Von Melbourne bis Abu Dhabi
Weihnachtsgeschenk für die deutschen Formel-1-Fans: Am 23. Dezember gab Michael Schumacher sein Comeback bekannt, am 25. Januar wurde er in Stuttgart offiziell als Mercedes-Pilot präsentiert! Somit schließt sich ein Kreis, denn bereits vor seiner Grand-Prix-Karriere war Schumacher in der Sportwagen-WM mit Stern auf der Motorhaube erfolgreich.
Endlich: Nach viereinhalb Monaten Pause wurde am 14. März in Bahrain die neue Saison eröffnet. Sebastian Vettel erwischte den besten Start, gewinnen sollte er das Rennen aber nicht.
Zwar kontrollierte der Deutsche das Geschehen in der Sakhir-Wüste mit dem offensichtlich gelungenen Auto aus der Feder von Stardesigner Adrian Newey souverän, doch einer der acht Zylinder seines Renault-Motors verabschiedete sich frühzeitig. Am Ende wurde es nur Platz vier.
Fantastico, Fernando! Genau wie Kimi Räikkönen 2007 gewinnt auch Fernando Alonso seinen ersten Grand Prix auf Ferrari - aber im Gegensatz zum "Iceman" wurde er nicht Weltmeister.
Nicht der favorisierte Lewis Hamilton, sondern Jenson Button fuhr dank cleverer Taktiken in Australien (Bild) und China die ersten beiden McLaren-Siege der Saison ein. Button präsentierte sich als würdiger Weltmeister und kämpfte bis zum vorletzten Rennen um die Titelverteidigung. Letztendlich blieb es aber bei den zwei Triumphen am Saisonbeginn.
Ist Michael Schumacher noch der Alte? Die Kritik am siebenfachen Weltmeister wurde mit Fortdauer der Saison immer lauter. Erst beim Grand Prix von Spanien konnte er als Vierter erstmals aufhorchen lassen - und im beinharten Duell mit Jenson Button seine bekannten Qualitäten als Racer unter Beweis stellen.
Keiner der fünf WM-Anwärter blieb 2010 ohne Fehler, nicht einmal der sonst so coole Fernando Alonso. Der Crash im Freien Training in Monaco kostete ihn sogar die Teilnahme am Qualifying - auf dem Stadtkurs im Fürstentum besonders bitter.
Den Sieg sicherte sich Mark Webber, der spätestens ab diesem Zeitpunkt als ernsthafter Titelkandidat gehandelt werden musste. Dabei hatte er sich bei seinem Heimrennen in Australien noch mit wenig Ruhm bekleckert...
Aber Red Bull erlebte auch Tiefpunkte: Kollision zwischen Mark Webber und Sebastian Vettel in der Türkei - in Führung liegend! Vettel schied aus, Webber rettete immerhin noch den dritten Platz hinter den beiden McLarens ins Ziel.
Nach der Türkei kamen bei Red Bull erstmals interne Risse auf. Vettel sah in Webber den Schuldigen, der sah es naturgemäß genau umgekehrt - und das Team fiel Webber in den Rücken, obwohl der praktisch alle Experten im Fahrerlager auf seiner Seite hatte. Später wurde bei einem Krisengipfel in Milton Keynes die Friedenspfeife geraucht.
Der Grand Prix von Kanada wurde zur wahren Reifenschlacht, Graining (Körnen, entsteht durch zu hohe Temperatur der Lauffläche bei zu niedriger Temperatur des inneren Gummis) der Bridgestone-Pneus brachte das Rennen völlig durcheinander. Fernando Alonso fuhr mit diesen Reifen als Dritter auf das Podium.
"Not bad for a Number two!" Weil man ihm vor dem Qualifying den einzigen neuen Frontflügel weggenommen und diesen stattdessen beim Teamkollegen montiert hatte, war Mark Webber in Silverstone stinksauer. Am Sonntag gab er jedoch mit dem Sieg beim Grand Prix von Großbritannien auf der Strecke die beste Antwort.
Lewis Hamiltons Trainingscrash beim Grand Prix von Deutschland war der Anfang einer vermehrten Fehlerhäufigkeit beim McLaren-Piloten. "Ungefähr ab meinem Ausfall in Monza verlor ich die Kontrolle über die Situation", sollte er später analysieren.
Grand Prix von Deutschland in Hockenheim: Felipe Massa führte das Rennen an - und machte plötzlich für Fernando Alonso Platz, ließ seinen Teamkollegen überholen. "Fernando is faster than you. Do you understand this Message?", hatte Massas Renningenieur Rob Smedley zuvor gefunkt - und sich später entschuldigt: "Sorry!" Ferrari kostete der Regelverstoß 100.000 US-Dollar, aber keine Punkte.
