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  • 26.12.2001 13:17

  • von Fabian Hust

Was machen die Teams in der Winterpause?

Während auf den F1-Strecken im November und Dezember die Motoren schweigen, herrscht in den Fabriken der Teams Hochbetrieb

(Motorsport-Total.com) - Alle sprechen sie vom Urlaub. Michael Schumacher, der in Norwegen mit seiner Frau Corinna und den beiden Kindern Gina-Maria und Mick ein paar ruhige Tage verbringt und Bruder Ralf, der mit seiner Frau Cora und dem jungen Söhnchen David in seiner österreichischen Villa entspannt. Doch während sich die Stars erholen, wird in den Fabriken der Teams unter Hochdruck an der Fertigstellung der neuen Autos gearbeitet, sieben Tage in der Woche und oftmals 24 Stunden am Tag in Schichtarbeit. "Wer rastet, der rostet", dieser Spruch gilt in der Formel 1 erst recht. Würde sich ein Team über den Winter eine Pause gönnen, würde es beim Saisonauftakt hinterherfahren.

Titel-Bild zur News: Ferrari im Schnee

Schnee und Formel 1? Das passt nicht, deshalb gibt es die Winterpause

Wenn man überhaupt von einer Winterpause sprechen kann, dann betrifft dies ausschließlich die Monate November und Dezember, in denen laut dem Reglement des Motorsportweltverbandes FIA nicht getestet werden darf. Bis auf ein einige PR-Termine und das obligatorische Fitnesstraining haben die Fahrer und das Renn- und Testteam also weitestgehend frei. Doch bereits im Januar geht es wieder auf die Teststrecken der Welt. Nur an Weihnachten und an Neujahr legen auch die emsigsten Arbeiter in den Fabriken ihre Arbeit nieder ? für ein paar Stunden, versteht sich.

Im Winter dreht sich bei den Teams alles um die Entwicklung des nächstjährigen Autos. Das Testverbot führt nicht dazu, dass in den Fabriken der Teams nicht getestet wird. Dort müssen die Komponenten nun eben auf dem Prüfstand beweisen, dass sie einsatzfähig sind. Im Prinzip hatten die Teams bereits im Verlaufe der letzten Saison ein neues Auto entwickelt, denn bei den Top-Teams ist seit dem Saisonauftakt so gut wie kein Teil des Autos unangetastet geblieben ? vor allem zur Gewichtsoptimierung wurde jedes einzelne Bauteil optimiert, im Winter bewusst eingeplante Sicherheitspolster abgebaut.

Bereits Anfang des Jahres wird mit der Entwicklung des neuen Autos begonnen

Februar, März, April, das sind die Monate, in denen die Teams bereits mit der Entwicklung des nächstjährigen Autos beginnen. Dann nämlich kennt man schon einige Schwächen des aktuellen Autos, die man in der frühen Entwurfsphase bereits berücksichtigen und eliminieren möchte. Wenn die Formel 1 wie in den letzten Jahren das Reglement nur geringfügig verändert, stellen die in jedem Jahr deutlich verschärften Crashtests die größte Herausforderung für die Designer dar. Die Strukturen des Monocoques müssen in den frühen Zeichnungen festgelegt werden, dann folgt der Entwurf der restlichen Komponenten.

Im Mai und Juni konzentriert sich dann auch die Aerodynamikabteilung des Teams auf die Entwicklung des nächstjährigen Autos. Je nachdem, in welcher Situation sich das Team in der laufenden Weltmeisterschaft befindet, widmen sich die Designer mehr oder weniger intensiv noch um das aktuelle Auto. So begann Ferrari mit der Entwicklung des F2002 so früh wie noch nie, war der F2001 der Konkurrenz doch so überlegen, dass man es sich leisten konnte, die Weiterentwicklung etwas schleifen zu lassen. Modelle werden entwickelt, die dem neuen Reglement entsprechen, und im Windkanal versuchen die Aerodynamiker, das Optimum aus der Chassisform, den Flügeln und Windabweisern heraus zu holen.

Verspätungen kosten Leistung

Ende Juli beginnen die Teams gewöhnlicher Weise damit, das Gesamtkonzept des Autos fertig zu stellen. Dabei müssen vor allem die mechanischen Komponenten optimal in das Auto integriert werden, dazu gehören zum Beispiel der Motor und das Getriebe. Wenn sich die Fertigstellung einzelner Komponenten verzögert, müssen die Designer Kompromisse eingehen, um die Integration zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, was sich natürlich negativ auf die Leistung des Autos auswirkt.

Wenn das Gesamtkonzept steht, beginnt ab November die Produktion der einzelnen Teile, dies kann zum Teil mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Rund drei Monate dauert es, bis das neue Auto vom Produktionsstart bis zum ersten Test fertig gestellt ist. Die Top-Teams lassen sich bis Ende Januar, Anfang Februar mit der Fertigstellung des Autos Zeit. Erst dann wird der neue Bolide auf Herz und Nieren getestet. Eine späte Fertigstellung des Autos hat den Vorteil, dass man das Chassis lange im Windkanal optimieren kann, aber auch den Nachteil, dass nur noch rund drei Wochen Zeit zum Testen bleiben, was zu wenig ist, sollte es größere Probleme geben.

