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Suganuma: "Unsere Entwicklungsrichtung stimmt"

Vergangenes Jahr schlitterte Bridgestone von der Dominanz in eine Krise - Hisao Suganuma im 'F1Total.com'-Interview über den Stand der Dinge

(Motorsport-Total.com) - Mit Toyota und Williams als schlagkräftige Ergänzung zu Ferrari, MF1 Racing und eventuell Super Aguri will Bridgestone 2006 die Krise von 2005 vergessen machen und vor allem im prestigeträchtigen letzten Jahr des Reifenkriegs Michelin noch einmal in die Schranken weisen. Derzeit befinden sich die Japaner diesbezüglich auf einem guten Weg, wenn man den Stimmen im Fahrerlager Glauben schenken darf.

Titel-Bild zur News: Hisao Suganuma

Hisao Suganuma haben die letzten Testergebnisse optimistisch gestimmt

'F1Total.com' traf sich am Rande der Testfahrten in Jerez vergangene Woche mit Hisao Suganuma, dem Technischen Manager des Pneuherstellers. Suganuma schilderte dabei den neuesten Stand der Dinge, was die Vorbereitungen auf den Saisonauftakt am 12. März in Bahrain angeht, und er nahm unter anderem auch Stellung zur politisch heiklen Situation mit der wahrscheinlich bald bevorstehenden Ausschreibung eines einheitlichen Reifenausrüsters für die Formel 1.#w1#

Mehr Partnerteams bringen eine schnellere Entwicklung

Frage: "Hisao, hier testen für euch nun mehr Teams als in den Jahren zuvor. Was ist der Effekt, den man diesbezüglich sofort ausmachen kann?"
Hisao Suganuma: "Die Auswirkungen sind ziemlich groß, denn wir können unsere Testergebnisse mit mehreren Teams bestätigen. Wir sind in der Lage, über die Reifenentwicklung mehr Daten zu sammeln. Das beschleunigt meiner Meinung nach unsere Entwicklung. So gesehen bin ich sehr zufrieden."

Frage: "Im Vergleich zu den letzten Jahren, wo ihr mit Ferrari nur ein Topteam hattet, habt ihr nun mit Williams und Toyota zwei neue Teams, die über große Erfahrung verfügen - zumindest Williams..."
Suganuma: "Ja, das ist ein großer Vorteil für uns, wie ich schon gesagt habe. Wir haben nun mehr aggressive, stärkere Teams. Das hilft uns bei der Entwicklung der Reifen. Ich glaube, dass wir dank dieser Situation im Vergleich zum letzten Jahr konkurrenzfähiger sein werden."

Frage: "Was testet ihr momentan in Jerez? Wo liegt der Schwerpunkt, zum Beispiel auf den Mischungen oder Konstruktionen? Oder testet ihr beides gleichzeitig?"
Suganuma: "Wir testen beides. Zum einen Teil arbeiten wir an den Mischungen, zum anderen auch an den Konstruktionen, an der Form der Reifen. Wir haben nun auch andere Autos, die Anforderungen an die Reifen sind also etwas anders. Wir arbeiten hart, um die richtige Spezifikation für die Saison 2006 zu finden."

"Wir arbeiten hart, um die richtige Spezifikation für die Saison 2006 zu finden." Hisao Suganuma

Frage: "Testen im Moment alle Teams mit der gleichen Reifenspezifikation oder gibt es Unterschiede?"
Suganuma: "Grundsätzlich testen wir mit den gleichen Spezifikationen, und dann sehen wir, was passiert, wie die Anforderungen der Teams aussehen. Ich bin mir sicher, dass alle Teams ein und denselben Reifen auswählen, wenn man einen wirklich guten hat. Wir müssen einmal abwarten, was passieren wird."

Neue Partner sollen für Ferrari nicht zum Nachteil werden

Frage: "In den letzten Jahren hatte Ferrari innerhalb der Bridgestone-Teams eine Position, die mehr exklusiv war. Man könnte es so sagen: Ferrari hatte innerhalb der Bridgestone-Teams eine herausstechende Position..."
Suganuma: "Ja. Natürlich haben wir in diesem Jahr mehr stärkere Teams als Partner, weswegen die Ressourcen auch auf diese Teams verteilt werden. So gesehen könnte es für Ferrari etwas enttäuschend sein. Das wollen wir aber nicht, deshalb geben wir unser Bestes. Wir arbeiten sehr hart, um die Entwicklungsarbeit zu maximieren, auch wenn wir mehr Teams haben."

