• 03.09.2011 09:56

Marquardt: "Erfolg lässt sich nicht planen"

Interview mit BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt: Die Vorbereitungen mit dem BMW M3 DTM, die Konkurrenzsituation und die Frage nach den Fahrern

(Motorsport-Total.com/SID) - Neue Aufgabe, neue Führung: BMW nimmt die Rückkehr in die DTM mit einem neuen Steuermann in Angriff. Seit Mitte des Jahres trägt Jens Marquardt bei den Münchnern als Motorsportdirektor die Verantwortung für die Rennabteilung. Der 44-Jährige trat die Nachfolge von Mario Theissen an, der sich im Sommer in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet hatte.

Titel-Bild zur News: Jens Marquardt

Jens Marquardt hofft auf einen erfolgreichen Einstieg von BMW

Frage: "Herr Marquardt, Sie haben ein halbes Jahr an der Seite von Mario Theissen bereits in Ihre jetzige Aufgabe hereingeschnuppert. Wie war der erste Tag, an dem Sie allein verantwortlich waren?"
Jens Marquardt: "Der erste Tag, also der 1. Juli, war natürlich für mich ein besonderer Tag. Ich habe am 1. Juli die Chance gehabt, intern vor Führungskräften unser Projekt und unser Concept-Car schon einmal vorzustellen. Da hatten wir eine sehr gute Resonanz. Eigentlich hatte sich aber über Nacht nichts verändert."

Lob für Vorgänger Theissen

"Dieses halbe Jahr mit Mario Theissen hat wirklich klasse funktioniert. Ich konnte mich an seiner Seite sehr gut in die ganze Thematik bei BMW Motorsport einarbeiten. Zusammen haben wir in dem super Netzwerk, das Mario sich über 35 Jahre bei BMW aufgebaut hat, an den wichtigsten Stellen Anknüpfungspunkte etabliert. Es liegt natürlich an mir, diese auszubauen. Aber es ist ein sehr guter Grundstein gelegt worden. Vom 30. Juni auf den 1. Juli alleine die Zügel in der Hand zu haben und alleine Entscheidungen zu treffen, war für mich dann wirklich nur ein kleiner Schritt. Ein großer Schritt war es dagegen, dass zufälligerweise zu dieser Zeit auch unser DTM-Projekt richtig ins Rollen gekommen ist."

Frage: "Sie sprachen die DTM an: Wie wichtig ist für BMW in Bezug auf die Motorsport-Philosophie des Unternehmens die Rückkehr in die DTM, nachdem man zwei Jahre zuvor aus der Formel 1 ausgestiegen war, ohne das selbstgesteckte Ziel erreicht zu haben?"
Marquardt: "Dass BMW und Motorsport zusammengehören, ist immer klar gewesen. Auch der Entscheidung für das neue Motorsportprogramm lag zugrunde, dass jeder bei BMW sich dazu bekennt: BMW und Motorsport - das gehört zusammen und das passt zusammen. Das ist für uns als Motorsportabteilung eine gute Grundlage."

"Die Entscheidung, in die DTM zurückzukehren, in der wir schon einmal sehr lange und sehr erfolgreich engagiert waren, mit dem M3 als dem bisher erfolgreichsten Tourenwagen, macht uns zum einen stolz, zeigt aber auch, dass wir erkannt haben, dass wir Motorsport produktions- oder serienwagennahe ausrichten. Wir haben die entsprechenden Produkte, und die stärken wir durch unser Engagement. Parallel dazu bauen wir aber unsere starke Basis im Kundensport weiter aus. Denn da haben wir eine starke Fangemeinde weltweit, die mit unseren Produkten auf Rennstrecken die Freude am Fahren umsetzt."

¿pbvin|1|4024||0|1pb¿Frage: "In der DTM ist das von Audi und Mercedes gesetzte Niveau sehr hoch. Haben Sie Bedenken, von Anfang an auf Augenhöhe mitfahren zu können? Oder ist es für Sie völlig klar: Das ist der Anspruch von BMW und das werden wir auch umsetzen?"
Marquardt: "Es stimmt, das Niveau in der DTM ist extrem hoch. Mit dem Wiedereinstieg von BMW sind die drei Premiumhersteller vereint. Für uns ist absolut klar, dass wir in vielen Bereichen noch aufholen müssen. Auf der anderen Seite haben wir in allen Motorsportprojekten bewiesen, dass wir konkurrenzfähige Produkte an den Start bringen können, sowohl auf der technischen Seite als auch auf der operativen, organisatorischen und Fahrerseite."

