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  • 17.01.2006 11:15

Der BMW P86: Power aus nur noch acht Zylindern

Paschen über die Anforderungen, die die zahlreichen Reglementänderungen mit sich gebracht haben - vom Guss, bis zum Getriebe und der Elektronik

(Motorsport-Total.com) - Revolution statt Evolution: In der Formel-1-Weltmeisterschaft 2006 gehen nicht nur neue Motoren an den Start, sondern eine neue Motorengeneration. Die neue treibende Kraft sind V8-Motoren mit 2,4 Litern Hubraum. Sie lösen die 3,0-Liter-V10-Triebwerke ab. Das Reglement hat es so gewollt.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve und Nick Heidfeld

Im Heck des F1.06 arbeitet nun ein V8-Motor

Heinz Paschen, in München als Technischer Direktor für den gesamten Antriebsstrang des neuen Formel-1-Fahrzeugs verantwortlich, sagt: "Die neuen V8-Motoren sind kürzer und haben durch 600 ccm weniger Hubraum entsprechend weniger Leistung und einen geringeren Verbrauch. Aber sie sind weder leichter noch billiger oder unkomplizierter."#w1#

Vollständig neues Konzept

Auch wenn der V8 mit dem jetzt verbindlich vorgeschriebenen Zylinderwinkel von 90 Grad optisch wie ein abgeschnittener V10 wirkt, ist er technisch ein eigenständiges Konzept mit spezifischen Anforderungen. Die andere Zündfolge des V8 erfordert eine grundlegend andere Kurbelwelle.

Im BMW V10-Formel-1-Motor wurde eine um 72 Grad gekröpfte Kurbelwelle verwendet. Für V8-Motoren kommen sowohl Kurbelwellen mit vier versetzten Kröpfungen von 90 Grad zum Einsatz als auch solche mit vier versetzten Kröpfungen von 180 Grad. Während sich für Serienmotoren wegen des besseren dynamischen Verhaltens die 90-Grad-Variante anbietet, verwendet man in Rennmotoren zugunsten einer besseren Leistungsausbeute die 180-Grad-Kurbelwelle und nimmt Nachteile im dynamischen Verhalten in Kauf.

Generell lässt sich im Vergleich mit den bisherigen V10-Motoren abschätzen: Eine Reduzierung der Leistung um rund 20 Prozent sowie um 20 Prozent kleinere Kühler - beides verhält sich proportional zum reduzierten Hubraum.

Beschneidungen um mehr als zwei Zylinder

Neben diesen im V8-Prinzip begründeten Konzeptunterschieden verlangen zahlreiche Detailvorschriften des Reglements ein Umdenken der Ingenieure. Stichwort Leichtbau: Der neue V8 muss schwerer sein als sein Vorgänger, der immerhin zwei Zylinder mehr hatte. 95 Kilogramm muss das Triebwerk jetzt auf die Waage bringen - inklusive Ansaugtrakt einschließlich Luftfilter, Kraftstoffleitungen und Einspritzsystem, Zündspule, Sensoren und Kabelbaum, Lichtmaschine, Kühlmittel- und Ölpumpen. Aber ohne Befüllung, Auspuffkrümmer, Hitzeschilder, Öltanks, Batterien, Wärmetauscher und Hydraulikpumpe.

Die Schwerpunktlage des Triebwerks ist neuerdings ebenfalls vorgeschrieben: In der Höhe mindestens 165 Millimeter, gemessen wird von der Unterkante der Ölwanne. Zugunsten des Fahrverhaltens war es beim Zehnzylinder gelungen, den Schwerpunkt tiefer anzusiedeln. Auf der Längs- und Querachse des V8 muss der Schwerpunkt bis auf eine Abweichung von +/- 50 Millimeter in der geometrischen Mitte des Motors liegen. Für die technischen Kommissare ist diese Überprüfung nicht mehr mit einfachem Wiegen zu erledigen, jetzt muss die Reglementkonformität durch Wiegen über zwei Ebenen und Berechnung nach dem Hebelgesetz ermittelt werden.

