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  • 15.06.2011 21:45

  • von Roman Wittemeier

Kolumne: Falls Rockenfeller nicht fahren kann...

Was passiert eigentlich, falls Mike Rockenfeller seinen DTM-Sart in der Lausitz absagen muss? Redakteur Roman Wittemeier über den aktuellen Stand der Dinge

Titel-Bild zur News: Mike Rockenfeller

Mike Rockenfeller nach seinem Le-Mans-Unfall: Wird er in der Lausitz fahren?

Liebe Freunde der Steilkurven,

ich habe den Schock nach den zwei schweren Audi-Unfällen in Le Mans immer noch nicht ganz überwunden. Sobald ich via Youtube noch einmal die Bilder von den Abflügen anschaue, kehrt dieser unangehme Schauer auf meinen Rücken zurück, ich höre nichts mehr, halte im wahrsten Sinne des Wortes für einige Augenblicke inne.

Ich war in Le Mans live vor Ort als die heftigen Unfälle passierten. Im Falle von Allan McNish war die Erleichterung schnell da, man sah ihn aus dem Wrack klettern und zu den Fans winken. Im Falle von Mike Rockenfeller war die Situation eine ganz andere - nicht nur, weil "Rocky" bei seinem Crash wirklich gänzlich unschuldig war.

Die Bilder von diesem nächtlichen Trümmerfeld haben sich in mein Gehirn gebrannt. Vom Audi R18 war wirklich kaum noch etwas übrig. Als sich Rettungskräfte anfangs nur zaghaft am Wrack zuschaffen machten, wurde mir im Magen ganz flau - kein gutes Zeichen, dachte ich. Niemandem im Pressezentrum von Le Mans war zu diesem Zeitpunkt klar, dass Rockenfeller schon aus dem Auto raus, er schon über die Leitplanken gehüpft war.

Die Erleichterung war unendlich groß, als Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich die Nachricht verkündete, dass "Rocky" sein Auto allein habe verlassen können. In mir - und auch um mich herum - musste auch diese Einsicht erst einmal sacken. Es war angesichts dieser Bilder kaum vorstellbar, dass der DTM-Pilot es dermaßen gut überstanden haben könnte.

¿pbvin|1|3767||0|1pb¿Der Audi-Fahrer wurde zuerst ins Medical-Center an der Strecke gebracht, unterdessen sagte mir ein Audi-Teammitglied, dass der Einschlag bei exakt 307 km/h stattgefunden hatte. Solch ein Tempo wird in der DTM nie erreicht, mit einem LMP1-Prototypen in Le Mans hingegen ständig. Das Problem in Frankrech: Nach normalen Maßstäben ist die Strecke gar nicht sicher genug dafür - ist sie nie gewesen und wird sie niemals werden.

Kurze Zeit später habe ich mit Rockenfellers Teamkollegen Timo Bernhard im Fahrerlager gesprochen. Erst als der mir sagte, dass "Rocky" auf dem Weg ins Krankenhaus seine Eltern angerufen hat, habe ich die Nachricht vom glimpflichen Ausgang des Crashs geglaubt. Ich hatte das vorher tatsächlich nicht für möglich gehalten. Ein solcher Abflug und dann nur Prellungen und eine Schnittwunde am Arm...

Nun ist der DTM-PIlot in seiner Wohnung in der Schweiz, erholt sich von den Folgen des Unfalls und wird sicherlich noch einmal über die Situation nachdenken. Es werden bestimmt auch heimliche Gespräche mit dem persönlichen Schutzengel stattfinden. Rockenfeller wird in sich hineinhorchen. Tut man sich in einer solchen Situation wenige Tage später einen Start mit der DTM am Lausitzring an?

Sicherlich, "Rocky" zählt spätestens seit seinem Sieg in Zandvoort zu den aussichtsreichen Titelkandidaten in der DTM 2011. Aber was will er am kommenden Wochenende tatsächlich gewinnen? Ist die Aussicht auf ein paar Punkte - viel mehr wird es auf der klassischen Mercedes-Strecke kaum zu holen geben - es wirklich wert? Wo sieht der Mann aus Neuwied seine langfristige Zukunft? Vermutlich eher auf der Langstrecke als in der DTM.

Viele schlimme Unfälle am Wochenende: In Le Mans war ich noch viel blasser... Zoom

Ergo würde es mich kaum überraschen, wenn "Rocky" sich gegen eine Teilnahme am Lausitz-Rennen entscheiden würde. Wer einmal schwere Prellungen erlitten hat, der dürfte angesichts der damit verbundenen Schmerzen über viele, viele Tage auch vollstes Verständnis haben. Sollte Rockenfeller nicht fahren, stellt sich allerdings die Frage, wer ihn auf dem EuroSpeedway ersetzen könnte.

In diesem Falle wird Sportchef Wolfgang Ullrich "einen Ersatzpiloten seines Vertrauens benennen", so der offizielle Audi-Jargon. Wer könnte damit gemeint sein? Audi hat keinen offiziellen Ersatzpiloten für die DTM. Ein Markus Winkelhock kennt das Team aus jüngster Vergangenheit, ist mit dem Audi A4 DTM noch vertraut. Aber "Winky" fährt in der GT1-WM. Außerdem stellt sich die Frage, ob der frühere Audi-Pilot nach seinem Abschied das Vertrauen von Sportchef Ullrich genießt.

Im Sportwagenbereich hat Audi für solche Fälle vorgebaut. Marco Bonanomi ist seit Jahresstart offizieller Ersatzpilot für die Langstrecke. Der Italiener durfte mehrfach im R18 testen. Aber einen DTM-Boliden ist er noch nie gefahren, daher scheidet er wohl aus. Wer bleibt? Wenn es um DTM-Kenntnisse und Vertrauen vom Teamchef geht, dann fällt mir eigentlich nur ein Name ein: Tom Kristensen.

Auf eine schnelle Genesung von "Rocky",

Roman Wittemeier