"Genau das ist die Herausforderung. Wir wissen, wo wir technisch stehen. Mit den Ressourcen, die wir da auch in der BMW AG haben, was Aerodynamik, Windkanal, CFD-Berechnungen, Produktionsstätten oder die Vermarktung angeht, sind wir definitiv sehr gut aufgestellt. Im operativen Bereich mit unseren Teams haben wir eine gute Basis. Da haben Audi und Mercedes natürlich einen sehr großen Erfahrungsvorsprung. Ich bin überzeugt, dass wir 2012 einen konkurrenzfähigen Fahrerkader haben werden. Seine eigene Leistungsfähigkeit kann man planen, Erfolg lässt sich aber nicht planen."

Erst wird mit eigenen Fahrern gesprochen

Frage: "Von den sechs vorgesehenen Fahrern haben Sie bislang zwei offiziell bekannt gegeben, Andy Priaulx und Augusto Farfus, beide aus dem eigenen Kader. Wie viel Wert legt man darauf, in der DTM auch deutsche Piloten ins Rennen schicken zu können? Es gibt ja auch den einen oder anderen deutschen Fahrer in den eigenen Reihen..."
Marquardt: "Wir haben immer betont, dass wir zuerst mit unserem Fahrerkader sprechen. Sie werden auch in die Test- und Entwicklungsarbeit für unser Auto eingebunden sein. Was die Fahrerentscheidung angeht, lassen wir uns nach der Verkündung der ersten beiden jetzt erst einmal Zeit und konzentrieren uns mit diesen beiden und unserem aktuellen Fahrerkader nun auf die Entwicklungsarbeit am Auto."

"Zur Fahrerauswahl generell muss ich sagen, dass die Leistungsfähigkeit, das Potenzial und die Konkurrenzfähigkeit die tragenden Kriterien sind. Wenn einer dann noch andere Attribute mitbringt, ist das wunderbar. All das haben Augusto und Andy in der Vergangenheit in allen Kategorien gezeigt. Sie haben unser Vertrauen, sind feste Größen in unserem Programm gewesen. Deswegen ist es die logische Entscheidung, mit ihnen die ersten Schritte zu machen."

Frage: "Wäre für Sie Nick Heidfeld ein Thema, dessen Formel-1-Karriere wohl zu Ende geht und der schon einmal bei BMW war?"
Marquardt: "Wir beteiligen uns nicht an irgendwelchen Spekulationen."


Fotos: Präsentation des BMW M3 DTM


Frage: "Ist es ein kleines Bonbon und gut für das eigene Selbstbewusstsein, als erster Hersteller mit dem neuen Auto auf der Strecke gewesen zu sein?"
Marquardt: "Ich würde es gar nicht einmal als Bonbon bezeichnen. Uns war von Anfang an klar, dass die beiden anderen Hersteller uns gegenüber Vorteile haben, allein aufgrund der Tatsache, dass sie seit zehn Jahren dabei sind. Für uns war wichtig, und dafür haben wir auch intern einen riesen Kraftakt unternommen, so schnell wie möglich ein Auto zum Fahren zu bekommen, um anzufangen, diesen Vorsprung aufzuholen. Wir haben nicht nur die Aufgabe, unsere Technik zu entwickeln, sondern auch unsere Teams. In der DTM sind extrem professionelle Teams am Werk."

"Obwohl sich das Reglement der Autos im nächsten Jahr ändert, wird sich für diese Teams an der operativen Seite nichts ändern. Wir haben Teams, die in anderen Kategorien sehr erfolgreich waren, und ein Team, das ein kompletter Newcomer ist. Es ist eine Riesenaufgabe für uns, sie auf dieses Niveau zu bringen, auf dem wir uns bewegen werden, um im nächsten Jahr möglichst schnell auf Augenhöhe zu sein. Deswegen war es für uns extrem wichtig, ein Auto so früh wie möglich auf die Straße zu bringen."