Waren die Maße für die Zylinderbohrung früher gut gehütete Geheimnisse, sind sie jetzt auf maximal 98 Millimeter limitiert. Auch der Zylinderabstand ist mit 106,5 Millimetern (+/- 0,2 mm) fixiert. Die zentrale Achse der Kurbelwelle darf nicht weniger als 58 Millimeter über der Referenzlinie liegen.

Schluss mit beweglichen Einlasssystemen

Eine weitere einschneidende Veränderung ist das Verbot der variablen Ansaugsysteme. Mit diesen so genannten "Trumpets" konnte bisher der Drehmomentverlauf optimiert werden. Durch die jetzt fixen Kanallängen wird eine gute Fahrbarkeit der Motoren schwieriger darstellbar. "Hier ist jetzt bedeutend mehr Aufmerksamkeit gefordert", betont Heinz Paschen, "man muss einen Kompromiss finden zwischen maximaler Leistung und guter Fahrbarkeit."

Wo allerdings der beste Kompromiss für die Rohrlängen liegt, ist von individuellen Faktoren abhängig. Beispielsweise spielen die Streckenführung und das Wetter eine Rolle. Man wird sich für Kurse mit langen Geraden wie Monza, Indianapolis oder auch Spa zugunsten der Höchstleistung andere Saugrohrlängen wünschen als etwa für winklige Grand-Prix-Strecken wie Budapest und Monaco.

Dort ist mit schierer Power nichts zu gewinnen, dort zählt aber die Fahrbarkeit mehr. Gleiches gilt bei Regen. Neben den variablen Ansaugsystemen sind auch variable Abgassysteme sowie variable Ventilsteuerungen verboten.

Die Spannungsversorgung der Motorelektrik und -elektronik ist auf maximal 17 Volt festgelegt worden, die Kraftstoffpumpe muss neuerdings mechanisch betrieben werden. Zur Betätigung des Drosselklappensystems darf nur ein Aktuator verwendet werden. Mit Ausnahme der elektrischen Hilfspumpen im Benzintank müssen alle Nebenaggregate mechanisch und direkt über den Motor angetrieben werden.

"Vernünftigerweise", spricht Paschen ein anderes Reglementkapitel an, "wurde eine lange Liste exotischer Materialien ausgeschlossen. Jetzt arbeitet praktisch jeder mit konventionellen und im Reglement fest geschriebenen Titan- und Aluminiumlegierungen."

Die technischen Daten der Motoren der verschiedenen Hersteller nähern sich damit an. Die Herausforderung für die Ingenieure wird indes keineswegs geringer. Paschen: "Es kommt darauf an, wer unter diesen Umständen das beste Ergebnis in Sachen Thermodynamik und mechanischer Dynamik erreicht."

Die mechanische Dynamik bzw. Vibrationen sind ein besonders kritisches Thema bei der neuen Formel-1-Motorengeneration. Die gegenüber dem V10 anderen Zündfolgen und andere Zündabstände führen zu einem völlig veränderten Schwingungsverhalten.

Der V10 fuhr auf seinem Drehzahlband zwischen bei 12.000 U/min und 14.000 U/min in einem kritischen Schwingungsbereich. Damit ließ sich leben, denn mit weiter steigender Drehzahl beruhigte sich die Situation wieder. Im problematischen Bereich hielt man sich nicht lange auf. Die längste Verweildauer liegt naturgemäß in den Spitzendrehzahlen. Und eben da wird es beim V8 problematisch: Seine Vibrationskurve erreicht den kritischen Bereich später als der V10, er beginnt ab ca. 16 000 U/min. Dann allerdings mit weiter steigender Tendenz.

Es reicht also nicht mehr, ein schwieriges Intermezzo zu überwinden, vielmehr gilt es, immer weiter steigenden Vibrationen Herr zu werden. "Wenn man diese Schwingungen nicht in den Griff bekommt", weiß Paschen, "hat das Auswirkungen auf die Lebensdauer des Motors und auch auf die Beanspruchung von Chassis-Komponenten. Um diese Problematik zu beherrschen, muss die Berechnung und Analyse jedes einzelnen Motorbauteils absolut zuverlässig sein. Dabei sind die Betrachtung der einzelnen Bauteile nur Steinchen im Mosaik. Ihr Miteinander und Gegeneinander in der Simulation des Gesamtsystems zu ermitteln, ist die größte Aufgabe."

