• 27.08.2002 15:32

  • von Fabian Hust

10 Jahre Formel-1-Sieger Michael Schumacher

Vor 10 Jahren holte Schumi Sieg Nr. 1 - ein Rückblick auf ein bemerkenswertes Debüt und einen unglaublichen Werdegang

(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher wurde am 3. Januar 1969 im Westen Deutschlands (Hürth bei Köln) geboren. Mit vier Jahren drehte er seine ersten Runden auf der Kartbahn seines Vaters in der Nähe seines Elternhauses. Im Kart wurde er mit 16 Jahren Junioren-Vizeweltmeister, zwei Jahre später Europameister. Kartfahren ist auch heute noch seine große Leidenschaft.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher: Schon als Formel-1-Neuling ein Realist...

Nach 15 Jahren Kart stieg Michael Schumacher auf Rennwagen um und fuhr in verschiedenen deutschen Meisterschaften ganz vorne mit. 1990 wurde Schumacher bei Mercedes-Benz Werksfahrer in der Sportwagen-Weltmeisterschaft und deutscher Formel-3-Meister. Ein Jahr später war der Sprung in die Formel 1 geschafft.

Des einen Leid ist des anderen Freud'

Michael Schumachers Einstieg in die Königsklasse des Motorsports war des einen Freud', aber des anderen Leid. Jordan-Pilot Bertram Gachot geriet auf dem Weg zu einer Pressekonferenz in London mit einem Taxifahrer in Streit und sprühte ihm CS-Gas in das Gesicht. Gachot wurde für seine Tat zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt und konnte aus diesem Grund nicht mehr für das Jordan-Team fahren - mit Michael Schumacher fand Eddie Jordan einen bis dato nur Szenekennern bekannten Ersatz.

Mit der Hilfe von Mercedes, Weber und zwei Sponsoren schaffte es Schumacher, im Team des Iren Eddie Jordan unterzukommen. "Schumacher, wer?", soll Jordan zuerst gefragt haben, und dann, ob der junge Mann die gefährliche Strecke in Spa schon gefahren sei. "Ja, schon hundert Mal", wird Webers Antwort von den Chronisten überliefert. Natürlich stimmte das nicht.

Die beiden reisten in die Ardennen, in den Grand-Prix-Ort rund 100 km von Kerpen entfernt, und Weber berichtete später: "Ich habe mit Michael auf einem Zimmer in einer Jugendherberge geschlafen." Knapp 1.000 Mark Taschengeld hat es für Schumacher gegeben, abends lud Weber ihn zu einer Pizza ein. 100.000 Dollar soll Eddie Jordan sich das Risiko Schumacher bezahlt gelassen haben.

"Wir konnten nicht groß investieren. Aber ich habe meine Chancen bekommen, und die habe ich genutzt", erinnert sich Schumacher an seine Anfänge. Seine Familie hatte kein Geld, jedenfalls nicht genug, um dem Sohn eine teure Motorsportkarriere zu ermöglichen. Schumacher war auf wohlmeinende Bekannte angewiesen, die ihm Gelegenheit gaben, sein außergewöhnliches Talent zu zeigen. "Ich habe von der Formel 1 geträumt, aber ich habe mir nie vorstellen können, dass es wirklich klappen sollte", so Schumacher in einem Interview der Fachzeitschrift 'motorsport aktuell'.

War die Stoppuhr kaputt?

Und plötzlich war er im Team, Michael Schumacher, der Gachot ersetzen sollte: "Michael war die eindrucksvollste Person, die je ein Debüt in meinen Autos gegeben hat. Es stellte sich eine Frage: entweder war die Stoppuhr defekt oder dieser Junge war verdammt gut", schwärmt Teamchef Eddie Jordan immer noch von dem sensationellen Debüt Schumachers.

1991 war das Jahr des Aufstiegs in die Formel 1 - mit gerade einmal 22 Jahren. Von der Mercedes-Sportwagenschule gekommen, begann für den Deutschen das wichtigste Kapitel seiner Rennfahrerkarriere. Plötzlich stand er in Silverstone und sollte einen Test im Jordan fahren - einen einzigen Tag vor dem Renndebüt in Spa, einer der schnellsten, gefährlichsten und anspruchsvollsten Strecken in der Formel 1.

25-30 Runden standen auf dem Plan, dann sollte sich Schumacher an sein Auto gewöhnt haben. Keine leichte Aufgabe, litt Jordan doch im Debüt-Jahr an chronischem Geldmangel und der Kerpener musste mit seinem grünen Einsatzauto für Spa den ersten Schritt tun - es gab kein Ersatzgetriebe und auch keinen Ersatzmotor. Sollte Schumacher sein Auto beschädigen, dann wäre es um das Debüt schon geschehen.

