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Ecclestone: Plötzlich Rückenwind durch das London-Urteil?

Lange schien das London-Urteil, in dem Bernie Ecclestone Bestechung vorgeworfen wird, zum Stolperstein zu werden - Doch es gibt Widersprüche zur Münchner Anklage

(Motorsport-Total.com) - Einen Tag vor dem Start des Strafprozesses gegen Bernie Ecclestone vor dem Münchner Landgericht ist die Spannung groß. Der Formel-1-Boss hat von der Möglichkeit abgesehen, sich freizukaufen, und will seine Unschuld beweisen. Und riskiert damit eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. Ein heikles Unterfangen, was aber beweist, dass der 83-jährige Brite gar nicht daran denkt, seinen Job als Formel-1-Geschäftsführer aufzugeben. Eine finanzielle Lösung würde in der öffentlichen Wahrnehmung einem Schuldeingeständnis gleichkommen - und dann wäre er für den Inhaber der kommerziellen Rechte CVC Capital Partners und andere in der Formel 1 tätige Konzerne wie Daimler vermutlich untragbar.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Einen Tag vor Prozessbeginn: Dreht nun der Wind zugunsten von Ecclestone? Zoom

Dem Briten wird von der Münchner Staatsanwaltschaft vorgeworfen, mit dem Ex-BayernLB-Risikovorstand Gerhard Gribkowsky - 2012 zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt - einen Beamten bestochen zu haben, damit er den Verlauf der Formel-1-Anteile in die Hände seines bevorzugten Bieters CVC in die Wege leitet. Dabei sind 36 Millionen Euro auf das Konto des Bankers geflossen.

Was in der Anklageschrift steht

Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft Ecclestone in der 'Motorsport-Total.com' vorliegenden Anklageschrift vor, aus Angst gehandelt zu haben, die Kontrolle zu verlieren. Für ihn seien "die Beteiligungen der BayernLB und der weiteren Formel 1-Banken JP Morgan und Lehman als Mehrheitsanteilseigner der Formel 1 (...) von Beginn an ein Störfaktor", gewesen, heißt es.

"Jegliche Einmischung oder gar Mitbestimmung bei den operativen Abläufen und Strukturen durch die Banken als Mehrheitseigner wollte er so weit als möglich verhindern, da dies für ihn den Verlust seiner faktisch unumschränkten Kontroll- und Machtposition in der Formel 1 bedeutet hätte", erklärt man sich das Handeln des Formel-1-Bosses. Jegliche Vertragsabschlüsse soll Ecclestone "als seine persönliche Angelegenheit und seine Geschäftsgeheimnisse", gesehen haben. Dabei wollte er laut der Anklage den Banken "keine Mitsprache und keinen Einblick gewähren".

Staatsanwaltschaft: Warum Ecclestone 36 Millionen Euro bezahlte

Der Kernvorwurf der Staatsanwaltschaft lautet, Ecclestone wollte Gribkowsky unbedingt loswerden, weil dieser zu mächtig geworden war, und habe ihn geschmiert, um selbst weiterhin alle Zügel in der Hand zu halten. Der Formel-1-Boss habe demnach gewusst, dass Gribkowsky "bei der BayernLB nicht uneingeschränkt glücklich war". Zudem habe er erkannt, dass Gribkowsky "an dem Formel-1-Renngeschäft erheblichen Gefallen gefunden hatte."

Gerhard Gribkowsky und Bernie Ecclestone

Gribkowksy und Ecclestone: Wurde der Banker dem Zampano zu einflussreich? Zoom

Aufgrund dieser Umstände habe Ecclestone den Entschluss gefasst, Gribkowsky "auf seine Seite zu ziehen und ihm hierfür persönliche Vorteile in Aussicht zu stellen, um den konfrontativen Kurs Gribkowskys zu beenden und die BayernLB als Anteilseignerin der Formel 1 so rasch wie möglich los zu werden".

Und zwar durch den Verkauf an einen Anteilseigner, der Ecclestone "seine Position als CEO und auch seine weitgehende und bestimmende Stellung bei der Geschäftsführung der operativen Formel-1-Gesellschaften garantierte und zu dem ein Vertrauensverhältnis bestand, das eine intensive Einflussnahme auf seine Geschäftsführungstätigkeit, wie er es von der BayernLB befürchtete, nicht erwarten ließ."


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Gibt London-Urteil Ecclestone nun Rückenwind?

In Anbetracht der Anschuldigungen ist das Urteil des Londoner Gerichtshofs im Zivilprozess gegen Ecclestone Anfang 2014 interessant. Der deutsche Medienkonzern Constantin Medien hatte dem Formel-1-Boss vorgeworfen, für die Unterbewertung der Formel-1-Anteile gesorgt zu haben, damit man beim Formel-1-Verkauf um eine Prämie gebracht wird. Der Prozess ging allerdings zugunsten Ecclestones aus - dennoch hatte ihm Richter Guy Newey vorgeworfen, Gribkowsky bestochen zu haben. Das war jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens.

Trotz des für Ecclestone heiklen Vorwurfs gibt es Widersprüche zwischen dem Londoner Urteil und der Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft. Während diese davon ausgeht, dass Ecclestone Gribkowsky mit seinen Zahlungen ruhigstellte, heißt es im Londoner Urteil, dass die BayernLB nach dem Verkauf an CVC "wieder investieren hätte können, aber von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch machte. Die Beweislage deutet daraufhin, dass diese Entscheidung eher gegen den Willen Gribkowsky gefallen ist, anstatt auf sein Geheiß."

Demnach wäre es zu hinterfragen, ob die Zahlungen Ecclestone an den deutschen Banker tatsächlich den Hintergrund hatten, sich von der BayernLB zu befreien. Das stärkt nun die Position des Beschuldigten. Der Formel-1-Boss stützt seine Verteidigung darauf, dass Gribkowsky ihm gedroht hatte, die britischen Steuerbehörden über seinen Einfluss auf die eigentlich von seiner damaligen Frau Slavica Ecclestone geführten Familienstiftung Bambino in Kenntnis zu setzen. Das soll auch der Grund gewesen sein, warum er die 36 Millionen Euro an den ehemaligen BayernLB-Risikovorstand zahlte.