• 21.10.2007 03:57

Kontroverse FIA-PK: Hamilton vs. Journalistin

In der Pressekonferenz nach dem Qualifying kam es zu einem feurigen Wortwechsel zwischen einer französischen Journalistin und Lewis Hamilton

(Motorsport-Total.com) - Die offiziellen Pressekonferenzen der FIA nach den Qualifyings und Rennen laufen in der Regel recht diszipliniert ab, weil allzu negativ auffallenden Journalisten theoretisch ihre Akkreditierung entzogen werden kann, falls sie sich gar nicht an die ungeschriebenen Spielregeln halten. Doch gestern in São Paulo kam es dennoch zu einem kleinen Eklat.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Fand heute einen hartnäckigen Gegner unter den Journalisten: Lewis Hamilton

In der offenen Fragerunde nach dem TV-Teil fühlte sich die französische Journalistin Anne Giuntini von der 'L'Équipe' offenbar dazu berufen, die Interessen von Kimi Räikkönen zu vertreten, denn sie stellte Lewis Hamilton einige unverschämt direkt formulierte Fragen zur Situation, als der McLaren-Mercedes-Pilot vor Räikkönen auf die Strecke kam, als der Ferrari-Fahrer gerade seine letzte schnelle Runde in Angriff nahm.#w1#

So macht man sich keine neuen Freunde

Kleine Notiz am Rande: Giuntini ist mit Denis Chevrier verheiratet, dem leitenden Motoreningenieur des Renault-Rennteams. Mit ihren Fragen nach dem Qualifying im Autodromo Carlos Pace dürfte sie aber einige Freunde im Fahrerlager verloren haben. Hamilton brach die Konversation mit ihr nach ein paar von seiner Seite sehr geduldigen Minuten jedenfalls ab. Im Folgenden die Abschrift des kontroversen Hamilton-Teils der Pressekonferenz.

Frage: "Lewis, ich bin mir ziemlich sicher, dass du da stehst, wo du hinwolltest. Du warst vor der letzten Kurve sogar noch Schnellster, es ging zwischen dir und Felipe Massa um die Pole Position..."
Lewis Hamilton: "Ja, es war sehr knapp. Ich genoss dieses Qualifying wirklich. Wir schienen eine sehr gute Pace zu haben, das Auto ließ sich großartig fahren und das Team hat wie immer einen sensationellen Job gemacht, uns rechtzeitig rauszubekommen. Ja, es war eine richtig gute Runde."

"Es war eine richtig gute Runde." Lewis Hamilton

"Ich glaube, ich habe in der letzten Kurve ein bisschen Zeit verloren. Es war kein Fehler, aber ich wollte einfach nicht mehr aufs Spiel setzen, was ich bis dahin schon hatte, daher habe ich eine halbe Zehntel oder so liegen gelassen. Abgesehen davon war es eine annähernd perfekte Runde, mit der ich sehr, sehr glücklich bin. Das ist eine gute Startposition für uns."

Frage: "Du bist Zweiter der Startaufstellung, aber viel wichtiger ist wohl die erste Reihe. Bist du damit zufrieden?"
Hamilton: "Ja, absolut. Es war ein gutes Qualifying für mich und ich hatte von den Zeiten her einen guten Fight mit Felipe, aber er hat einen fantastischen Job gemacht. Es war ziemlich geradlinig, das Auto war sehr gut. Ich war sehr zufrieden damit, daher sind wir auch für morgen in einer guten Ausgangsposition."

Frage: "Auch die Benzinrunden waren sehr interessant, denn ihr seid sehr schnelle Bummelrunden gefahren und beim Reifenwechsel musste sich Fernando Alonso kurz hinter dir anstellen. Kannst du das erläutern?"
Hamilton: "Es war wichtig, als Erster auf die Strecke zu gehen. Das Team macht da immer einen tollen Job und ich gehe immer gerne als Erster raus. Das ist einfach der beste Platz, weil man niemanden vor sich hat. Ja, wir sind hereingekommen, ich war vor Fernando, aber gleich als ich meine Reifen drauf hatte, musste ich sofort losfahren, was perfekt klappte. Beim Herausfahren kam ich jedes Mal in Kimis Nähe und musste ihn vorbeilassen, aber ansonsten war es perfekt."

Giuntini legt sich mit Hamilton an

Frage: "Es ist für alle klar, dass du Kimi Räikkönen beeinträchtigt hast. Ist dir jedes Mittel recht, um Weltmeister zu werden?"
Hamilton: "Ehrlich gesagt habe ich keinen Grund, da irgendetwas zu unternehmen, denn selbst wenn Kimi gewinnt, ändert das ja nicht allzu viel an meiner Ausgangslage. Ich fuhr aus den Boxen heraus und die Jungs haben mir am Funk gesagt, dass ich pushen soll, weil Fernando direkt hinter mir war und auch auf den Reifenwechsel wartete."

