Die Saison 2013 im Rückspiegel
Red Bulls viertes Erfolgsjahr beginnt mit der Präsentation des RB9, der auf seinem erfolgreichen Vorgänger, dem RB8, aufbaut. Die Weltmeister haben alle ihre Grundpfeiler aus der siegreichen Ära behalten können und vertrauen somit auch 2013 auf ein eingespieltes Team. Für die Bullen zählt nur eines: beide WM-Titel holen.
Schon bei den ersten Testfahrten in Jerez beginnt die große Geheimniskrämerei: Das Auto von Sebastian Vettel und Mark Webber wird hinter Stellwänden versteckt, wenn es nicht auf der Strecke ist. Die Konkurrenz wittert große Geheimnisse und fürchtet, dass die Truppe aus Milton Keynes auch 2013 nicht zu schlagen sein wird.
Doch der Gegenbeweis folgt schon beim Saisonauftakt in Melbourne: Vettel und Webber holen zwar gleich im ersten Qualifying die Doppel-Pole, im Rennen müssen sich beide aber Reifenflüsterer Kimi Räikkönen und Fernando Alonso geschlagen geben. Während der Heppenheimer von Adrian Sutils Heck (alb-)träumt, fällt bei seinem Teamkollegen Webber KERS aus - ein Vorbote für die Saison.
Ab Malaysia kennt die Formel 1 nur noch ein Thema: Vettels teaminterne Attacke auf Webber, der sich eigentlich schon im Cruise-Modus befindet. Der Australier verlässt sich auf die Anweisung "Multi Map 21" und wird vom Deutschen überrumpelt. Reue zeigt Vettel zwar kurz nach dem Rennen, relativiert seine Aussagen aber schon zwei Wochen später.
Trotz des Doppelsieges nährt Red Bull in Malaysia die Kritik an Reifenhersteller Pirelli. Die Bullen sind äußert unzufrieden mit den schnell verschleißenden Pneus und sehen sich benachteiligt. "Im Moment werden wir ein wenig dafür bestraft, dass wir ein gutes Auto haben, das vor allem in schnellen Kurven sehr gut geht", erklärt Teamchef Christian Horner.
Der erste Rückschlag für Vettel folgt beim dritten Rennen in China. Der Deutsche verpasst zum ersten von insgesamt nur drei Malen das Podest, auch wenn er in der Schlussphase auf frischen Reifen eine wahnsinnige Aufholjagd leistet. Auf Sieger Alonso fehlen am Ende zwölf Sekunden.
Doch im Gegensatz zu Webber kommt der Deutsche wenigstens ins Ziel. Weil die Boxencrew einen Reifen nicht festzurrt, rollt der Australier kurz nach seinem Boxenstopp aus. Es ist kein gutes Wochenende für den 37-Jährigen: Im Qualifying streikt die Tankanlage, und vor seinem Aus kollidiert er mit Jean-Eric Vergne und fängt sich eine Strafversetzung ein. Noch während des Wochenendes nähren sich erste Porsche-Gerüchte.
Zuvor feiert Webber in Bahrain aber erst einmal seinen 200. Grand Prix. Die Torte bleibt neben seiner neuen Frisur als einziges in Erinnerung: Im Rennen kommt der Red-Bull-Pilot nicht über den siebten Platz hinaus. Teamkollege Vettel darf hingegen seinen zweiten Saisonsieg feiern - mit neun Sekunden Vorsprung.
Es folgt die größte Durststrecke für den Heppenheimer in dieser Saison: Sowohl in Barcelona wie auch in Monaco gewinnt der Deutsche zwei Rennen in Folge nicht - das gab es in der gesamten restlichen Saison nicht. Die "Busse auf Vergnügungsfahrt" erweisen sich in den Straßen von Monte Carlo als großes Hindernis. Hinter Nico Rosberg jubeln die Bullen immerhin über die Ränge zwei und drei.
Doch schon in Kanada rückt Vettel die Kräfteverhältnisse in der Formel 1 wieder gerade. Unantastbar fährt der 26-Jährige einen Start-Ziel-Sieg heraus und vergrößert seinen Abstand auf Verfolger Fernando Alonso weiter. Der Ferrari-Pilot muss zusehen, dass sein Rückstand nicht uneinholbar wird.
Vor dem Großbritannien-Grand-Prix platzt die Bombe: Webber kündigt an, Red Bull am Saisonende zu verlassen. Den Australier zieht es in die Langstrecken-WM zu Porsche. Unterdessen geht bei Red Bull die Suche nach einem Nachfolger los.
Besonders der Name Kimi Räikkönen wird hoch gehandelt und ist bei den Fans Wunschkandidat auf den Platz an der Seite von Vettel. Doch den Finnen zieht es zu Ferrari, und Red Bull entscheidet sich mit Daniel Ricciardo für eine interne Lösung.
