallen sind. Ich habe mich speziell auf meinen ersten Regentest gefreut. Auch wenn es manche nicht glauben mögen: Dort habe ich gesehen, dass es mir noch mehr Spaß macht! In Barcelona auf nasser Strecke und jetzt auch in Valencia, wo es nass war, ist es für mich noch viel geiler - solange man kein Aquaplaning hat. Dann wird es zu schwierig."

"Im Nassen ist es für mich noch viel geiler!" Nick Heidfeld

Frage: "Aber dann hilft dir die Traktionskontrolle ja auch nicht mehr..."
Heidfeld: "Die hilft schon ein bisschen, weil sie extrem schnell reagiert. Aber um zum Beispiel auf Fuji letztes Jahr zurückzukommen: Das Rennen hätte für mich sowieso abgebrochen werden sollen, unabhängig von der Traktionskontrolle. Das lag weniger am Aquaplaning, das natürlich auch zu viel war, sondern vielmehr an der Sicht, die komplett inakzeptabel war."

Frage: "Die deutschen Grand-Prix-Fahrer leben alle in der Schweiz oder in Monaco, soweit ich weiß - bei Timo Glock bin ich mir nicht sicher. Es gibt ja immer wieder die Diskussionen, dass ihr eure Steuern nicht in Deutschland zahlt. Hast du deswegen in irgendeiner Form ein schlechtes Gewissen?"
Heidfeld: "Ich habe da kein schlechtes Gewissen, jeder kann tun und lassen, was er will."

"In letzter Zeit kommt diese Frage oft. Wenn die Interviews in der Nähe meines Wohnortes stattfinden, dann können sich die Journalisten die Antwort gleich selber geben, indem sie nach draußen schauen und sehen, wie schön es hier ist."

Rückkehr nach Deutschland nicht ausgeschlossen

Frage: "Kannst du dir vorstellen, nach deinem Karriereende irgendwann nach Deutschland zurückzukehren?"
Heidfeld: "Das kann ich mir schon vorstellen, aber im Moment fühle ich mich sehr wohl und ich habe es nicht geplant."

"Im Moment fühle ich mich sehr wohl in der Schweiz." Nick Heidfeld

Frage: "Du bist jetzt 30, Michael Schumacher ist mit 37 zurückgetreten. Denkst du schon zumindest flüchtig manchmal daran, was du danach machen wirst?"
Heidfeld: "Jein. Das ist noch zu weit weg, um genau zu wissen, was ich danach machen werde. Ich hoffe, dann genug Geld auf der hohen Kante zu haben, dass ich das machen kann, was ich machen möchte."

"Da gehört natürlich dazu, viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Dann möchte ich viel reisen, aber mit weniger Verpflichtungen als jetzt. Und ich möchte viel Sport machen, denn es gibt viele Sportarten, die ich im Moment noch nicht machen darf. Ich komme auch zu wenig dazu, weil ich zu wenig Zeit habe. Skifahren zum Beispiel, alles Mögliche. Ich bin generell sportbegeistert, aber dazu bin ich in den letzten Jahren zu wenig gekommen."

Frage: "Ist BMW dein letztes Team in der Formel 1?"
Heidfeld: "Möglich."