Grand Prix von Großbritannien
"Ich glaube, die Sonnencreme brauchen wir nicht", meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner prophetisch - und er sollte Recht behalten: Silverstone 2012 war geprägt vom schlechten Wetter, das die Organisatoren vor eine enorme Herausforderung stellte und die Augen der Ingenieure auf die Wettermonitore statt auf die Zeitentabelle fesselte.
Auf den Camping- und Parkplätzen herrschte indes das totale Chaos, weil viele Flächen nicht asphaltiert sind. Am Samstag musste Streckenchef Richard Phillips sogar tausende Fans nach Hause schicken. Trotzdem gab es einen neuen Zuschauer-Rekord: 127.000 am Renntag, 297.000 am gesamten Wochenende.
Die Schlammschlacht spielte sich aber nicht nur abseits, sondern auch auf der Strecke ab, wie Romain Grosjean im Training erfahren musste.
Und das, obwohl die Pirelli-Regenreifen bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h bis zu 60 Liter Wasser pro Sekunde verdrängen können.
Den Fans war das alles egal. Nirgendwo sind sie so fachkundig wie in Großbritannien - auch wenn diese jungen Männer sicher nicht nur die Formel 1 im Kopf hatten.
Das Konzept der Sonnenbrille legte dieser Streckenposten kreativ aus. Oder "very british", wie man auch sagen könnte. Denn Sonnenschein, so unkten manche, ist auf der Insel so selten wie ein Sieg der Engländer im Elfmeterschießen.
Aber kein Wunder, dass die Fans bestens gelaunt waren, schließlich wurden sie auch bestens unterhalten. Etwa von dieser Fliegerstaffel...
... oder vom Lotus-Team, das die Werbetrommel für einen neuen Hollywood-Film rührte. Romain Grosjean wäre am Samstag, als das Qualifying abgebrochen wurde, im "Batman-Panzer" wahrscheinlich besser aufgehoben gewesen als im filigranen E20.
Doch man kann es mit der Euphorie auch übertreiben: Dieser McLaren-Fan musste von der Polizei nach draußen eskortiert werden, weil er keine Zugangsberechtigung für den Paddock, den "Heiligen Gral" der Formel 1, hatte.
Lewis Hamilton und Jenson Button hatten bei ihrem Heimspiel nicht viel zu lachen. So guter Laune erwischte man sie nur auf den Masken ihrer Fans.
Dabei hätten sich die zum 60. Thronjubiläum von Königin Elisabeth II. so sehr einen zweiten Sieg von Lewis Hamilton in Silverstone gewünscht. 2008 hat er ja schon bewiesen, dass er die Highspeed-Strecke gerade im Regen im Griff hat.
Die Queen sagte für den Grand Prix aber ebenso ab wie für das Tennis-Finale in Wimbledon. Dort ging der Brite Andy Murray genauso leer aus wie die Briten in Silverstone. HRT-Testfahrer Dani Clos muss demnach einer Doppelgängerin auf den Leim gegangen sein.
Diese Promis waren dafür echt: Hollywood-Schauspieler Jude Law bei Red Bull, ...
... Popsänger James Blunt, ...
... Frauenschwarm Hugh Grant...
... und "Mr. Bean" Rowan Atkinson. Der ist übrigens glühender Motorsport-Fan und war dieses Jahr sogar bei den 24 Stunden von Le Mans am Start, wenn auch nur in einem Aston-Martin-Rahmenrennen.
Bernie Ecclestone führte IOC-Präsident Jacques Rogge herum, der ein olympisches Formel-1-Rennen übrigens kategorisch ausschließt. Dabei wollte Bernie schon vor Jahren lieber Gold, Silber und Bronze anstelle von WM-Punkten verteilen.
Apropos Olympia: Caterham-Teamchef Tony Fernandes, Eigentümer des Londoner Fußballklubs Queens Park Rangers, ist schon im Spiele-Fieber. Hier darf er für einen Beitrag von TV-Moderatorin Natalie Pinkham mit der Olympischen Fackel posieren.
Lewis Hamilton hatte am Montag nach Silverstone sogar die Ehre, ein Stück mit dem Olympischen Feuer zu laufen. "Nicht in einer Million Jahren hätte ich geglaubt, dass mir einmal so eine Ehre zuteil wird", strahlt der McLaren-Pilot. Ein gutes Aufmunterungs-Programm, denn nach dem enttäuschenden Rennen war er noch völlig niedergeschlagen.
Und während der 92-minütigen Qualifying-Unterbrechung am Samstag hatte er sich mit seinem iPhone gespielt, bis die Strecke endlich vom stehenden Wasser befreit war.
Anderswo wurde gearbeitet: Blick hinter die Kulissen eines technischen Briefings des Toro-Rosso-Teams. Links die Ingenieure von Daniel Ricciardo, rechts die von Jean-Eric Vergne. In der Mitte sitzen die "neutralen" Mitarbeiter rund um Technikchef Giorgio Ascanelli.
Lieferte sein stärkstes Saisonrennen ab, obwohl die Laune nicht immer bestens war: Felipe Massa (4.) mit Ehefrau Raffaela und Sohn Felipinho.
Dieser Anblick hätte einem besonders gut gefallen: Eddie Jordan.
Aber der frühere Teamchef hatte anderswo zu tun: Während des Rennwochenendes als TV-Experte, bei der Grand-Prix-Party nach dem Rennen am Schlagzeug. 22.000 Zuschauer blieben nach Rennende noch, um Jordan und seine Formel-1-Band jammen zu hören.
Außerdem stand sein Sieg im Zeichen der guten Sache: "Faces for Charity" nennt Red Bull die Aktion, bei der sich Fans für ein paar Euro auf den Boliden von Webber und Sebastian Vettel verewigen konnten. Der Erlös kommt der Stiftung Wings for Life zugute, die die Heilmethoden-Forschung für Querschnittslähmungen unterstützt. Man darf davon ausgehen, dass sich Dietrich Mateschitz nicht lumpen lassen und das Siegerauto von Silverstone nach Saisonende versteigern lassen wird.