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  • 12.09.2007 13:29

Spa-Francorchamps im Technikfokus

Das Renault-Team erklärt Ihnen, worauf es beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps in Bezug auf die Technik ankommt

(Motorsport-Total.com) - Spa-Francorchamps stellt im gesamten Formel-1-Kalender die umfangreichste Herausforderung für die Technik der Monoposti dar. Die Strecke weist 320-km/h-Geraden ebenso auf wie Haarnadel-Kurven, die mit maximal 70 km/h durchfahren werden, oder Ecken, die im sechsten Gang voll genommen werden.

Titel-Bild zur News: Nelson Piquet Junior

Nelson Piquet Junior bei Testfahrten in Spa-Francorchamps

Über allem steht dabei natürlich die legendäre Passage 'Eau Rouge'. Auch wenn diese Kurve ebenso wie der extrem schnelle Linksknick 'Blanchimont' keine so große Herausforderung mehr sind wie einst, stellen sie und Abschnitte wie 'Pouhon' unverändert hohe Ansprüche an das fahrerische Können.#w1#

Hinzu kommen die traditionell unvorhersehbaren Wetterbedingungen. Die können durchaus dazu führen, dass über einem Teil der 7,4 Kilometer langen Strecke Regenfälle niedergehen, während es in anderen Abschnitten knochentrocken bleibt.

Chassis

Das Chassis wird in Spa-Francorchamps besonders beansprucht. Die Fahrer erzielen hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten, die aerodynamischen Lasten sind lang und anhaltend. Auch in puncto Handling werden die Monoposti bis ans Limit getrieben.

Der Kurs in Spa weist mehrere Hochgeschwindigkeitskurven aus, sogenannte "aerodynamische Kurven". Lediglich Turn 6 und Turn 19 werden mit weniger als 150 km/h durchfahren. Unter normalen Umständen würden die Teams daher mit verhältnismäßig hohen Abtriebswerten fahren, um den Grip in den schnellen Ecken zu maximieren. So wie es beispielsweise in Silverstone der Fall ist.

Spa-Francorchamps verlangt allerdings aufgrund seiner beiden sehr langen Geraden nach einer anderen Herangehensweise. Auf ihnen kommt es auf eine gute Höchstgeschwindigkeit an, damit ein Fahrer seine Position verteidigen beziehungsweise einen Kontrahenten angreifen kann.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Teams mit vergleichbaren Downforce-Levels fahren wie bei den Läufen in Indianapolis und Montréal und somit am Ende der Geraden voraussichtlich rund 320 km/h erreichen werden (verglichen mit 340 km/h in der Saison 2005 mit V10-Motoren). Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher in einer guten aerodynamischen Effizienz, bei der maximaler Abtrieb bei minimalem Luftwiderstand erzielt wird.

In puncto Fahrwerk tendieren die Teams zu einer eher straffen Abstimmung, um eine hohe aerodynamische Performance in den Highspeed-Passagen und gute Richtungswechsel in den schnellen Schikanen zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es allerdings auch eine gute Beschleunigung aus der Schikane vor Start und Ziel sowie der 'La Source'-Haarnadel wichtig.

Wer hier nicht gut aus den Ecken kommt, begibt sich in Gefahr beim Anbremsen der nächsten Kurve überholt zu werden. Auch für die Reifen stellt Spa eine besondere Herausforderung dar. Kaum verwunderlich, dass Bridgestone seinen Partnern die beiden härtesten Mischungen aus dem Sortiment anbietet.

Die Bodenfreiheit wird maßgeblich von der Kompression in der legendären "Eau Rouge" diktiert. Vom Beginn der Kurve in der Senke bis zur Ausfahrt am Ende des Anstiegs kann sich die Bodenfreiheit des Wagens um bis zu 25 Millimeter verändern. Wenn der Unterboden zu stark aufsetzt, kann es passieren, dass der Fahrer die Kontrolle verliert.

Mit den neuen V8-Motoren und den geltenden Aerodynamik-Bestimmungen können die Fahrer die 'Eau Rouge' inzwischen voll mit rund 300 km/h nehmen. Bis zum Kurvenausgang sinkt die Geschwindigkeit auf rund 209 km/h. Wichtig ist, soviel Schwung wie möglich auf die folgende lange Gerade mitzunehmen, um bei der Anfahrt auf 'Les Combes' seine Position halten oder sogar angreifen zu können.

Das Bremssystem ist fast die einzige Komponente am Auto, die nicht übermäßig gefordert wird. Die Strecke weist lediglich drei starke Bremszonen aus, vor den Turns 1, 5 und 18. Aufgrund der hohen Anzahl an Hochgeschwindigkeitskurven werden die Bremsen aber insgesamt so wenig beansprucht wie auf keiner anderen Strecke im Kalender.

Motor

Gemeinsam mit Monza handelt es sich bei Spa-Francorchamps um die anspruchsvollste Motoren-Strecke. Die neue Generation der V8-Triebwerke gibt am kommenden Wochenende ihr Debüt auf der Ardennen-Achterbahn. Die gemeinsamen Testfahrten im Juli waren daher für alle Teams äußerst wertvoll.

Die Aggregate werden in Spa überdurchschnittlich beansprucht. 73 Prozent einer Runde arbeiten sie unter Volllast (lediglich Monza mit 77 Prozent weist einen höheren Anteil auf). Darüber hinaus laufen die Triebwerke in Spa gleich zwei Mal für mehr als 20 Sekunden mit voll geöffneten Drosselklappen.

Vor allem die rund 23 Sekunden dauernde Passage von 'La Source' bis 'Les Combes' setzt die Motoren und ihre Nebenaggregate mit der Senke und dem Anstieg durch 'Eau Rouge' hohen Fliehkräften aus. Vor diesem Hintergrund schenken die Ingenieure dem Ölkreislauf besondere Aufmerksamkeit, der auch unter diesen extremen Lasten eine optimale Schmierung gewährleisten muss.

Mit knapp 7,4 Kilometer ist Spa der längste Kurs im Kalender, gleichzeitig wirkt sich jedes durch Treibstoff verursachte Mehrgewicht besonders stark auf die Rundenzeit aus. Vor dem Hintergrund der geltenden Qualifying-Regeln kann sich ein niedriger Benzinverbrauch daher als großer Vorteil erweisen.