Sebastian Vettel war der Pechvogel der Saison, aber manche Punkte verschleuderte er auch selbst - wie zum Beispiel beim Grand Prix von Ungarn, wo er den erlaubten Maximalabstand hinter dem Safety-Car nicht einhielt und dafür mit einer Durchfahrstrafe belegt wurde, ...
... oder beim Grand Prix von Belgien, wo er auf einer nassen Bodenwelle zu ungestüm bremste und damit nicht nur sich selbst, sondern auch den völlig perplexen Jenson Button eliminierte.
Bravissimo, Ferrari! Fernando Alonso setzte in der zweiten Saisonhälfte zu einer sensationellen Aufholjagd an und gewann unter anderem den Ferrari-Grand-Prix in Monza. Spätestens jetzt war der Spanier wieder mittendrin im Titelkampf - und sagte vor lauter Emotionen: "Ich bin bei Ferrari so glücklich wie noch nie!"
Diesmal kein "Crashgate", aber Zündstoff hatte das Nachtrennen in Singapur auch dieses Jahr zu bieten - im wahrsten Sinne des Wortes: Heikki Kovalainens Lotus fing am Ende des Rennens Feuer. Beim Löschen legte der Lotus-Pilot selbst Hand an.
Fernando Alonso gewann den Grand Prix von Singapur vor den beiden Red Bulls, feierte damit seinen ersten "echten" Sieg beim Nachtrennen und galt plötzlich wieder als heißer WM-Favorit.
Südkorea: Gleich fünf Fahrer kämpften dieses Jahr ernsthaft um den WM-Titel, auch wenn Jenson Buttons Chancen auf die erfolgreiche Titelverteidigung nach dem organisatorisch fragwürdigen Premierenrennen in der Heimat von Hyundai und Co. nur noch rechnerischer Natur waren.
Aber auch Red Bull traf es hart: Mark Webber warf sein Auto an zweiter Stelle liegend weg und nahm dabei auch noch Nico Rosberg mit, ...
... und Sebastian Vettel schied in Führung liegend mit Motorschaden aus. "Ohne all seine Probleme", seufzte Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko, "wäre Sebastian schon längst Weltmeister..."
Nach Mark Webbers Salto in Valencia vielleicht der spektakulärste Crash der Saison: Ein übermotivierter Felipe Massa räumte in der ersten Kurve in Suzuka Vitantonio Liuzzi ab. Bitter für den Italiener, der sein Force-India-Cockpit voraussichtlich an Paul di Resta verlieren wird.
Felipe Massa, ein Jahr nach seinem bizarren Stahlfeder-Unfall in Ungarn: Der Ferrari-Pilot gewann 2010 keinen einzigen Grand Prix und wurde in Deutschland quasi offiziell zur Nummer zwei degradiert. "Für mich ist er seit dem Unfall nicht mehr der Alte", findet Experte Marc Surer. Ein Bild mit Symbolcharakter.
Platz fünf in Brasilien war für Jenson Button nicht genug, um seine theoretischen WM-Chancen noch am Leben zu erhalten. Der McLaren-Pilot beendete seine Regentschaft als Weltmeister genau dort, wo er sie ein Jahr zuvor begonnen hatte. Viel wichtiger aber: Am Abend vor dem Rennen überlebte er einen bewaffneten Raubüberfall nur dank der Geistesgegenwart seines extra für solche Situationen ausgebildeten Chauffeurs!
WM-Showdown in Abu Dhabi: Sebastian Vettel gewann das Qualifying und machte auch in der ersten Kurve alles richtig, knallte Lewis Hamilton entschlossen die Tür zu. Von da an ließ er nichts mehr anbrennen und gewann das Rennen souverän. Fernando Alonso wurde nur Siebter, Mark Webber Achter.
Damit stand fest: Sebastian Vettel ist der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte! "Danke, Jungs - ich liebe euch", brach er am Boxenfunk in Tränen aus. Selbst "Oberbulle" Dietrich Mateschitz rang im ersten Interview nach Worten: "Kommt in fünf Minuten wieder..."
Mit Vettel auf dem Podium: Sein Mentor Helmut Marko. Der Österreicher meinte anschließend: "Es hat der würdigste Mann gewonnen. Und an all die Besserwisser wegen Stallregie: Das, was wir gemacht haben, ist aufgegangen!"