• 24.10.2004 12:58

Barrichellos ewiger Kampf mit den Erwartungen

Barrichello wird in seiner Heimat mit Sprechchören aber auch mit Spott überschüttet - der Schumacher-Teamkollege hat es nicht leicht

(Motorsport-Total.com/sid) - Einmal im Jahr kämpft Rubens Barrichello nicht nur gegen seinen scheinbar übermächtigen Teamkollegen Michael Schumacher, sondern auch gegen die Erwartungen einer ganzen Nation. Beim Rennen in seiner Heimatstadt Sao Paulo macht die Erinnerung an frühere Formel-1-Idole wie Emerson Fittipaldi, Nelson Piquet und vor allem den legendären Ayrton Senna sein Leben nicht leichter, zumal ihn auch noch der "Fluch von Interlagos" verfolgt. Zehnmal in elf Rennen kam Barrichello gar nicht erst ins Ziel, 1994 war er einmal Vierter.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello gab im Qualifying die Antwort auf der Strecke: Pole

Und doch war die Situation in diesem Jahr etwas anders. Nicht die "Rubens, Rubens"-Sprechchöre der Fans, sobald er irgendwo auftauchte, oder der orkanartige Jubel, als er am Samstag zum zweiten Mal in Folge in Brasilien auf die Pole Position fuhr und Schumacher sich nur auf Startplatz 18 wieder fand.#w1#

Zum ersten Mal ist Brasilien die letzte Station der Formel-1-Weltreise, Schumacher steht seit Wochen als Weltmeister fest und brauchte die Punkte nicht mehr, Barrichello ist Vize-Weltmeister und hat in Monza und Schanghai zwei der letzten drei Rennen gewonnen. "Wenn ich diese Siege nicht geholt hätte, wäre es schwieriger gewesen - ein echtes Nervenspiel", sagte Barrichello.

So ging er diesmal mit einer neuen Portion Lockerheit auf die Piste, auf der er als Kind erste Formel-1-Luft schnupperte. Das Häuschen seiner Oma ist nur einen Steinwurf vom 'Autodromo Carlos Pace' entfernt, am Donnerstag besuchte sie ihren "Rubinho" sogar an der Strecke.

Die zwei Wochen vor dem Rennen verbrachte er nicht bei Testfahrten, sondern zu Hause bei seiner Familie. So ausgelassen spielte er mit Söhnchen Eduardo, dass seine Frau Silvana schon nicht mehr wusste, wer von beiden eigentlich das Kind ist.

Bei seinen Landsleuten hat Barrichello einen viel schwereren Stand als bei Filius Eduardo. Sein Freund und Mentor, der 1994 tödlich verunglückte dreimalige Champion Ayrton Senna, wurde vergöttert, "Rubinho" dagegen oft verspottet - als Marionette und Hampelmann von Michael Schumacher.

"Wenn er gegen Schumacher beim Laufen antreten müsste, würde er sich wahrscheinlich prompt den Fuß brechen", spottete die große Tageszeitung 'Folha de Sao Paulo' erst kürzlich. Zu oft hat Barrichello seit seinem Wechsel zu Ferrari im Jahr 2000 gesagt, er könne Schumacher schlagen und Weltmeister werden.

Jedes Mal aber war der Deutsche in den entscheidenden Situationen besser, meist aus eigener Kraft, aber auch schon mal dank der Teamorder. In den letzten fünf Jahren hieß der Weltmeister nie Barrichello, sondern immer Schumacher. "Seit ich im Team bin, hat Ferrari alle Titel gewonnen. Vielleicht liegt das ja auch ein bisschen an mir", meinte der Brasilianer trotzig.

Für 2005 hat Barrichello seinen Traum wieder mal neu formuliert: "Ich will bei Ferrari gegen Michael Weltmeister werden. Ich greife wieder an und höre erst auf, wenn ich erkenne, dass Michael besser ist als ich. Bisher ist das nicht der Fall."