• 24.10.2004 16:00

  • von Marco Helgert

Todt: "Ich finde das sehr seltsam"

Ferrari-Rennleiter Jean Todt, der nicht zum entscheidenden Treffen geladen war, kritisierte die Vorschläge der anderen Teams scharf

(Motorsport-Total.com) - Ist Ferrari das schwarze Schaf der Formel 1, oder soll das Team nur als dieses hingestellt werden? Momentan herrscht noch wenig Licht im Dickicht der radikalen Vorschläge der anderen neun Teams. Ferrari-Rennleiter Jean Todt beschwerte sich nun, dass er zu den Treffen am Samstag überhaupt nicht eingeladen war. Zudem fehlen bei den Vorschlägen viele Punkte, die es zu regeln gilt.

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Jean Todt fand keine positiven Worte über die Vorschläge

Abgesehen davon, dass die Maßnahmen überraschend kamen, erscheinen sie nicht nur in einem guten Licht. Die Monate verstrichen, immer wieder kamen die Teamchefs und Technischen Direktoren zusammen. Aber nichts konnte entschieden werden - bis die FIA die Regeln für 2005 und danach in Eigenregie durchboxte.#w1#

Nun der Sinneswandel. Nachdem alles abgesegnet wurde, plötzlich die Einigung. Sicher, die Vorschläge gehen durchaus nicht in die falsche Richtung, alle unterzeichnenden Parteien jedoch als "Erretter" der Formel 1 zu bezeichnen, wäre eine völlig falsche Auslegung. Es sind die gleichen Darsteller, die sich immer wieder darauf einigen konnten, dass sie sich nicht einigen können.

Indirekt dürfte es einige Auslöser für die Kehrtwende gegeben haben: Zum einen der Ford-Ausstieg, der zeigte, dass die Formel 1 in einer tiefen und selbstverschuldeten Krise steckt. Zum anderen die Regeln, denn durch die Uneinigkeit wurde man quasi zum Spielball der FIA. Zudem stehen mit Minardi und Jordan gleich zwei Teams am finanziellen Abgrund.

Der Kostendruck und die stetig steigenden Budgets schweben wie Damokles-Schwerter über den Teamchefs. An einem Treffen am Freitag soll Williams-Miteigner Patrick Head Tacheles gesprochen haben. An Jean Todt gerichtet, erklärte er, dass nur Toyota und Ferrari keine finanziellen Bedenken haben. Wenn aber nicht bald etwas getan werden würde, dann kämen außer den Privatteams auch die Großen der Branche in Bedrängnis.

Bei den Samstag-Meetings war Todt dann schon nicht mehr dabei, da das Timing unglücklich gewesen sein soll, denn Michael Schumacher unterzog im Moment des Treffens seinen Ferrari gerade einer Kaltverformung. "Ich habe Ingenieure und Mechaniker, die das klären", erklärte ein überraschter Jean Todt gegenüber 'autosport.com'.

"Die Wahrheit ist, dass ich nicht eingeladen wurde", so der Franzose, der mit Kritik am Dokument der anderen Teams nicht gerade sparsam umging. "Es fehlen so viele Dinge, viele Probleme wurden nicht gelöst. Sie sprechen von Testfahrten an den Freitagen (eines Rennwochenendes; d. Red.), aber soll das mit dem gleichen Motor wie für das Rennwochenende geschehen oder einem anderen?"

Dann trat der Franzose den Forderrungen entgegen. "Ich verstehe ja, dass es einige kleine Teams gibt, die finanzielle Probleme haben, aber das hilft ihnen doch nicht", so Todt. Woher er diese Gewissheit nimmt, erklärte er jedoch nicht. "Man sollte auch die Unternehmen in der Formel 1 nicht unterschätzen, Unternehmen wie Bridgestone und Michelin."

"Diese sollten mit einbezogen werden", fuhr er fort. "Man muss sie respektieren, sie tragen die Verantwortung für die Reifen und fahren tausende von Kilometern, und das klingt nicht an. Ich finde das sehr seltsam, das muss ich sagen." Doch genau wegen der "tausenden Kilometer", welche die Reifenhersteller fahren, soll auch dieser Bereich eingeschränkt werden. Gespräche sollen hierzu noch stattfinden. Das Thema wurde weder ausgeklammert noch über die Köpfe bei Bridgestone oder Michelin hinweg bestimmt.

Die erste Reaktion von Ferrari zeigt, dass es viel Gegenwehr geben wird. Denn anstatt die Entscheidung zu akzeptieren, fährt man von Anfang an große Geschütze auf. Ferrari möchte die Vorteile der eigenen Teststrecken und der wundervollen Beziehung zu Bridgestone sicher nicht gefährden. Doch macht es Sinn, die Zimmer eines Hauses mit Marmor und Gold zu schmücken, während das Fundament verrottet?

Die beschlossenen Ideen sind nicht der Weisheit letzter Schluss, sie sollen es auch nicht sein. Eine Absichtserklärung und eine Richtungsvorgabe sind sie aber allemal. Ferrari wäre gut beraten, sich zu beteiligen. Dabei geht es nicht darum, dass man sonst als "Spielverderber" abgestempelt wird. Aber die Formel 1 ist eine Vereinigung der Teams, die ihre Grundlage selbst bestimmen sollten. Und auch Ferrari ist hier in der Pflicht, sich zu beteiligen. Kritik an den anderen und der unbeugsame Wille, eine Einigung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser, herrschten lange genug. Der Zeitpunkt, etwas zu bewegen, ist vielleicht nicht ideal, aber er ist gekommen - und er kommt womöglich so schnell nicht wieder.