Das besonderste Rennen des Jahres: Viel Hitze, viel Feuchtigkeit, viel Safety-Car, viel Nacht und viele Kurven
Willkommen zum wohl speziellsten Grand Prix des Jahres: Singapur steht zwar erst zum neunten Mal im Formel-1-Kalender, ist für viele Piloten aber bereits ein echter Klassiker. Wir sagen euch, worauf man bei dem wohl härtesten Rennen der Saison achten muss.
Seit 2008 ist die Königsklasse im südostasiatischen Stadtstaat zu Gast. Und wohl auf keiner anderen Strecke werden so viele spektakuläre Bilder produziert. Für die Piloten ist Singapur aber alles andere als glamourös, vielmehr ist es ein knallharter Job.
"Physisch musst du auf deinem absoluten Topniveau sein", weiß Jenson Button. Denn bei keinem anderen Rennen wird so viel Schweiß vergossen, wie in Singapur. Das liegt vor allem an drei Bedingungen: der hohen Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit und dem ultralangen Rennen.
"Ich verliere mehr als fünf Prozent Körpergewicht in zwei Stunden. Das ist richtig heftig", bringt Nico Rosberg die Anstrengung auf den Punkt. Laut Ärzten verliert man nach zwei Prozent die Konzentration. Doch die ist in Singapur wichtig: Das Rennen geht fast immer an die Zwei-Stunden-Marke.
61 Runden gilt es auf dem 5,073 Kilometer langen Kurs zu absolvieren, jedes Mal muss man in 23 Kurven enorme Präzision beweisen. "In den letzten zehn bis 20 Runden betest du für ein Safety-Car", meint Sergio Perez, der wie seine Kollegen physisch und mental an die Grenze geht.
Nicht selten geht man aber darüber hinaus. Die Konzentration zu wahren, ist eine wahre Monsteraufgabe, und ein Fehler kostet hier schnell das komplette Rennen. Durch die nah stehenden Mauern gehört das Safety-Car eigentlich zur Grundausstattung in Singapur und kann schon fast in die Rennstrategie einberechnet werden.
Wie man das "am besten" macht, hat Renault 2008 bewiesen, als Nelson Piquet jun. für den berühmtesten Unfall sorgte, als er absichtlich in die Wand fuhr, um Teamkollege Fernando Alonso zum Sieg zu verhelfen. Die Drahtzieher um Flavio Briatore wurden daraufhin aus der Formel 1 verbannt.
Wegen seiner Stadtcharakteristik wird Singapur häufig mit Monaco verglichen, doch eigentlich hat es mit dem Rennen an der Cote d'Azur wenig gemeinsam. Denn trotz der nahen Mauern herrscht genug Platz: "Dort hat man kaum Auslaufzonen, hier kann man aber etwas versuchen und davonkommen, wenn es nicht funktioniert", meint Räikkönen.
Vor allem in den ersten Kurven nach dem Start herrscht eine Menge Platz, danach wird es aber blitzschnell - ebenfalls wenig Monaco-like. Auf der langen Gerade nach Kurve 5 erreichen die Boliden mehr als 310 km/h - und setzen auf den knackigen Bodenwellen auf. "Der beste Streckenteil", so Nico Hülkenberg. Sein Auto dürfte das anders sehen.
Über die mittlerweile entschärfte Singapore-Sling-Variante geht es zur Anderson-Brücke, wo einige besondere Hindernisse lauern: "Die Kabel unter dem Asphalt können die Elektronik verrückt spielen lassen", sagt Fernando Alonso. Die Straßenbahn hat an dieser Stelle schon für mehrere Störungen gesorgt.
Doch Singapur ist für die Fahrer mehr als nur ein eklig anstrengender Hitze-Grand-Prix. Denn der Nachtflair macht das Rennen einzigartig. Zwar fährt man auch in Bahrain und Abu Dhabi im Dunkeln, doch nur in Singapur tricksen die Piloten die innere Uhr aus. Weil das Rennen im Europa-Rhythmus stattfindet, bleiben die Piloten in diesem.
Das heißt, die Piloten gehen erst um vier Uhr nachts ins Bett - und stehen dementsprechend spät auch auf. "Gestern war ich bis drei Uhr in der Bar, das ist echt witzig", findet Rosberg den Zeitplan cool. Andere wiederum haben Probleme: "Jeder Tag kommt dir vor, als wäre er 36 Stunden lang", stöhnt Jenson Button - er wird ja nicht jünger.
Dementsprechend muss man sich mit Tricks verhelfen: Fensterscheiben verdunkeln hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, damit man nicht vom Tageslicht geweckt wird. "Ich schlafe gerne, von daher ist es das perfekte Rennen für mich", lacht Pascal Wehrlein. "Man lebt wie in einem Paralleluniversum", meint Button.
Das Wichtigste ist aber vor allem: trinken, trinken trinken! Das wird vor allem im Rennen zum Problem, weil man nur 0,4 Liter in seiner Trinkflasche mit hat. Körperliche Fitness ist daher unerlässlich: "Man muss ein, zwei Wochen Hitzetraining gemacht haben", empfiehlt Fernando Alonso. Visier aufmachen nützt in Singapur ohnehin nichts.
Wer all die Anstrengungen überwunden hat und schnell war, der kann sich über eines der bedeutendsten Podien freuen. "Ein Sieg in Singapur ist mehr wert als auf anderen Strecken. Prestigeträchtiger", meint Alonso. Der Spanier ist übrigens einer von nur drei Siegern hier - und alle waren Weltmeister.