Bezüglich der Kostenseite des Generationswechsels sagt Paschen: "Mit dem V10-Konzept hatten alle Hersteller viel Erfahrung, das wirkt sich grundsätzlich positiv bei den Entwicklungskosten aus. Der Aufwand für eine komplette Neuentwicklung ist immens. Zumindest in der ersten Phase der V8-Motoren stehen die zwei Zylinder weniger in keinem Verhältnis zu den zusätzlichen Entwicklungskosten."

Entwicklung von November 2004 bis März 2006

Mit der Konzeption des BMW P86 V8-Motors wurde Ende November 2004 begonnen. "Ideal ist ein Entwicklungszeitraum von 18 Monaten", sagt Paschen. Weil aber erst relativ spät klar war, dass der V8 tatsächlich 2006 eingesetzt wird, mussten 15 Monate bis zum ersten Rennen reichen."

Im Vorjahr hatte es ebenfalls eine kurzfristige und einschneidende Reglementänderung gegeben. Im Juli 2004 war bekannt gegeben worden, dass die Motoren 2005 zwei GP-Wochenenden durchhalten müssen. So kam 2005 nicht der geplante BMW P85 zum Einsatz, sondern der P84/5. Die Typenbezeichnung P86 bringt nun wieder Ordnung in die Namensgebung.

Im Mai 2005 knallten im Münchner Anton-Ditt-Bogen, in der BMW Formel-1-Motorenfabrik, die Sektkorken: Die erste Spezifikation des P86 hatte ihren ersten Prüfstandslauf absolviert. Am 13. Juli 2005 war eine weitere Spezifikation erstmals im Fahreinsatz. Antonio Pizzonia pilotierte damals ein für die Aufnahme des Motors modifiziertes Williams-Chassis in Jerez.

Eine wiederum weiterentwickelte Version steckte im Sauber-Interimschassis, mit dem am 28. November 2005 die Wintertestfahrten in Barcelona begannen. Beim ersten Roll-out im neuen Fahrzeug am 17. Januar 2006 war der BMW P86 erneut nicht mehr derselbe. Paschen: "Die Entwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der auch während der Saison niemals ruht. Bis die letzte Spezifikation zu den finalen Überseerennen einer Saison verladen wird, arbeiten wir an der weiteren Optimierung. Dann natürlich längst parallel zum Motor für die darauf folgende Saison."

Auf Herz und Nieren geprüft

Ehe eine neue Spezifikation die Rennreife erhält, muss sie einen Dauerlauf auf den dynamischen Prüfständen absolvieren. Im Herbst 2005 hat BMW bei diesen Prüfanlagen, die sich mit ihrer gesamten Versorgung jeweils über mehrere Etagen erstrecken und ganze Hallen füllen, die jüngste Generation in Betrieb genommen.

Geblieben ist die ultimative Anforderung für die Renntauglichkeit: 1500 Kilometer mit dem programmierten Streckenprofil von Monza. Kein GP-Kurs weist einen höheren Volllastanteil auf. Motoren, die für den Transport zum Austragungsort bestimmt sind, absolvieren auf den Prüfständen einen schonenderen Funktionscheck. Danach findet noch eine Qualitätskontrolle inklusive Ölprobenuntersuchung auf etwaige Metallrückstände im Spektrometer statt. Dann ist Dienstantritt.

Standfest auf die Dauer und im Sprint

Die neuen V8-Motoren müssen von Anfang an dieselbe Standfestigkeit aufweisen wie ihre erprobten Vorgänger 2005 - zwei komplette Rennwochenenden. Gegenüber 2002 stellt das eine Vervierfachung der Laufleistung auf mittlerweile bis zu 1500 Kilometer dar.