"Also fuhr ich aus der Boxengasse raus, und da war Kimi hinter mir. Bei dieser hohen Geschwindigkeit vibrieren die Rückspiegel, daher kann man nicht allzu viel sehen, aber mir wurde klar, dass er sehr, sehr nahe an mir dran war, also machte ich langsamer. Ich wusste, dass ich die Kurve nicht so schnell wie er attackieren könnte, weil ich noch nicht den Schwung hatte, also steckte ich zurück und ließ ihn vorbei."

"Bei dieser hohen Geschwindigkeit vibrieren die Rückspiegel, daher kann man nicht allzu viel sehen." Lewis Hamilton

Frage: "Du hast ihm nie ein klares Signal gegeben, dass du die Strecke freimachen würdest..."
Hamilton: "Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Den Blinker setzen?"

Frage: "Das weißt du ganz genau!"
Hamilton: "Ich habe den bestmöglichen Job gemacht, indem ich ihm aus dem Weg ging. Und ich habe mich bei ihm für den Fall entschuldigt, dass ich ihm im Weg gewesen sein könnte."

Frage: "Das nennst du den bestmöglichen Job?"
Hamilton: "Ja."

Frage: "Als Sportsmann?"
Hamilton: "Ja. Wie sind Sie in Ihrem Job? Sind Sie die Beste in Ihrem Job? Sie haben wohl noch nie einen Fehler gemacht..."

Frage: "Manchmal."
Hamilton: "Wirklich?"

Frage: "Glaubst du, dass du tun und lassen kannst, was du willst, und dann ist es mit einer Entschuldigung wieder gut? Glaubst du, so funktioniert die Formel 1?"
Hamilton: "Das möchte ich nicht beantworten. Mit Ihnen möchte ich ehrlich gesagt nicht weiter sprechen."

Andere Journalisten lenken vom Thema ab

Frage: "Um an diese lächerliche Konversation anzuschließen: Findest du, dass du heute einen fairen Job gemacht hast und dass es im Falle eines Titelgewinns ein verdienter Titel wäre?"
Hamilton: "Ja, das finde ich. Natürlich wird man mir etwas unterstellen, aber ich bin dieses Wochenende hier und muss saubere Arbeit leisten. Das bedeutet, dass ich einen guten Job machen muss, keine Fehler machen darf, dass es keine Untersuchungen geben darf. Das wollen das Team und ich erreichen."

"Sollte Kimi gewinnen, dann wäre das ja sogar gut für mich. Natürlich würde ich ihn gerne schlagen, aber in erster Linie muss ich mal Fernando schlagen. Ich habe Kimi schon gesprochen und habe mich bei ihm entschuldigt: 'Wenn ich dir im Weg gestanden bin, dann sorry!' Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass er so knapp hinter mir war. Ich wollte vor ihm in die Kurve einlenken, aber damit hätte ich ihm die Runde kaputt gemacht, also fuhr ich zur Seite und blieb, wo ich war, bremste ab. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich seine Runde behindert habe, weil ich ihm ja aus dem Weg gegangen bin."

"Sollte Kimi gewinnen, dann wäre das ja sogar gut für mich." Lewis Hamilton

Frage: "Wenn man bedenkt, wie viel Fernando Alonso in letzter Zeit gejammert hat - deswegen hattet ihr heute sogar einen FIA-Inspektor in der Garage -, dann muss es besonders befriedigend sein, ihn fair geschlagen zu haben, nicht wahr?"
Hamilton: "Es ist unter allen Umständen gut, den eigenen Teamkollegen zu schlagen. Ihr wisst, dass wir in dieses Wochenende gehen und dass beide von uns Chancen auf die Weltmeisterschaft haben. Keine Ahnung, aus welchen Gründen er nur Vierter ist, aber ich denke, wir machen beide einen guten Job. Natürlich ist es schön, vor dem Teamkollegen zu sein - das ist immer das Ziel. Aber wir wollen als Team am Ende vorne sein, also haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns."

Frage: "Du stehst auf der linken Seite der Startaufstellung, die in der Theorie die schmutzigere sein müsste. Ist das immer noch so?"
Hamilton: "Daran habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht. Ich bin zum ersten Mal hier, weiß das also nicht, aber ich schätze, dass es dort schmutzig ist, denn der Asphalt ist neu. Ich weiß nicht, wie es euch ging, aber ich habe nicht viele Autos gesehen, die auf dieser Seite der Strecke gefahren sind. Es wird also wahrscheinlich ziemlich schmutzig sein, aber wir werden daraus das Bestmögliche machen."