Frage: "Ich bin mir sicher, dass ihr schon analysiert habt, was 2005 passiert ist, oder was das Problem war. Wisst ihr genau, was falsch gelaufen ist? Was waren die Gründe?"
Suganuma: "Alles, was ich sagen kann, ist, dass das Paket im Vergleich zu unseren gegnerischen Teams nicht ausreichend konkurrenzfähig war. Es lag nicht an einem bestimmten Auto. Wir haben einfach das Zusammenspiel zwischen Reifen und Auto nicht optimal hinbekommen."

Frage: "Das Paket war in Imola letztes Jahr sehr, sehr konkurrenzfähig, aber bei den anderen Rennen bekam man es nicht auf die Reihe. Ist es korrekt anzunehmen, dass das Temperaturfenster schmaler war als in den Jahren zuvor?"
Suganuma: "Es gibt verschiedene Punkte, die wir analysieren müssen. Ja, in Imola waren wir sehr konkurrenzfähig. Bei den anderen Rennen? Ich muss sagen, in Indianapolis waren wir auch konkurrenzfähig (grinst)! Natürlich kämpften wir mit dem Temperaturfenster, aber auch andere Faktoren als die Temperatur wirkten sich negativ auf die Leistung der Reifen aus. Wir analysieren alle Probleme und versuchen sie zu lösen, um den diesjährigen Reifen zu verbessern."

"Auch andere Faktoren als die Temperatur wirkten sich negativ auf die Leistung der Reifen aus." Hisao Suganuma

Jerez-Test hat Bridgestone ermutigt

Frage: "Michael Schumacher fuhr hier sehr konkurrenzfähige Zeiten. Ist dies schon ein positives Anzeichen?"
Suganuma: "Ja. Wir sind sehr zufrieden, dieses Ergebnis zu sehen. Das ermutigt uns im Hinblick auf die Entwicklung der Reifen. Wenn wir diese Rundenzeiten sehen, dann denke ich, dass unsere Entwicklungsrichtung stimmt."

Frage: "Wie viele verschiedene Reifentypen habt ihr hier?"
Suganuma: "Wir haben 15 verschiedene Typen hier, inklusive Mischungen und Konstruktionen."

Frage: "Wie viele verschiedene Reifen werdet ihr vor dem ersten Rennen der Saison in Bahrain noch testen?"
Suganuma: "Ich denke, weitere 15 bis 30 Typen. Wir müssen nicht nur an dieses Rennen denken, sondern auch an andere Rennen. Wir wollen verschiedene Reifentypen ausprobieren und die besten rauspicken."

Frage: "Ist es möglich, dass der Reifen für Bahrain schon unter den 15 dabei ist, die ihr hier vor Ort habt?"
Suganuma: "Das denke ich nicht. Wir haben noch eine aggressive Entwicklung vor uns."

Bridgestone verlässt sich nicht auf die Reifenwechsel

Frage: "Es gibt eine Regeländerung, durch die wir praktisch zu dem zurückkehren, was wir schon 2004 hatten, als Ferrari sehr konkurrenzfähig war. Denken Sie, dass dies euer Unternehmen bevorteilen könnte?"
Suganuma: "Nun, der Ferrari war damals sehr konkurrenzfähig und wir hatten eine sehr positive Saison. Ich würde gerne sehen, dass das Gleiche wieder passiert. Der Reifen von 2004 kann ein guter Referenzpunkt für den diesjährigen Reifen sein, aber unser Rivale beschleunigt die Entwicklung ebenfalls, wir müssen also hart arbeiten."

Frage: "Vor ein paar Wochen habe ich Pierre Dupasquier (Michelins damaliger Sportdirektor; Anm. d. Red.) getroffen, der sagt, dass Michelin die Erfahrungen von 2004 kaum verwenden kann, weil sich seither so viel verändert hat. Konntet ihr auf die Erfahrungen von 2005 aufbauen oder musstet ihr - basierend auf den Erfahrungen von 2004 - einen komplett neuen Reifen entwickeln?"
Suganuma: "Natürlich sind seit 2004 zwei Jahre vergangen. In diesen beiden Jahren haben wir mit unserer Entwicklung ebenfalls Fortschritte gemacht. Wir haben andere Reifen als 2004, dennoch können wir uns auf die Reifen von 2004 beziehen."