Schumacher verblüfft Jordan mit seiner Gelassenheit

Teammanager Trevor Foster klärte Schumacher darüber auf, der meinte aber nur gelassen: "Ja, ja, kein Problem". Ein Schaltfehler und das Getriebe und der Motor wären dahin. Nach einer Checkrunde kam Schumacher zurück an die Box, nach einer kurzen Überprüfung sollte Schumacher vier oder fünf Runden fahren.

Foster bat Schumacher, es langsam anzugehen, doch der 22-jährige hagere Mann im grünen Rennanzug ging seinen eigenen Weg: "Nach drei Runden glühten schon die Bremsscheiben. Er ist sofort voll gefahren, nach nur drei Runden. Er war zuvor noch nie mit Kohlefaserbremsen gefahren, aber er machte keine Anstalten, sich zuerst einmal daran zu gewöhnen", so Foster. Und seine Zeiten waren besser als jene der beiden Stammfahrer de Cesaris und Gachot!

Die Mienen in der Jordan-Box verrieten Verblüfftheit, Foster versuchte Schumacher einzubremsen, doch der ging auch in seinem zweiten Turn mit gleichem Elan zur Sache, konnte die ganze Aufregung um den Motor nicht verstehen: "Er hat das Auto behandelt, als sei es ein Spielzeug. Er bremste spät, schmiss es um die Kurven. Und das alles völlig mühelos. Wenn ihm das Auto ausbrach, holte er es sofort zurück. Und kein einziges Mal überdrehte er das Auto."

Der große Tag

Und dann war Schumacher einen Tag später in Spa, einer Strecke, die einem Piloten alles abverlangt, eine Strecke, die jeder Pilot respektiert. Schlafen musste der spätere Millionär an jenen Tagen in Belgien in einer Jugendherberge. "Ich kann mich noch daran erinnern, wie bei meinem Debüt das Jordan-Team dachte, dass ich die Strecke kenne, was aber nicht der Fall war. Aus diesem Grund schnappte ich mir ein Fahrrad, um dort ein paar Runden zu fahren und ich erkannte gleich, welch fantastische Strecke dies ist", erinnert sich Schumacher.

Schumachers erster Teamkollege in der Formel 1 war der erfahrene, seit elf Jahren in der Formel 1 aktive, Andrea de Cesaris und der sollte Schumacher in einem Auto um den Kurs fahren um ihm alles zu erklären. Doch Cesaris hatte keine Zeit oder sträubte sich besser gesagt davor, Schumacher zu helfen, und so fuhr Schumacher alleine mit einem mitgebrachten Klapprad los, um den Ardennen-Kurs zu begutachten. Eine Gepflogenheit, die Schumacher bis heute nicht abgelegt hat - nur nutzt er heute meistens einen Motorroller.

Am nächsten Tag röhrte der Hart-Motor zum ersten Mal auf und Schumacher ging auf die Strecke - wie in Silverstone fuhr der 22-jährige gleich volles Rohr und Foster funkte dem Deutschen zu, ob er denn nicht ein bisschen langsamer fahren wolle. Doch Schumacher antwortete trocken: "Nein. Ich fahre am Limit, nicht darüber" - Worte eines zukünftigen Champions. Am ersten Trainingstag flog er auf den Zeitentabellen nie aus der Top 10 heraus.

Schumacher war auf Anhieb schneller als de Cesaris

Als Schumacher wegen eines Defektes am Kühlkreislauf in das Ersatzauto von de Cesaris umsteigen musste, verblüffte er das ganze Team. Mit dem Auto, das auf den Teamkollegen abgestimmt war, fuhr er bereits in seiner ersten Runde eine schnellere Zeit als de Cesaris. "Er fuhr wie ein Profi, kam dann an die Box und erklärte uns, wo man das Auto noch schneller machen könnte", erinnert sich Foster.

Bei der anschließenden Besprechung sorgte Michael Schumacher dann für komplette Verwirrung. De Cesaris beschwerte sich über Bodenwellen, auf denen das Auto unruhig sei. Schumacher antwortete auf die Frage, ob er das gleiche Problem gehabt habe: "Zuerst ja. Wenn man da vom Gas geht, wird das Auto nervös. Aber dann habe ich es probiert und bin Vollgas gefahren und das Problem war weg." Wie selbstverständlich redete Schumacher von einer Kurve, die man eigentlich nicht mit Vollgas durchfährt.

Auch wenn sich Schumacher im Rennen vom siebten Startplatz aus gestartet (de Cesaris war Elfter) nach 150 Metern bereits mit einem Kupplungsdefekt verabschiedete, war es ein Debüt, das das Jordan-Team niemals vergessen wird. Auf den ersten Metern quetschte er sich noch an Jean Alesi und Nelson Piquet auf den fünften Platz vorbei.

