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Saisonanalyse Teil 34: Renault

Lesen Sie im 34. und letzten Teil unserer täglichen Saisonanalyse-Serie den Rückblick auf das Jahr des Renault-Teams

(Motorsport-Total.com) - Als Flavio Briatore im Jahr 2000 von Renault als neuer Benetton-Teamchef eingesetzt wurde, war der einstige Erfolgsrennstall um Michael Schumacher nur noch ein Schatten seiner selbst. 2001 reichten insgesamt zehn Punkte nur zum siebenten Platz in der Konstrukteurs-WM, ehe Briatores Arbeit 2002 nach der Namensänderung in Renault wirklich begann.

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore und Fernando Alonso

So sehen Sieger aus: Briatore und Alonso freuen sich über den gewonnenen Titel

Unter der Regie des Italieners sammelte der französische Automobilhersteller 2002 23, 2003 88, 2004 105 und 2005 schließlich 191 Zähler, was quasi den Beweis dafür darstellt, was ohnehin alle wissen: dass Briatore zwar kein großer Rennsportexperte sein mag, aber sehr wohl ein erstklassiger Manager, der mit seiner Ausstrahlung einiges bewegen kann - und bestimmt auch mit der disziplinierten Einstellung, die er nicht nur von sich, sondern auch von jedem seiner Mitarbeitern erwartet.#w1#

Briatore formte aus Benetton binnen weniger Jahre ein Topteam

Briatore ist gnadenlos: "Wer einen Fehler einmal macht, bekommt eine zweite Chance, aber wer zweimal denselben Fehler begeht, ist gefeuert. Die Formel 1 ist kein Geschäft für Versager", soll er einmal gesagt haben. Genau mit dieser Einstellung hat er es aber geschafft, innerhalb von weniger als fünf Jahren eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzustellen, ohne dafür die Stars unter den Ingenieuren für viel Geld von anderen Teams abzuwerben.

Im Gegenteil: Aus Sicht des 55-jährigen Ex-Lovers von Supermodels wie Heidi Klum, Naomi Campbell und Eva Herzigova darf niemals ein Individuum im Rampenlicht stehen, sondern es muss immer die Mannschaft der Star sein. So beförderte er eher unbekannte Ingenieure wie Bob Bell (Chassis), Rob White (Motor) und Denis Chevrier (Motor) in die oberste Führungsetage, während er gleichzeitig dem alten Hasen Pat Symonds (Chefingenieur) erneut das Vertrauen schenkte.

In den Jahren 2002 und 2003 hatte Renault - damals übrigens noch unter der technischen Regie des heutigen Toyota-Designers Mike Gascoyne - eines der aerodynamisch besten Autos sowie die beste Traktionskontrolle und Startautomatik, doch der Schwachpunkt des Pakets war der Motor mit der extrem weitwinkligen Zylinderbank. 110 statt 90 Grad Öffnungswinkel bedeuteten zwar Vorteile für die Chassisdesigner, der V10 selbst lieferte aber nicht genug PS ab und sorgte für lästige Vibrationen.

110-Grad-Motorenkonzept wurde Ende 2003 eingemottet

Also wich man vom belächelten 110-Grad-Konzept ab und kehrte zu einer konventionelleren Motorenarchitektur zurück. Damit konnte man das schon 2003 andeutungsweise gezeigte Potenzial stabilisieren - und Jarno Trulli sorgte mit dem Sieg in Monaco für das Highlight der Saison 2004. Eine gesunde Basis für 2005 war also geschaffen, zumal der Vize-WM-Titel bei den Konstrukteuren zu Gunsten der Neuentwicklung geopfert wurde.

Eine Entscheidung, die sich bezahlt machen sollte: Renault schickte den R25 Ende Januar erstmals auf eine Teststrecke, und am 1. Februar wurde das neue Auto in Monaco den Medien vorgestellt. Gemeinsam mit dem MP4-20 von McLaren-Mercedes dominierte der R25 die Wintertestfahrten nach Belieben, weshalb Fernando Alonso und Neuzugang Giancarlo Fisichella, ein Heimkehrer, der davor schon einmal für Benetton gefahren ist, als klare Favoriten nach Melbourne kamen.

Fisichella feierte in Australien seinen einzigen Saisonsieg

"Down under" wurden sie dieser Rolle auch voll gerecht: Fisichella wurde dank des Regens im ersten Qualifying auf die Pole Position gespült und ließ sich im Rennen die Butter nicht mehr vom Brot nehmen, während Alonso vom 13. Startplatz aus das Feld von hinten aufrollte und mit der schnellsten Rennrunde - 0,311 Sekunden vor seinem Teamkollegen - schon mal zeigte, wo der Hammer hängt. Für seine beeindruckende Performance wurde er mit immerhin sechs Punkten belohnt.

