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  • 26.10.2017 12:53

  • von Roman Wittemeier

Strietzel Stuck: Racerherz siegt über Amt und Würden

DMSB-Präsident Hans-Joachim "Strietzel" Stuck und seine diversen Rollen beim DTM-Saisonfinale 2017 in Hockenheim: Wenn Geld in die eigene Kasse gezahlt wird

Titel-Bild zur News: Hans-Joachim Stuck

Schnell wieder im Racing-Modus: DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck Zoom

Liebe Freunde des rechten Pedals,

nach dem Saisonfinale der DTM 2017 in Hockenheim hatte ich eine lange Rückfahrt nach Hause. Auf den rund vier Stunden zwischen der Rennstrecke in Baden-Württemberg und meiner beschaulichen Heimat in Ostwestfalen gingen mir zahlreiche Gedanken durch den Kopf. Die vielen Eindrücke vom Finalwochenende mussten verarbeitet werden. An Renntagen rauschen die Ereignisse vorbei wie Parkplatzschilder auf der A5 bei Tempo 200.

Die über 150.000 Fans am Hockenheim-Wochenende haben bleibenden Eindruck hinterlassen, ein langes Hintergrundgespräch mit DTM-Boss Gerhard Berger ebenso. Zudem - das gebe ich ganz offen zu - habe ich mich für Rene Rast gefreut. Zum neuen DTM-Champion habe ich seit fast zehn Jahren einen guten Kontakt, auch weil er aus Minden stammt - was wiederum nicht weit weg ist von meiner schon genannten beschaulichen Heimat.

Rene Rast war vor zehn Jahren für viele noch unter dem Radar. Leider hat es viel zu lange gedauert, bis der heute 30-jährige Familienvater ganz oben angekommen ist. "Ich habe mich seit Jahren gedanklich immer schon auf die DTM vorbereitet. Nur deshalb, weil ich im Falle eines Falles bestens vorbereitet sein wollte. Danach habe ich die ganzen Jahre gelebt", sagt Rast. Beim Titelgewinn dürfte maximale Genugtuung mitschwingen, weil trotz mehrerer Sichtungen einige "Ehrenrunden" in unteren Klassen notwendig waren.

Drei Rollen, ein Antrieb: Strietzel Stuck in Hockenheim

Und nun kommen wir zu dem, was mir während meiner Autofahrt immer wieder ein Schmunzeln bis hin zum lachenden Kopfschütteln beschert hat: Hans-Joachim Stucks Auftritte im Rahmen des DTM-Saisonfinales in Hockenheim. Der "Strietzel" war an jenem Wochenende - wie sollte es auch anders sein - ein Hansdampf in allen Gassen. Als DMSB-Präsident gesetzt, als Rennfahrer gefordert und als ARD-Co-Kommentor geliebt.

Solch ein Spagat zwischen drei Baustellen ist sicher nicht einfach, aber in diesen Rollen wurde mehr als deutlich, was der "Strietzel" ist und für immer sein wird: ein leidenschaftlicher Racer, der - um es mal in seinen eigenen Worten auszudrücken - sich nichts scheißt. Das wurde vor allem deutlich bei seinem Auftritt im Rahmen des großartigen "Race of Legends" zum Abschied des Audi Sport TT Cup. So etwas kann nur ein Stuck abliefern.

Hans-Joachim Stuck

"Strietzel" Stuck im Legendenrennen des Audi Sport TT Cup unterwegs Zoom

Die Piloten wie Tom Kristensen, Franky Biela, Marco Werner, Lucas di Grassi und eben Hans-Joachim Stuck haben nur 20 Minuten Zeit, sich am Samstag auf das bevorstehende Legendenrennen vorzubereiten. Für "Strietzel" bedeutet dies: Vollgas, sofort aus dem Stand. Konsequenz: Herr Stuck wird mal eben in der Boxengasse geblitzt. "Speeding in Pitlane" - da wird eine Strafe fällig. Wutentbrannt stapft der 66-Jährige aus Garmisch zur Rennleitung.

DMSB-Präsident spricht bei Rennleitung vor

Was "Strietzel" dort genau artikuliert, ist nicht genau überliefert. Aber klar ist - und das haben mir mehrere Beteiligte bestätigt -, dass Herr Stuck seinen Unmut über die Strafe klar äußert. Das setzen wir nun mal in den Zusammenhang: Der Präsident des DMSB meckert über eine Strafe, die seine Mitarbeiter auf Grundlage eindeutiger Messdaten gegen ihn aussprechen. Ganz eindeutig ist in diesem Moment der Racer in Aktion und nicht der Funktionär auf höchster Motorsportebene.

Am Sonntagmorgen vor dem Rennen wird der Ex-DTM-Champion auf seine Strafe angesprochen. In diesem Moment antwortet dann doch der DMSB-Präsident in Herrn Stuck. "Ist ja für den guten Zweck. Das Geld bleibt quasi in der Familie", so der Übeltäter vom Samstag. Am Sonntag im Rennen muss "Strietzel" auf der Strecke ein intensives Duell ausfechten: Stuck vs. Ickx heißt es. Klingt legendär. Am Ende zieht er den Kürzeren gegen Vanina Ickx ...

Ich mag mir kaum ausmalen, welche Gedanken dem Vollblutracer beim Überholmanöver der Belgierin kurz vor dem Ende des Rennens durch den Kopf gehen. Stuck ist jedenfalls nach dem Abstellen seines TT recht schnell verschwunden. Aber das hat gute Gründe. Denn es folgt ein Einsatz an einer dritten Front. "Strietzel" ist bei der wohl letzten ARD-Liveübertragung eines DTM-Rennens als Co-Kommentator von Philipp Sohmer aktiv - und wie!


Fotostrecke: DTM-Saison 2017 in Zahlen

Rennleidenschaft hinter dem TV-Mikrofon

"Mannomann, ist das spannend" - diesen Satz bringt Stuck mindestens einmal pro Rennrunde. Die Leidenschaft trieft aus allen Worten. Bis ihn die Anspannung und Freude komplett übermannt und er behauptet, dass Bruno Spengler das Rennen wohl ohne Boxenstopp zu Ende fahren wird. Lieber Herr DMSB-Präsident, das ist unmöglich. Das haben sie selbst in den DTM-Regeln so festgeschrieben! Egal, es geht halt um die Leidenschaft des Moments.

Im Verlauf des Kommentars rutschen dem Bayern noch einige andere Dinge heraus. Unter anderem spricht er von "unnötigen Strafen" - und fällt damit erneut seinen eigenen Leuten des Verbandes in den Rücken, die nichts weiter tun, als die von ihm selbst mitbestimmten Regeln umzusetzen. Auch dort muss ich festhalten: Racerherz siegt über Amt und Würden bei "Strietzel" Stuck. Ein No-go? Oder gerade gut? Überlassen wir das mal den TV-Zuschauern, die Stuck zum besten Co-Kommentator aller Zeiten kürten ...

Eines steht für mich mit einem breiten Grinsen aber fest: Genau solche Leidenschaft ist es, die uns nun durch die dunkle - weil motorsportarme - Winterzeit bringt!

Alles Gute,

Roman Wittemeier