Benetton schaltet schnell - Jordan ärgert sich

Im nächsten Rennen saß der Deutsche dann schon im Benetton. Ein Wechsel, über den sich Manager Willi Weber und Teamchef Eddie Jordan noch heute nicht grün sind. Benetton-Teammanager Flavio Briatore hatte schnell erkannt, welches Talent da in die Formel 1 gekommen war. Bereits im Jahr darauf gewann Schumacher dann im belgischen Spa-Francorchamps seinen ersten Grand-Prix auf einem Benetton-Ford - Belgien bleibt für Schumacher ein unvergessliches Pflaster. "Das Beste an diesem Sieg war, dass keiner der Top-Fahrer zu dieser Zeit ausgefallen war."

Sein erster Sieg hatte einen aufregenden Hintergrund, der typisch für den zur jederzeit analytisch denkenden Michael Schumacher ist. Der junge Rennfahrer rumpelte von der Strecke und brachte das Auto mit Mühe wieder heil auf die Strecke zurück. Während ein "normaler" Rennfahrer sich darauf konzentriert hätte, wieder ohne das Auto zu beschädigen ins Rennen zu gehen, äugte Schumacher auf die Hinterreifen seines Teamkollege Martin Brundle, der in diesem Moment vorbeischoss. Die Regenpneus zeigten Auflösungserscheinungen und so steuerte der Kerpener unmittelbar die Box an ? das war der Schlüssel zum Erfolg.

Die erste Saison beendete Schumacher als WM-Zwölfter mit vier WM-Punkten, bei sechs gefahrenen Rennen. 1992 fuhr der Kerpener seine erste volle Saison mit Benetton-Ford, holte den sensationellen dritten WM-Platz mit 53 Punkten und war damit der beste Rookie seit Jackie Stewart 1966. In Kerpen kamen die Fans bis zur Wohnung des neuen Idols. Schumacher zog nach Monaco und legte sich sogar mit dem großen Senna an, der ihn als "dummen Jungen" bezeichnet hatte. Der damalige Star vermutete aber auf Anhieb: Dieser Deutsche kann Weltmeister werden.

1993 hatte Benetton zuviel mit der Elektronik herumexperimentiert, der gelbe Renner ließ Schumacher sieben Mal im Stich. In den restlichen zehn Rennen stand Schumacher dann aber jedes Mal auf dem Podest, holte seinen ersten Sieg in Spa-Francorshamps. Zum Schluss sprang mit 52 Punkten der vierte WM-Rang heraus.

Der erste WM-Titel

1994 war die dritte volle Formel-1-Saison für den Deutschen und sie sollte den Titel bringen. Schumacher widmete den Titel Ayrton Senna, der in Imola ums Leben kam und der den Titel verdient gehabt hätte. Nicht nur menschlich, sondern auch sportlich war es kein schönes Jahr, ganze vier Rennen wurde Schumacher von Rennen ausgeschlossen oder nachträglich disqualifiziert, trotzdem gewann er acht Grand Prixs und holte sich nach einer umstrittenen Kollision mit Damon Hill beim Saisonfinale in Adelaide den Titel.

Ein Jahr später gelang Schumacher die Titelverteidigung, schon zwei Rennen vor Schluss hatte der Deutsche den Titel in der Tasche. Mit neun Siegen in einer Saison ist Schumacher der erfolgreichste Pilot neben Nigel Mansell in dieser Kategorie. In den Saisons 2000 und 2002 konnte Schumacher diese beachtliche Bilanz egalisieren. Als erster Deutscher gewann Schumacher in der Saison 1995 beide Heimrennen in Hockenheim und auf dem Nürburgring.

Der Wechsel zu Ferrari

Nach viereinhalb Jahren bei Benetton unterschrieb Schumacher einen Vertrag bei Ferrari mit dem Ziel, die Weltmeisterschaft wieder zurück nach Maranello zu holen. Unter seinem Einfluss strukturierte sich das italienische Team um, die entscheidenden Positionen wurden mit neuen Fachleuten besetzt. 1997 und 1998 verpasste er die Weltmeisterschaft nur knapp im jeweils letzten Rennen. Bereits 1998 verlängerte er seinen Vertrag mit Ferrari bis in das Jahr 2002.

Das erste Jahr bei den Roten war eine Katastrophe. Der Ferrari streikte mehr als er fuhr. Resultat: sieben Ausfälle, 59 WM-Punkte, WM-Platz drei. Trotzdem gelang es Schumacher dreimal zu siegen. Der Ferrari-Pilot gewann alle Regenrennen der Saison und führte dort die Konkurrenz regelmäßig vor. Noch heute fragt sich der damalige Teamkollege Eddie Irvine, wie es Schumacher gelang, mit der "Renngurke" drei Rennen zu gewinnen - aber es waren eben alles Regenrennen.