Wichtige Komponenten werden ausgiebig getestet

Komponenten wie Motor oder Getriebe verlangen natürlich nach viel mehr Testzeit als nur drei Wochen. Aus diesem Grund laufen die Komponenten mehrere Wochen auf Prüfständen, um dann bei den Tests im Januar und Februar auf der Strecke getestet zu werden. Hierzu bauen die Ingenieure die Komponenten zunächst in das Auto des Vorjahres ein, bis der neue Bolide einsatzbereit ist. Für die Teams ist es extrem wichtig, dass möglichst viele Teile beim ersten Test mit dem neuen Auto zuverlässig sind, denn in den wenig verbleibenden Testwochen gilt es, so viele Daten wie möglich über den neuen Boliden zu sammeln ? da würden Probleme mit mechanischen Komponenten wertvolle Testkilometer kosten.

Während das erste Auto auf den Teststrecken unterwegs ist, herrscht in den Fabriken der Teams weiterhin Hochbetrieb. Denn bis zum Saisonstart muss nicht nur noch ein zweites Einsatzautos produziert werden, sondern gleich eine große Anzahl an Ersatzteilen, denn so gut wie nie lassen sich Ersatzteile des alten Autos im neuen Rennwagen einsetzen. Rund 20 Exemplare der wichtigsten Komponenten müssen fertig produziert sein, bevor die Teams die Autos auf die Teststrecke schicken und bis zum ersten Auftaktrennen muss auch noch ein drittes Chassis bereit sein, das als Ersatzwagen zur Verfügung stehen wird.

Ist das neue Auto ein gelungener Wurf?

Wenn das neue Auto endlich auf die Strecke geht, können die Fahrer meistens bereits nach wenigen Runden sagen, ob das Auto ein gelungener Wurf ist oder nicht. Anhand der Daten, die die Teams auf der Strecke sammeln, vergleichen die Designer, ob sie mit ihren Computerberechnungen richtig lagen. Das ist wichtig für die weitere Entwicklung des Autos, denn die Entwickler müssen sicher gehen, dass ihre Computeranalysen möglichst genau das vorhersagen, was man von den Teilen bei ihrem Einsatz auch außerhalb der virtuellen Computerwelt erwartet.

Sehr schnell zeigen sich die Schwächen des neuen Autos auf, die Teams sind bemüht, mit ihrem neuen Auto auf möglichst vielen verschiedenen Strecken zu testen, um in der Saison ein Auto zu haben, das mit möglichst allen Strecken gut zurecht kommt. Allerdings dürfen die Teams nicht zu viel Zeit beim Reisen verlieren. Deshalb kommt es hier auf das goldene Mittelmaß an. Meist testen die Teams auf zwei bis drei verschiedenen Pisten. Die Nähe zur Fabrik und die damit verbundenen kürzeren Reaktionszeiten sind ein wichtiger Faktor und ein Grund, warum Ferrari lieber in Italien und die britischen Teams lieber in Silverstone testen, auch wenn sie hier häufig mit schlechtem Wetter zu kämpfen haben.

Kaum ist das neue Auto fertig, wird schon wieder weiterentwickelt

Die ersten Erkenntnisse aus den Testfahrten fließen sofort in die Weiterentwicklung des Autos ein, einige Komponenten werden vor dem ersten Rennen schon modifiziert, größere Probleme wie chronisches Unter- oder Übersteuern bekommen die Teams allerdings so gut wie immer nicht mehr rechtzeitig in den Griff, da es meist größere Modifikationen an Flügeln oder Aufhängungen bedarf. So konzentriert man sich vor dem Saisonstart vor allem auf die Zuverlässigkeit der Teile und beginnt erst mit umfangreichen Leistungstests, wenn die Formel 1 nach dem Überseeauftakt nach Europa zurückkehrt.

In der heutigen Zeit der Formel 1 sind die Autos keine Revolutionen, sondern "nur" noch Evolutionen. Die Fahrer sammeln zusammen mit ihren Ingenieuren über die Saison hinweg eine lange Aufgabenliste, die die Designer über den Winter abarbeiten. Die meisten Teams schaffen es, ihre Autos über den Winter schneller zu machen, es hat es aber auch schon gegeben, dass die Teams über den Winter mit der Weiterentwicklung zu weit gegangen sind. Das zeigt sich dann dadurch, dass die Autos nur auf bestimmten Strecken stark sind oder eine hohe Ausfallquote aufweisen. Für das gesamte Team ist es aus diesem Grund immer wieder ein spannender Moment, wenn das Auto die ersten Testkilometer abspult.