Das Credo von BMW Motorsport Direktor Mario Theissen lautet: "Die viel zitierte Grenze des technisch Machbaren gibt es nicht. Sie wird mit jeder Innovation weiter hinaus geschoben." Es lässt sich am Beispiel der Höchstdrehzahlen der BMW F1-Motoren eindrucksvoll ablesen. Der P82,
der BMW Motor der Saison 2002, hatte in seiner letzten Ausbaustufe den Spitzenwert von 19 050 Umdrehungen pro Minute erreicht. 2003 addierte sich die Laufleistung in Qualifying und Rennen auf rund 400 Kilometer mit einem seither komplexeren Belastungsprofil. In etwa so, als würde man einen Marathonläufer kurz vor dem Start noch auf einen Sprint schicken.

Diesen Vorgaben zum Trotz realisierte BMW 2003 Steigerungen in Drehzahl und Leistung. Der BMW P83 schaffte beim Saisonfinale in Japan beeindruckende 19.200 U/min und setzte klar über 900 PS frei. Dabei war er ein Muster an Zuverlässigkeit. Der einzige Motorschaden der Saison war beim Großen Preis von Österreich zu beklagen und hatte seine Ursache in einem Leck im Wasserkühler.

2004 folgte die Ein-Wochenend-Regel und damit die Verdoppelung der Laufleistung. Bei nun 36 Rennstarts gab es einen Motordefekt, der auf ein fehlerhaftes Bauteil zurückgeführt werden konnte. Bereits beim Europaauftakt in Imola war BMW in der Lage, die Höchstdrehzahl von wiederum gut 19.000 U/min über die gesamte Renndistanz freizugeben. "Und das", betont Theissen, "auch im siebten Gang - also in der höchsten Schaltstufe, in der die Verweildauer am längsten ist."

2005 wurde durch die erneute Verdoppelung der Laufleistung ein allgemeiner Rückgang der Drehzahlen erwartet. Doch der BMW P84/5 drehte in seiner letzten Ausbaustufe wieder über 19.000 U/min und erreichte eine Höchstleistung von 940 PS. Diesmal waren zwei Motorschäden bei 38 Starts zu beklagen. Beide Male wurde das Temperaturlimit für die Kühlmittel überschritten, was jeweils mit Überhitzung und Ausfall endete.

Von Freitag bis Sonntag und an zwei aufeinander folgenden Grand-Prix-Wochenenden stehen für einen Formel-1-Motor unterschiedliche Disziplinen auf dem Programm. In den Freien Trainings, die zur Abstimmungsarbeit und Reifenauswahl genutzt werden, bemühen sich die Teams um Schonung der Motoren. Einerseits durch gedrosselte Drehzahlen, andererseits durch eine Limitierung der Runden.

Das Qualifying dagegen verbietet jedes Schonprogramm: Im Shoot-out geht es von Anfang an um Alles. "Im Rennen wiederum", sagt Paschen, "kann man variieren. Liegt ein Fahrer an aussichtsreicher Position, muss er das Potenzial des Motors zu jedem Zeitpunkt voll ausschöpfen können. Steckt er aber beispielsweise hoffnungslos in einem Pulk fest oder hat gegen Rennende eine ungefährdete Position, kann man die Drehzahl auch am Sonntag sicherheitshalber etwas zurücknehmen."

Vom Motor zum gesamten Antriebsstrang

In der neuen Konstellation des BMW Sauber F1 Teams erweitert sich der Aufgabenbereich der BMW Ingenieure in München: Ab dem Fahrzeug für die Saison 2007 zeichnen sie für den gesamten Antriebsstrang verantwortlich. Das Getriebe für die Saison 2006 wurde in Hinwil entwickelt.

BMW hatte bereits während der Kooperation mit WilliamsF1 eine Formel-1-Getriebeabteilung aufgebaut. Das Aluminium-Getriebegehäuse entstand im Sandgussverfahren in Landshut, weitere Getriebeteile kamen aus der BMW F1-Fertigung. Getriebezahnräder wurden im BMW Werk Dingolfing hergestellt, parallel zur dortigen Serienfertigung. Durch diese Vorbereitung und die Unterstützung des BMW Forschungs- und Innovationszentrums sowie mit dem neuen Prüffeld im Anton-Ditt-Bogen sind die Münchner für die neue Aufgabe gewappnet.

