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  • 01.10.2014 10:42

  • von Stefan Ziegler

Wie die Konkurrenz den neuen Mercedes analysiert

Der modifizierte Mercedes und was die Konkurrenz tut, um den Neuerungen auf die Spur zu kommen: BMW-Ingenieur Rudolf Dittrich erklärt die Analysearbeit

(Motorsport-Total.com) - Samstagmorgen, 8:45 Uhr in Zandvoort. Der modifizierte Mercedes geht erstmals auf die Strecke. In diesem Augenblick sind sämtliche Augen auf Christian Vietoris gerichtet. Er pilotiert den Neuwagen aus Stuttgart, für den sich nicht nur die Medienvertreter interessieren. Auch die DTM-Konkurrenz schaut ganz genau hin. Rudolf Dittrich, BMWs Leitender Ingenieur vor Ort, erklärt, wie das geht.

Titel-Bild zur News: Christian Vietoris

Der modifizierte Mercedes ruft auch die Konkurrenten von Mercedes auf den Plan Zoom

Nämlich nicht nur anhand von TV-Bildern oder Fotos, sondern auch anhand von Rundenzeiten. "Wir führen an jeder Rennstrecke eine sogenannte Sensitivitätsanalyse durch, für jeden einzelnen Sektor", sagt Dittrich. Gefahrene Zeiten werden in ein Simulationsprogramm eingegeben, damit die Ingenieure eine Datengrundlage haben. Anschließend können sie mit den Werten spielen und Setups testen.

"Wir können beispielsweise den Reifendruck oder den Abtrieb um jeweils ein Prozent erhöhen oder reduzieren. So erhalte ich einen neuen Zahlenwert und erkenne, wie viel mir zum Beispiel Abtrieb oder Motorleistung in einem bestimmten Sektor bringen", meint Dittrich. Neu ist dieser Ansatz aber nicht: "Diese Simulationstechnik ist schon Jahre alt." Doch sie sorgt für interessante Erkenntnisse.

Auch im Fall des neuen Mercedes, der gleich bei seinem DTM-Debüt in Zandvoort der Gegenstand einer gründlichen Analyse durch die Konkurrenz war. Dittrich erklärt, was dabei geschieht: "Wir schauen uns das Auto in jedem Sektor im Vergleich zu seinen Markenkollegen an." Man stellt also die Daten der beiden Mercedes-Modelle im Feld gegenüber und versucht, die Unterschiede zu finden.


Fotos: Erste Fotos vom neuen DTM-Mercedes


"Wenn ich da ein bisschen Energie investiere, kann man versuchen, herauszukriegen, was das Update gebracht hat", sagt Dittrich. Allerdings ist das für die Konkurrenz nicht so einfach: "Schwierig ist es im Moment deshalb, weil wir nur einen Datenpunkt haben." Denn einzig Vietoris hat einen Neuwagen pilotiert, nicht aber die weiteren sechs Mercedes-Fahrer. Deshalb ist Vorsicht angesagt.

"Normalerweise nimmst du dir zwei Autos, um zu wissen, ob du einen Trend vor dir hast oder nur einen Ausreißer", erklärt Dittrich, der sich in diesem Fall aber auf einen Datenpunkt beschränken muss. Trotzdem lässt sich etwas aus den Daten herauslesen: "Vietoris war im zweiten Sektor nicht so schlecht unterwegs." Das ist der kurvenreiche Abschnitt in Zandvoort, wo vor allem Abtrieb gefragt ist.

Genau daran hatte es Mercedes bisher gefehlt. Und die bisherige Datenauswertung deutet darauf hin, dass Fortschritte gelungen sind. "Es ist auf alle Fälle etwas passiert", hält Dittrich fest. Zumindest das lässt sich aus den Daten herauslesen. Nicht aber, wie viel Gewicht der Mercedes-Neuwagen auf der Strecke war. Doch auch dergleichen können die Spezialisten ermitteln - wenn auch nicht sofort.


Erste Fotos vom neuen DTM-Mercedes

Dittrich erklärt: "Es gibt eine Aerodynamiksensitivität und eine Gewichtssensitivität. Und es gibt vielleicht Strecken, wo diese Sensitivitäten so sind, dass ich das separieren kann. Vielleicht findet man im Laufe der Zeit auch so etwas heraus." Klingt kompliziert, aber das ist es gar nicht, wie Dittrich sagt: "Du bekommst die Rundenzeiten und vergleichst, wo ist er besser, wo schlechter. Das ist kein Hokuspokus."

Und vieles lasse sich auch schon beim Blick auf das Fahrzeug erkennen. Zum Beispiel, wie Dittrich meint, dass sich Mercedes an der Konkurrenz orientiert habe. Die Frontpartie und das hintere Radhaus erinnern den BMW-Ingenieur zumindest teilweise an das eigene Produkt. "Auf gewisse Weise haben sie uns damit also ein Kompliment gemacht", sagt Dittrich. Trotzdem schaut er ganz genau hin.