"Ich denke, dass wir zusammen mit McLaren und Ferrari das Team sind, das um den Titel fährt." Giancarlo Fisichella

Renault hatte durch den Triumph von Australien eine hervorragende Ausgangsposition für den nächsten Grand Prix in Malaysia, schließlich hat man immer einen guten Slot im nächsten Qualifying, solange man nur die Rennen gewinnt. Alonso machte sich dieses Rad optimal zunutze und gewann die restlichen beiden Überseeläufe. Auch in Imola setzte er sich nach einem elektrisierenden Zweikampf mit Michael Schumacher in den letzten Runden durch.

Vor seinem Heimspiel in Barcelona hatte der Spanier, der 2005 zum absoluten Nationalhelden aufstieg und nach Saisonende sogar mit dem 'Prinz-von-Asturien-Preis' ausgezeichnet wurde, sage und schreibe 29 Punkte Vorsprung auf seinen späteren WM-Kontrahenten Kimi Räikkönen, weshalb er sich relativ früh auf die zurückhaltende Strategie verlassen konnte, möglichst immer auf dem Podium zu landen, aber nicht mehr alles für Siege riskieren zu müssen.

Alonso punktete weiterhin wie ein Eichhörnchen

Alonso wurde Zweiter in Barcelona, mit Reifenproblemen Vierter in Monte Carlo, nach Räikkönens Reifenschaden Erster am Nürburgring - und verlor so kaum etwas von seinem Polster, obwohl er zu jenem Zeitpunkt bei weitem nicht mehr das schnellste Auto im Feld hatte. Fisichella wurde indes vom Defektteufel verfolgt, verlor dadurch auch massiv an Selbstbewusstsein und verbuchte in sechs Rennen nur mickrige sieben Zähler auf seinem Konto.

Beim Grand Prix von Kanada leistete sich Renault dann den ersten groben Schnitzer: Fisichella ging mit einem Superstart aus der zweiten Reihe in Führung, hielt an der Spitze aber seinen Teamkollegen auf, der sich so nicht von den "Silberpfeilen" absetzen konnte und deshalb verzweifelt den Kommandostand um Unterstützung bat. Von dort bekam er allerdings nur zu hören: "Fernando, du musst 'Fisi' schon überholen, wenn du vorbei willst!"

Mit Wut im Bauch gegen die Mauer: K.O. in Montréal

Alonso erbte später die Führung, hatte jedoch offenkundig einiges an Wut in seinem Bauch und küsste in einem seiner wenigen schlechten Momente in der zurückliegenden Saison mit der rechten Seite eine Betonmauer. Dadurch ging die Radaufhängung kaputt - und weil auch Fisichella mit Hydraulikproblemen nicht ins Ziel kam, war Räikkönens Sieg umso süßer. In der Fahrer-WM hatte Alonso dennoch weiterhin stattliche 22 Punkte Guthaben.

Giancarlo Fisichella vor Fernando Alonso

Hinter Fisichella braute sich in Alonso in Montréal einiges an Wut zusammen Zoom

Mit einem Sieg in Magny-Cours, einem zweiten Platz in Silverstone und einem weiteren Sieg in Hockenheim - jeweils bei Räikkönen-Problemen - führte Alonso im Hochsommer eine Vorentscheidung in der Weltmeisterschaft herbei, zumal er bis Saisonende außer in Ungarn überall auf dem Podium landen sollte. Am Hungaroring wurde er gleich am Start in eine Kollision mit Ralf Schumacher verwickelt, doch angesichts seiner sonstigen Konstanz ließ sich die dortige Null leicht verkraften.

Renault musste im Endeffekt nichts weiter tun, als Rennen zu beenden, dabei nach Möglichkeit hinter den "Silberpfeilen" Punkte abzustauben und darauf zu achten, das Zuverlässigkeitsniveau möglichst hoch zu halten. Alonso setzte diese Strategie trotz seiner erst 24 Jahre wie einst Alain Prost perfekt um, wusste auch, wann er einmal zurückstecken musste - so zum Beispiel beim Beschleunigungsduell gegen Juan-Pablo Montoya vor der ersten Kurve in Silverstone.

Fisichella konnte Alonso nicht das Wasser reichen

Das Sorgenkind von Renault-Teamchef Briatore blieb weiterhin Fisichella, denn der 32-Jährige mauserte sich in der zweiten Saisonhälfte zwar immerhin zu einem konstanten Punktesammler, was für die Konstrukteurs-WM von Bedeutung war, doch vom Speed her blieb "Fisico", wie er von seinen Fans genannt wird, doch meilenweit hinter den Erwartungen zurück. Der R25 lag seinem geschmeidigen Fahrstil einfach nicht, sondern erforderte es, brutal in die Kurven geworfen zu werden.

Als Alonso in Brasilien quasi seinen zweiten WM-Matchball schon im drittletzten Rennen verwertete, konnte man bei Renault wieder etwas befreiter agieren, was die Leistungsentwicklung angeht. Für den letzten Überseestint wurde eine überarbeitete Aerodynamik eingeführt, beim Saisonfinale in Shanghai dann sogar ein wesentlich aggressiver ausgelegter Motor, weil das Triebwerk ohnehin nur noch einen und nicht mehr zwei Grands Prix überstehen musste.