Die Anforderungen an ein Formel-1-Renngetriebe sind enorm: Maximale Steifigkeit bei geringem Gewicht und niedriger Schwerpunktlage, kompakte Bauweise und minimale Schaltzeiten standen im Lastenheft für das neue Siebengang-Getriebe.

Synergien zwischen F1- und Serienentwicklung

"Das Formel-1-Projekt ist für BMW ein gewaltiges Technologielabor", sagt Mario Theissen: "Die sowohl hinsichtlich des Motors als auch des Getriebes neuen Aufgaben aus dem Formel-1-Projekt werden als Entwicklungsbeschleuniger für das gesamte Unternehmen wirken. Synergieeffekte zwischen F1- und Serienentwicklung herzustellen, war für BMW die Grundvoraussetzung für den Wiedereinstieg zum Jahr 2000. Wir haben die Wege für den Technologietransfer gezielt immer weiter verkürzt."

So stand von Anfang an fest: Die BMW Triebwerke für die Königsklasse werden in München entwickelt und gefertigt. Dabei spielt das BMW Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) eine Schlüsselrolle. Die F1-Fabrik wurde in weniger als einem Kilometer Entfernung von dieser Denkwerkstatt errichtet und mit ihr verwoben.

"Das FIZ repräsentiert die Zukunft von BMW", erklärt Theissen, "dort arbeiten die fähigsten Ingenieure in modernsten Forschungs- und Entwicklungs¬einrichtungen. Das FIZ verfügt über enorme Ressourcen, von denen wir unmittelbar profitieren. Umgekehrt stellt das F1-Engagement durch die extremen technischen Anforderungen und das geforderte Entwicklungstempo ein einzigartiges Versuchsfeld für unsere Techniker dar."

BMW hat die Vision einer lückenlosen Prozesskette im eigenen Haus realisiert - von der Konzeption über die Konstruktion, den Guss, die Teilefertigung, Aufbau und Versuchsphase bis hin zum Renneinsatz. Dadurch entfallen Transportwege und damit verbundene Qualitätsrisiken, und das im Unternehmen erworbene Know-how kann auf direktem Weg in die Serienentwicklung einfließen.

Aus einer Hand und aus einem Guss

Die Gussqualität von Motorblock, Zylinderkopf und Getriebe entscheidet maßgeblich über Leistungsfähigkeit und Standfestigkeit der Aggregate. Fortschrittliche Gusstechnologien mit höchst genauer Prozessführung ermöglichen leichte Bauteile von hoher Steifigkeit. Um dies für Serienfahrzeuge zu gewährleisten, unterhält BMW eine Gießerei in Landshut.

Bereits 2001 wurde ihr eine eigene F1-Gießerei angegliedert. "Beide Abteilungen", führt Theissen aus, "arbeiten unter einer gemeinsamen Führung. Das garantiert den permanenten Austausch." Mit dem
gleichen Sandgussverfahren, mit dem der Formel-1-V8 entsteht, werden Ölwannen für die M-Modelle, die Sauganlage für den Achtzylinder-Dieselmotor sowie die Prototypen künftiger Motorgenerationen gegossen.

Fast zeitgleich mit der Inbetriebnahme der F1-Gießerei wurde nach demselben Modell eine F1-Teilefertigung an jene für Serienkomponenten angeschlossen. Dort fertigt das F1-Team unter anderem die Nockenwellen und die Kurbelwellen für die Formel 1.

Elektronik im Rennen und auf der Straße

Die Anforderungen an das Motormanagement eines hoch drehenden Formel-1-Triebwerks, das aber auch bei niedrigen Drehzahlen problemlos fahrbar sein muss, sind immens. In jeder Millisekunde müssen Zündzeitpunkt und Treibstoffzufuhr perfekt aufeinander abgestimmt sein, um optimale Effizienz zu erreichen - maximale Leistung bei minimalem Kraftstoffverbrauch.

Verbrauchsoptimierung bringt sowohl bessere Rundenzeiten als auch mehr Flexibilität in der Rennstrategie. Neben der Steuerung ist die Bordelektronik auch verantwortlich für die Überwachung sämtlicher Funktionen.