Sportlich läuft es beim Heimspiel von Red Bull nicht nach Wunsch. Beim Reifenchaos von Silverstone erwischt es auch Vettel. Allerdings machen dem Deutschen nicht die Pirellis einen Strich durch die Rechnung: In der 41. Runde versagt das Getriebe am RB9 und Vettel verliert die Führung und 25 Zähler. Es ist der einzige Ausfall für Vettel im Jahr 2013. Webber rettet die Teamehre mit Rang zwei.
Doch die Entschädigung folgt zwei Wochen später: Am Nürburgring kann Vettel gleich zwei Flüche besiegen. Der Red-Bull-Pilot feiert seinen ersten Sieg beim Heimspiel in Deutschland und gleichzeitig seinen ersten Sieg im Monat Juli.
Überschattet wird das Rennen in der Eifel allerdings von einem schweren Unfall in der Boxengasse. Weil die Red-Bull-Crew beim Boxenstopp von Webber erneut ein Hinterrad nicht richtig festzieht, löst sich das Objekt und trifft einen Kameramann. Dem FOM-Mitarbeiter geht es mittlerweile wieder gut, allerdings wurden daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen verschärft.
Gute Nachrichten gibt es im Sommer allerdings aus Kalendersicht: Überraschend kehrt Spielberg für 2014 in den Grand-Prix-Zirkus zurück und verschafft dem österreichischen Getränkehersteller somit ein echtes Heimrennen. Zu verdanken hat man die Rückkehr wohl Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz, der sich intensiv für ein Comeback eingesetzt hat.
Doch erst einmal kommt das Rennen von Ungarn. In Budapest muss sich Vettel sowohl in Qualifying und Rennen Lewis Hamiltons Mercedes geschlagen geben, zudem erweist sich am Sonntag Kimi Räikkönen im Lotus als rollende Blockade. Für den Deutschen reicht es vor Teamkollege Webber zu Rang drei.
Dass Sebastian Vettel aber auch abseits der Strecke Spaß haben kann, beweist er immer wieder. In Herten nimmt er als "Super-Seb" in Super-Mario-Manier an einem Seifenkisten-Event teil und zeigt auch dort sein Können am Lenkrad. Doch nicht nur in der Seifenkiste gelingt Vettel und Red Bull im Sommer ein großer Sprung.
Denn nach der Sommerpause sind die "Roten Bullen" plötzlich der Konkurrenz weit enteilt. 17 Sekunden trennen Vettel vom Zweitplatzierten Alonso in Spa-Francorchamps, dabei war der Deutsche nur von Rang zwei ins Rennen gegangen. Doch schon auf der langen Kemmel-Geraden schnappt sich der Weltmeister Polesetter Lewis Hamilton und triumphiert souverän. Der Abstand zu Platz zwei beträgt da schon 46 Punkte - und wird nie wieder so klein sein...
Denn auch das nächste Rennen sollte Vettel für sich entscheiden, während Webber das Ergebnis als Dritter abrundet. In Monza reicht es für die Scuderia nur zu Rang zwei hinter dem Heppenheimer, was für ein paar Pfiffe seitens der Fans sorgt, die Vettel fortan begleiten. Zwar sind Unmutsbekundungen in Italien durchaus zu erwarten gewesen, doch auch in Singapur geht das Pfeifkonzert nach dem Rennen weiter.
Beim Nachtrennen im südostasiatischen Stadtstaat fährt Vettel nämlich trotz Safety-Car-Phase zur Rennhalbzeit über 30 Sekunden auf den zweitplatzierten Alonso heraus. Die Fans finden die Dominanz des Red-Bull-Piloten langweilig und auch die Konkurrenz rätselt, wie der Deutsche teilweise drei Sekunden pro Runde herausholen konnte.
Ex-Minardi-Teamchef Gian Carlo Minardi vermutet sogar eine illegale Traktionskontrolle im RB9. Der Italiener will seltsame Motorengeräusche vernommen haben, doch bis heute gibt es nichts am Red Bull zu beanstanden.
Während Vettel weiter von Sieg zu Sieg eilt, bleiben für Teamkollege Webber nur sonstige Schlagzeilen übrig. In Singapur rollt der Australier eine Runde vor dem Ende aus und wird von Fernando Alonso per Taxi zurück in die Boxengasse gefahren. Die FIA-Rennkommissare finden das gar nicht lustig und verwarnen beide. Für Webber bedeutet dies sogar eine Rückversetzung in der Startaufstellung.
Die nächsten Wochen sind für Vettel nur noch Formsache: Auch in Südkorea und Japan gewinnt der 26-Jährige und fährt seinem nächsten WM-Titel entgegen, auch wenn ihm Teamkollege Webber und Lotus-Pilot Romain Grosjean das Leben in Suzuka deutlich schwerer machen.