Bridgestone bedauert den Rückzug von Michelin

Frage: "Was sagst du zu der Tatsache, dass Michelin den Sport verlassen wird?"
Suganuma: "Für mich ist das eine große Enttäuschung, denn Bridgestone hat es immer vorgezogen, eine Wettbewerbssituation zu haben. Denn Wettbewerb beschleunigt die Reifenentwicklung. Auch aus der Sicht des Ingenieurs ist der Wettbewerb immer aufregend - er ist hart, aber ich genieße ihn. So gesehen ist es eine ziemlich enttäuschende Situation."

Frage: "Michelin sagt, dass sie wegen des kommenden Reifenmonopols die Formel 1 verlassen, weil sie den Wettbewerb wollen. Hat Bridgestone die Absicht, unabhängig davon in der Formel 1 zu bleiben?"
Suganuma: "Ja, wir wollen in der Formel 1 involviert bleiben. Unser Unternehmen möchte der Welt auch die Technologie von Bridgestone zeigen. So gesehen ist es besser, wenn man einen Rivalen im Feld hat. Wir ziehen es vor, eine Wettbewerbssituation zu haben."

Frage: "Aus der Marketingsicht macht es sicherlich Sinn, der einzige Reifenhersteller in der Formel 1 zu sein, aber gibt es bei weniger Entwicklung in der Formel 1 einen Nutzen für die PKW-Reifenentwicklung? Gibt es überhaupt einen Einfluss auf die Serienproduktion?"
Suganuma: "Die Verbindung zwischen Renn- und Straßenreifen ist ziemlich gering. Wir können die Technologie aus dem Rennsport also nicht direkt für die Straßenreifen verwenden. Aber die grundsätzliche Philosophie wie das Design der Konstruktion oder die Erhöhung der Haftung können wir auch bei den Straßenreifen anwenden."

"Wir können die Technologie aus dem Rennsport nicht direkt für die Straßenreifen verwenden." Hisao Suganuma

Frage: "Und es geht ja auch darum, die Ingenieure zu trainieren, oder?"
Suganuma: "Ja, wir können unsere jungen Ingenieure in der Formel 1 trainieren, aber wir haben ja auch Rennsport in Japan. Ich muss sagen, dass dies hier ein gutes Umfeld ist, um Erfahrungen als Reifenentwickler zu sammeln. Wir haben nicht nur japanische Ingenieure hier, sondern auch welche aus Europa. Wir haben in Rom ein Technologiezentrum, es kommen also auch von dort ein paar Leute zu uns. So gesehen haben wir eine gute Beziehung zu unserer Mannschaft. Deshalb ist das Formel-1-Projekt eine schöne Sache."

Bridgestone begrüßt den Wettbewerb

Frage: "Wenn die FIA den Reifendeal für 2008 und danach ausschreibt, rechnest du dann mit einem zweiten Angebot neben dem von Bridgestone?"
Suganuma: "Wir wollen in der Formel 1 involviert bleiben. Wenn andere Reifenhersteller in die Formel 1 kommen wollen, dann sind wir darüber sehr glücklich."

Frage: "Du bist also auch glücklich, dass sich 'Kumho' für die Formel 1 zu interessieren scheint, auch wenn man in den vergangenen Monaten nichts mehr von ihnen gehört hat?"
Suganuma: "Ja. Wie ich schon gesagt habe, begrüßen wir die Herausforderung durch andere Reifenhersteller."

Frage: "Wie lange beabsichtigt Bridgestone in der Formel 1 zu bleiben?"
Suganuma: "Ich weiß es nicht. Ich denke, dass wir versuchen werden, so lange wie möglich in der Formel 1 weiterzumachen."

Frage: "Noch eine persönliche Frage. Pierre Dupasquier von Michelin ist zurückgetreten. Wie lange kannst du dir vorstellen, in diesem Sport weiterzumachen?"
Suganuma: "Ich arbeite in meinem siebenten Jahr als Manager in der Formel 1. Ich genieße meine Arbeit, und wenn ich in der Formel 1 weitermachen kann, dann bin ich glücklich. Aber wenn sich das Unternehmen dazu entscheidet, mich woanders einzusetzen, dann ist das auch in Ordnung."