Ein Jahr später stand Ferrari besser da, das Auto war zuverlässiger und besser, im letzten Rennen hätte Schumacher Weltmeister werden können. Schumacher lag vor Williams-Pilot Jacques Villeneuve in Führung, doch der kam dem Deutschen immer näher. Als Jacques Villeneuve plötzlich neben Schumacher auftauchte macht dieser die Türe zu. Die beiden berührten sich, Schumacher landete im Kies, der Kanadier im Ziel und holte den Titel. Die FIA erkennt Schumacher die WM-Punkte und damit den Vize-Titel ab.

1998 war der Ferrari ein Musterbeispiel an Zuverlässigkeit. Nur zwei Ausfälle behinderten Schumacher im Kampf um den Titel mit Mika Häkkinen. Doch nach einem völlig verpatzen Rennen mit einem Reifenplatzer in Suzuka war der Titel an den Finnen verloren.

Ferrari bedeutete viele Höhen und Tiefen

1999 war für Schumacher eine Saison voller emotionaler Wechselbäder. In Silverstone erlitt er den ersten folgenschweren Unfall seiner Karriere. Nach einem doppelten Bruch des rechten Beins musste der Deutsche sechs Rennen pausieren. In Malaysia feierte er dann ein grandioses Comeback und hatte am Ende der Saison maßgeblichen Anteil am Gewinn der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Mit zwei WM-Punkten Vorsprung sicherte sich Mika Häkkinen den Titel vor Schumachers Teamkollege Eddie Irvine, dem der Deutsche bei seinem Comeback den Sieg schenkte.

Mit dem Titelgewinn 2000 erfüllte sich Michael Schumacher einen weiteren Traum. Er führte das Ferrari-Team nach fünf Jahren harter Arbeit aus einer 21-jährigen Durststrecke ohne Fahrertitel. Vorzeitig verlängerte man die Verträge mit den Schlüsselpersonen des Teams bis in das Jahr 2004 hinein, darunter Michael Schumacher, Rennleiter Jean Todt, dem Technischen Direktor Ross Brawn, Konstrukteur Rory Byrne und Motorenchef Paolo Martinelli - man möchte noch viele weitere Jahre gemeinsam Erfolg haben.

Titelhattrick und Fahrt in das Buch der Rekorde

In der Saison 2002 gelang Michael Schumacher das Kunststück, seinen Titel im elften von 17 Rennen bereits zu verteidigen. Der Deutsche ist damit der zweite Fahrer in der Geschichte der Formel 1, dem nicht nur ein Titelhattrick gelang, sondern der fünf WM-Titel sein Eigen nennen kann.

"Manchmal kommt mir alles wie ein Traum vor", sagte Schumacher einst. Für Weber ist "Michael ein Glücksfall für die Formel 1". Der viermalige Champion Alain Prost hält Schumacher für "den Besten der Gegenwart". Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sieht in dem Deutschen schon lange den legitimen Nachfolger des 1994 tödlich verunglückten Ayrton Senna: "Er steht über allen anderen." Für Mercedes-Benz-Motorsportdirektor Norbert Haug, der Schumacher nur allzu gern in einem "Silberpfeil" gesehen hätte, ist "Michael die Messlatte".

Privates Glück auf der ganzen Linie

Für viele ist Michael Schumacher seit 1994 der beste Fahrer der Formel 1. Mit 62 Grand-Prix-Siegen steht er bereits seit mehr als einem Jahr auf Platz 1 der ewigen Bestenliste. Er gilt als ehrgeizig, diszipliniert und absolut erfolgsorientiert und wird von Freunden und Gegnern gleichermaßen respektiert. 1995 heiratete Schumacher seine Freundin Corinna, 1997 kam ihre Tochter Gina-Maria zur Welt, 1999 ihr Sohn Mick. Gemeinsam leben sie in der Schweiz am Genfer See.

Schumachers Privatvermögen wird auf mehr als 400 Millionen Euro geschätzt. Ein Privatjet, eine Luxusyacht und ein millionenschwerer Fuhrpark gehören längst zum ganz normalen Standard des reichsten deutschen Sportlers.

Geliebt, verehrt und "gehasst"

Längst ist Michael Schumacher einer der bekanntesten Sportler weltweit. Wer die Formel 1 verfolgt, wird um den Mann nicht herumkommen, der in seiner Karriere mehr als 35 Prozent aller Formel-1-Rennen gewann. Und dabei kann er so herrlich polarisieren. Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht. Das "Phänomen Schumacher" wird auch an diesem Wochenende wieder tausende Fans nach Belgien reisen lassen.