Für Webber ist klar: Für ihn geht es in seiner Abschiedssaison nur noch um Rang zwei. Doch auch der ist schwierig zu erreichen, weil ihn immer wieder seine Pechsträhne einholt. In Südkorea fackelt sein Red Bull nach einem Abschuss von Adrian Sutil ab, in Indien versagt seine Lichtmaschine auf Rang zwei liegend. So wird es nichts mit einem Abschiedssieg.
Bei Vettel herrscht indes Gewissheit: Mit dem Sieg in Indien holt der Hesse seinen vierten WM-Titel nach Hause und zieht mit Alain Prost gleich. Nur noch Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio haben mehr WM-Titel gesammelt als Vettel - Grund genug, sich bei Adrian Neweys RB9 zu bedanken.
Zudem entdeckt der Deutsche in Indien eine weitere Leidenschaft: Donuts drehen. Bei jedem weiteren Sieg praktiziert er Pirouetten vor den Fans - beim ersten Mal noch auf Kosten der Teamkasse. "Wir haben das letzte Mal schon bezahlt, also wird es diesmal aufgeteilt oder von Sebastian übernommen", schmunzelt Teamchef Horner nach dem zweiten Donut in Abu Dhabi. Doch dort hatten die Kommissare nichts gegen die Einlage.
Doch bei Red Bull muss alles immer eine Spur größer und extremer sein. Seine beiden WM-Titel feiert das Team kurzerhand mit Donuts auf dem Burj Al Arab in Dubai in 210 Metern Höhe. Ex-Pilot David Coulthard zeigt sich als durchaus schwindelfrei und begeistert von der Idee.
Der Rest ist für Vettel pures Schaulaufen. Dennoch kämpft er weiter verbissen um jeden Sieg, denn schließlich gibt es noch ein paar Rekorde zu knacken. In Abu Dhabi triumphiert der 26-Jährige zum siebten Mal in Folge, doch statt zu feiern, relaxt er lieber im Paddock mit seinen Eltern Norbert und Heike. Auch mit vier WM-Titeln kann man noch ein Familienmensch sein. Das ist Vettel sehr wichtig.
Beim Stichwort Familie darf natürlich auch Hanna Sprater nicht fehlen. Seine langjährige Freundin hält Vettel zu großen Teilen vollständig aus den Medien raus, denn Privates soll bei ihm auch Privates bleiben. Doch eine Sache gibt auch ein Sebastian Vettel stolz bekannt: Er und seine Freundin erwarten im kommenden Jahr ihr erstes Kind.
Webber konzentriert sich derweil auf seine letzten beiden Formel-1-Rennen. In Austin und Sao Paulo hat der Australier noch einmal die Chance, ein versöhnliches Ende zu erleben. Beim Rennen in den USA muss er sich als Dritter aber Romain Grosjean geschlagen geben und scheint sich mit dem Jägermeister nach dem Rennen nicht unbedingt anfreunden zu können. Ach ja: Es siegt Vettel.
In Sao Paulo nimmt Webber endgültig seinen Hut. Zwar klappt es auch im letzten Saisonrennen nicht mit dem Sieg, doch mit dem zweiten Platz hat sich der Australier mehr als versöhnlich verabschiedet, auch wenn er zum ersten Mal seit 2008 kein Saisonrennen gewinnt.
Unvergessen bleibt natürlich auch seine allerletzte Runde in Brasilien. Auf der Auslaufrunde zieht Webber seinen Helm vom Kopf und fährt "oben ohne". Seine Bilanz in 215 Formel 1 Rennen: Neun Siege, 42 Podestplätze, 13 Pole-Positions und 19 schnellste Rennrunden.
Doch im Vergleich dazu liest sich die Statistik von Vettel noch viel beeindruckender. Mit seinem Sieg in Brasilien hat der Heppenheimer nun auch den Rekord von Alberto Ascari eingestellt, der ebenfalls neunmal in Folge gewann. Mit dem 13. Saisonsieg egalisiert der Red-Bull-Pilot auch die Bestmarke von Michael Schumacher aus dem Jahr 2004. Eine Fortsetzung des Märchens ist nicht ausgeschlossen.
Denn auch wenn ein neues Reglement in der Formel 1 Einzug hält, hat man die wichtigsten Personalien immer noch an Bord. Neben Vettel ist dies vor allem Technikchef Adrian Newey, der besonders sein Können zeigen kann, wenn er von null anfangen darf. Die Konkurrenz ist gewarnt.
Allerdings muss Red Bull einige wichtige Abgänge verkraften. Neben Aerodynamik-Chef Peter Prodromou verlassen auch Mark Ellis, Chefingenieur für Fahrzeugdynamik, sowie Giles Wood, Chefingenieur für Simulation und Analyse, die Hallen in Milton Keynes. Dennoch dürften die Bullen wohl auch 2014 wieder zu den absoluten Topfavoriten zählen.