• 01.03.2006 12:18

Renault-Logistikchef: "Es wird einfach nie langweilig"

Jean-Pierre Raymond, Cheflogistiker des Renault-Teams in Viry-Châtillon, spricht im Interview über die Herausforderungen und Tücken in seinem Job

(Motorsport-Total.com) - Jean-Pierre Raymond, der Logistikchef des Renault-Workshops in Viry-Châtillon, zeichnet unter anderem dafür verantwortlich, dass die RS26-V8-Motoren pünktlich an der Rennstrecke eintreffen. Im Interview verrät er, worauf dabei zu achten ist.

Titel-Bild zur News: Renault-Trucks

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Frage: "Steve Nielsen, Sportlicher Leiter des Renault-Teams, erzählte uns in der vergangenen Woche, dass es in Enstone derzeit hoch herginge. Wie sieht es in Viry-Châtillon aus?"
Jean-Pierre Raymond: "Ganz genauso! Bei uns im Workshop herrscht derzeit geschäftiges Treiben und diese typische Atmosphäre vor dem Start der Saison. Wir überprüfen unsere Bestände und führen letzte Änderungen durch. Das geschieht aber alles ganz kontrolliert. Sie könnten es als positiven Stress bezeichnen. Bahrain markiert in diesem Jahr zwar zum ersten Mal den Saisonauftakt, aber wir waren bereits zwei Mal da. Es hilft natürlich in unseren Abläufen, dass wir nicht komplettes Neuland betreten. Nach rund vier Monaten Rennpause können wir es kaum erwarten loszulegen."#w1#

Am Freitag geht der Flieger nach Bahrain

Frage: "Was genau muss denn bis zum Ende der Woche noch erledigt werden?"
Raymond: "Viel. Zunächst einmal geht es darum, unsere gesamte Ausrüstung bis Freitag versandfertig zu haben. Wir müssen alle Zollformalitäten erledigen. Am Freitag brechen unsere LKWs nach England auf, so dass sie am Samstagmorgen am Flughafen in Stansted ankommen. Von da aus geht das gesamte Material auf dem Luftweg in den Mittleren Osten. Neben diesem großen Projekt müssen wir viele kleine Details im Auge behalten. Dazu zählt zum Beispiel das Verteilen sämtlicher Flugtickets oder das Einpacken von 200 Hosen und Hemden."

"Dazu zählt zum Beispiel das Verteilen sämtlicher Flugtickets oder das Einpacken von 200 Hosen und Hemden." Jean-Pierre Raymond

Frage: "Sie arbeiten in dieser Phase bestimmt sehr eng mit Enstone zusammen, oder?"
Raymond: "Aber natürlich. Steve Nielsen und ich stehen in ständigem Kontakt. Beide Workshops erstellen detaillierte Materiallisten, die wir uns gegenseitig zuschicken. So weiß jeder genau, was der andere gerade macht. Wo es möglich ist, versuchen wir uns gegenseitig zu helfen."

Frage: "Wer ist den für den Transport der Motoren verantwortlich?"
Raymond: "Ab dem Flughafen Stansted übernimmt die Firma FOM, Formula One Management, zentral die Logistik für alle Teams. An der Rennstrecke wird das Material dann wieder an uns übergeben."

Frage: "Wie viel Fracht geht von Viry-Châtillon aus auf die Reise?"
Raymond: "Für den Grand Prix von Bahrain nehmen wir sechs Motoren und unsere gesamte Ausrüstung für die Box mit. Insgesamt sind das acht Tonnen Fracht."

Arbeit steht auch am Rennwochenende nicht still

Frage: "Ihr Job ist mit der Ankunft der Motoren an der Rennstrecke aber mit Sicherheit noch nicht erledigt..."
Raymond: "Unmittelbar nach unserer Ankunft übernehmen wir sozusagen die Logistik im Hintergrund. Dazu zählen so alltägliche Dinge wie die Bestätigung der Hotelzimmer für die kommenden Grands Prix, der Transport dringend benötigter Teile oder das Zurückschicken der Motoren nach Viry-Châtillon. Es gibt aber auch ungewöhnliche Situationen, für die wir immer schnell eine Lösung finden müssen."

"Es gibt auch ungewöhnliche Situationen, für die wir immer schnell eine Lösung finden müssen." Jean-Pierre Raymond

Frage: "Können Sie dafür ein Beispiel nennen?"
Raymond: "Falls einer aus unserem Team beispielsweise erkrankt, müssen wir schnell reagieren. Wir haben daher immer eine Liste von Mitarbeitern parat, die in solchen Fällen einspringen können. Sie sitzen sozusagen auf gepackten Koffern und haben alle nötigen Papiere zur Hand. Wir haben bis einschließlich kommenden Samstag Plätze in Flugzeugen nach Bahrain reserviert. Man kann nie wissen, und wir wollen nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden."

Frage: "Bereitet Ihnen Ihr Job manchmal schlaflose Nächte?"
Raymond: "Nein, inzwischen nicht mehr. Da zahlt sich die Erfahrung aus. Wir führen eine Liste aller Probleme und Schwierigkeiten, auf die wir in den verschiedenen Ländern gestoßen sind, und welche Lösungen wir für sie gefunden haben. Trotzdem müssen Sie in unserem Job immer das Unerwartete erwarten. Man darf nichts als selbstverständlich ansehen. Aber genau das gefällt mir an meinem Job: Es wird einfach nie langweilig."