Frage: "Wie siehst du das Reifenthema. Sind sie am Limit?"
Hamilton: "Ja, ich denke, da geht es ziemlich dem ganzen Fahrerlager ähnlich. Wir waren im Qualifying alle auf weichen Reifen, aber die Strecke wird vom Griplevel her immer besser. Nur Graining ist für alle das große Problem."

Frage: "Gestern gab es einen kleinen Verstoß eurerseits gegen das Reifenreglement. Wie gehst du mit dem Druck um, denn vor dir liegt dein vielleicht größter Tag bisher?"
Hamilton: "Das hat mit Druck nichts zu tun. Es war nicht mein Fehler. Ich sitze im Auto und mache das, was mir gesagt wird. Wir haben einen kleinen Fehler gemacht, aber so ist es nun mal. Wir wurden bestraft - zum Glück musste ich dafür nicht selbst bezahlen -, aber heute hatten wir die Pace. Ich bin sehr zuversichtlich für morgen und wünsche mir gutes Wetter, denn dann können wir dieses gute Wochenende fortsetzen."

Noch fühlt sich Hamilton nicht als Weltmeister

Frage: "Wie ist es, wenn man weiß, dass man den größten Tag seines Lebens begeht?"
Hamilton: "Ich habe diesen Punkt ja noch nicht erreicht. Natürlich kribbelt es in mir, es kribbelt sogar gewaltig. Ich bin sehr aufgeregt, aber gleichzeitig auch entspannt. Das Auto fühlt sich klasse an, ich liebe die Strecke, das brasilianische Essen ist fantastisch und die Fans sind extrem enthusiastisch. Ich habe auch schon ein paar britische Flaggen gesehen, was natürlich sehr schön ist, wenn man weiß, dass man von der Heimat unterstützt wird."

Frage: "Du hast vor ein paar Tagen gesagt, dass du sehr entspannt bist. Ist das immer noch so?"
Hamilton: "Das muss am Essen liegen (grinst; Anm. d. Red.)! Ich bin wirklich voll entspannt, fühle mich im Auto sehr wohl. Es ist bisher gut gelaufen. Die erste Reihe ist genau das, was wir gebraucht haben."

"Die erste Reihe ist genau das, was wir gebraucht haben." Lewis Hamilton

Frage: "Du bist seit zehn Jahren Teil der McLaren-Familie, aber erst seit zehn Monaten Teil des Formel-1-Teams. Bitte beschreibe doch für uns, wie diese Beziehung gewachsen ist und wie sich dein Standing im Team verändert hat!"
Hamilton: "Ich denke, unsere Beziehung ist dieses Jahr wie jede andere auch gewachsen. Sie sind in den schwierigen Zeiten zu mir gestanden und wir durften uns auch gemeinsam ein bisschen von der Sonne anblinzeln lassen."

"Jedenfalls haben wir sehr hart gearbeitet, um das Auto zu verbessern und um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Da hatten wir schwierige Zeiten, in denen wir zusammenhalten mussten. Natürlich ist unser Band gewachsen und wir kommen so gut wie immer miteinander aus. Ich werde versuchen, weiterhin einen guten Job für das Team zu machen und hoch in ihrem Kurs zu bleiben."

Frage: "Durch den spanischen Motorsportverband wurde übrigens eine hitzige Debatte über Rassismus verursacht. Ich frage mich, was du davon hältst."
Hamilton: "Ich habe davon nichts gehört."

Frage: "Der Verbandspräsident hat gesagt, dass Großbritannien ein rassistisches Land ist und dass es ironisch sei, dass dich Millionen von Briten in deinem letzten Rennen in dieser Weltmeisterschaft anfeuern."
Hamilton: "Das überrascht mich ziemlich, aber jeder darf seine eigene Meinung haben. Da müssen wir drüberstehen."

Frage: "Siehst du dich selbst als Vorbild für andere junge Menschen in Großbritannien, solltest du Weltmeister werden, nicht nur für jene mit deiner Hautfarbe?"
Hamilton: "Ja, natürlich! Ich tue das nicht, weil ich glaube, dass ich nur für dunkelhäutige Menschen ein Vorbild bin. Ich hoffe, dass ich allen Türen öffnen kann. Ich hoffe, dass ich alleine schon dadurch, dass ich in der Formel 1 bin, für alle ethnischen Gruppen Türen öffne."