Erstklassige Vorstellung beim Saisonfinale in China

Alonso/Fisichella gingen mit zwei Punkten Rückstand in der Konstrukteurs-WM in den Grand Prix von China, wo sie dann mit einem triumphalen Auftritt den Makel vom Tisch wischten, wonach Renault zu langsam gewesen sein soll, um sich den Titel wirklich zu verdienen: Alonso fuhr den Verfolgern von Anfang an auf und davon, während Fisichella als Zweiter die "Silberpfeile" geschickt abschirmte und so früh für eine Vorentscheidung sorgte.

"Die Konstrukteurs-WM bedeutet viel für das Team, nicht nur hier an der Strecke, sondern auch in Enstone und Viry." Pat Symonds

Ein lose gewordener Gullydeckel, der Montoya aus dem Rennen warf, sowie zwei Safety-Car-Phasen spielten Renault noch mehr in die Hände, und anschließend ließ das französisch-britische Team nichts mehr anbrennen. Schlussendlich bedeutete dies neun Punkte Vorsprung auf McLaren-Mercedes, obwohl Renault die um 5,3 Prozent höhere Ausfallsrate hatte. Jawohl, sie haben richtig gelesen: Der silberne MP4-20 sah öfter die Zielflagge als der R25 von Renault!

Wie stabil Renault inzwischen geworden ist, beweist die Tatsache, dass Fisichella nach seinem Patzer von Suzuka, wo er sich in der letzten Runde noch einen sicher geglaubten Sieg vom Silbertablett stehlen ließ, nicht prompt gefeuert wurde - manche fühlten sich in Japan ein wenig an Trullis folgenschweren Patzer von Magny-Cours 2004 erinnert -, sondern vom Team trotzdem das Vertrauen ausgesprochen bekam. Dass Fisichella auch 2006 einen bequemen, aber trotzdem konkurrenzfähigen Stallkollegen für Alonso abgeben soll, dürfte dabei sicher eine Rolle gespielt haben.

Neues Reglement kam Renault mit Sicherheit zugute

Renault hat es 2005 geschafft, die Regeländerungen perfekt zu verstehen und umzusetzen, im Zweifelsfall Zuverlässigkeit der einen oder anderen Zehntelsekunde an Zeitgewinn vorzuziehen und die Rennen gut zu lesen. Nur so ist zu erklären, dass Briatores Mannen Doppelweltmeister wurden, ohne die meisten Siege (8:10 gegen McLaren-Mercedes), die meisten Pole Positions (7:7) oder die meisten schnellsten Rennrunden (3:12) eingefahren zu haben.

Besonders bemerkenswert ist dieser Erfolg insofern, als das Team bei weitem nicht das größte Budget hatte, sondern mit 20 bis 30 Prozent weniger auskommen musste als etwa Toyota, Ferrari oder McLaren-Mercedes. Dies bedeutet freilich auch, dass es 2006 umso schwieriger wird, die WM-Titel erfolgreich zu verteidigen, zumal man im Gegensatz zu 2004 ja auch bis zum Schluss alle Ressourcen in die Entwicklung des aktuellen Autos stecken musste und nicht dafür Zeit hatte, dem neuen R26 allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Analyse der 'F1Total.com'-Experten:

Marc Surer: "Renault hat alles richtig gemacht! Sie haben ein zuverlässiges und reifenschonendes Auto hingestellt, das auch gut zu fahren war, sodass die Fahrer gut attackieren konnten. Dass sie mit der Entwicklung dann vorsichtig geworden sind, spricht für die Strategie - und dass sie auch schnell fahren können, haben sie Ende des Jahres noch einmal gezeigt. Als der Druck der Weltmeisterschaft weg war, war der Renault in Suzuka und Shanghai dem McLaren mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar schneller."

Hans-Joachim Stuck: "Renault hat es geschafft, durch eine geschickte Teamführung und eine hohe Zuverlässigkeit Weltmeister zu werden, obwohl sie nicht das schnellste Auto hatten. Flavio Briatore ist für mich einer der drei besten Teammanager der Formel 1, denn er versteht es perfekt, seine Truppe zu führen und zu motivieren."

Statistiken zur Saison des Renault-Teams:

Teamwertung: 1. mit 191 WM-Punkten (Gesamtübersicht)
Anzahl der gefahrenen Rennen: 18 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Siege: 8 (Gesamtübersicht)
Anzahl der Pole Positions: 7 (Gesamtübersicht)
Durchschnittlicher Startplatz: 4,8 (Gesamtübersicht)
Anzahl der schnellsten Rennrunden: 3 (Gesamtübersicht)
Bestes Ergebnis Qualifying: 1.
Bestes Ergebnis Rennen: 1.
Gefahrene Führungsrunden: 451 (Gesamtübersicht)
Ausfallsrate: 15,8 Prozent (Gesamtübersicht)
Testtage: 51 (Gesamtübersicht)
Testkilometer: 42.143 (Gesamtübersicht)
Test-Tagesbestzeiten: 11 (Gesamtübersicht)