Mit der Rückendeckung der Elektronik-Experten des FIZ wagte BMW von Anfang an, auch die Formel-1-Motorsteuerung selbst zu entwickeln, anstatt auf etablierte Rennsportspezialisten zurückzugreifen. Ingenieure, die sich sonst mit der Bordelektronik für die M-Modelle befassen, schufen auch das Motor-Management für die F1-Triebwerke. Ihr dabei erworbenes Wissen fließt zurück in die Serie. Längst verfügen Spitzenmodelle von BMW wie der 7er und die M-Serien über zwei neue Mikroprozessor-Typen, die BMW erstmals in der Formel 1 eingesetzt und erprobt hat. Für den Internetzugang und das Navigationssystem der BMW 7er Reihe wurde zudem Speichertechnologie verwendet, die sich zuvor in der F1 bewährt hatte.

"Auch bezüglich der Überwachung von Funktionen", ergänzt Theissen, "lernen wir für Straßenfahrzeuge. Rechtzeitige Warnungen und automatisierte elektronische Eingriffe sind auch dort sicherheitsrelevant und schützen vor Schäden."

Im BMW M3, M5 und M6 hat sich eine weitere Getriebeinnovation aus der Formel 1 bewährt: das "Sequenzielle M Getriebe - SMG mit DRIVELOGIC". Das Antriebskonzept SMG bietet F1-Getriebe¬technologie für den Alltagsbetrieb. Dabei werden die Gangwechsel elektrisch per Schaltwippe hinter dem Lenkrad ausgelöst. Wie in der Formel 1 ersetzt ein elektrohydraulisches System den mechanischen Kupplungs- und Schaltvorgang, und der SMG-Bediener darf beim Schalten ebenfalls auf dem Gas bleiben.

Materialforschung und Modellbau

Der Wunsch nach möglichst leichtem und gleichzeitig möglichst widerstandsfähigem Material hat auch unter dem neuen Reglement in der Formel 1 seine Berechtigung. Die Materialforschung des FIZ liefert wichtige Impulse für die BMW F1-Motoren- und Getriebeentwicklung. Häufig dient die Luft- und Raumfahrttechnik als Ausgangsbasis. Einige viel versprechende Entwicklungen, die aus Kostengründen für die Großserie heute noch nicht in Betracht kommen, haben im Formel-1-Projekt bereits Verwendung gefunden. Diese Einsatzmöglichkeit neuer Technologien hilft den Ingenieuren, sie zur Serienreife weiterzuentwickeln.

Nur mit kurzen Reaktionszeiten sind im erbarmungslosen F1-Rhythmus Fortschritt und Problembewältigung möglich. Die Zahl der konstruktiven Änderungen am Formel-1-Motor in einer Saison ist so hoch wie jene der gesamten Palette der Serienmotoren. Neue Konstruktion, neue Werkzeuge, neues Teil - das ist der Ablauf. Um diesen abzukürzen, kann die BMW F1-Mannschaft auf die FIZ-Abteilung Rapid Prototyping/Tooling Technology zugreifen.

Sobald die benötigten Teile auf einem CAD-System konstruiert wurden, produzieren ebenfalls von Computern gesteuerte Maschinen mittels Laserstrahlen oder dreidimensionaler Drucktechnik maßgetreue Modelle aus Harz, Kunststoffpulver, Acrylat, Wachs oder Metall. Damit können kurzfristig Einbausituationen und Wechselwirkungen simuliert werden, um gegebenen¬falls vor dem endgültigen Herstellungsprozess noch Modifikationen vornehmen zu können.

BMW P86 - technische Daten

Bauart: 8-Zylinder-V-Saugmotor
Bankwinkel: 90 Grad
Hubraum: 2.400 ccm
Ventile: vier pro Zylinder
Ventiltrieb: pneumatisch
Motorblock: Aluminium
Zylinderkopf: Aluminium
Kurbelwelle: Stahl
Ölsystem: Trockensumpfschmierung
Motorsteuerung: BMW
Gewicht: 95 kg