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  • 04.10.2017 10:28

  • von Roman Wittemeier & Adam Cooper

Warum die Formel 1 für Mercedes ein Schnäppchen ist

Viel Aufmerksamkeit für vergleichsweise kleines Geld: Das Formel-1-Engagement ist für den Daimler-Konzern ein Volltreffer - Sportliche Erfolge als Grundlage

(Motorsport-Total.com) - Mercedes bekommt in der Formel 1 viel Aufmerksamkeit für vergleichsweise geringen finanziellen Aufwand. Das zeigen die Daten aus dem Geschäftsbericht 2016. Demnach hat das deutsche Formel-1-Team mit Sitz im britischen Brackley eine erhebliche Umsatzsteigerung auf umgerechnet 326 Millionen Euro verzeichnet. Bemerkenswert: Nur zehn Prozent des Umsatzes machen die Zuschüsse vom Daimler-Konzern in Stuttgart aus. Ergo: Das Team arbeitet fast kostenneutral.

Titel-Bild zur News: Mercedes-Logo

Gute Bilanz 2016: Die Formel 1 ist für die Silberpfeile Gold wert Zoom

Nicht eingerechnet in die Bilanz sind die Umsätze des Werkes in Brixworth. Mercedes lässt die Antriebe unter dem Dach der HPP (High Performance Powertrains; Anm. d. Red.) entwickeln und fertigen. Dennoch wird deutlich, dass Mercedes im Vergleich zu beispielsweise den Le-Mans-Engagements von Porsche oder Audi eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit erfährt und das Formel-1-Programm somit als Schnäppchen durchgehen kann.

Alle Gerüchte um einen möglichen Ausstieg der Stuttgarter aus der Königsklasse verlieren angesichts der jüngsten Zahlen an Gewicht. Der Geschäftsbericht des Teams aus Brackley zeigt für 2016 eine Umsatzsteigerung von 240 Millionen Euro auf 326 Millionen Euro innerhalb eines Jahres. Diese Zahl beinhaltet Sponsorenleistungen, Einnahmen aus dem Vermarktungstopf der FOM (Formula One Management) und sogenannte Marketingumsätze - zum Beispiel Zahlungen der Daimler AG.

Daimler AG trägt nur geringen Teil der Gesamtkosten

Auf Kostenseite verzeichnete man gleichzeitig ebenfalls Steigerungen, beim Punkt Entwicklung sogar erhebliche. Die Vorbereitung der Formel-1-Autos für das neue Reglement 2017 sorgte für höhere Ausgaben im Bereich von rund 31,5 Millionen Euro. Zudem musste man rund 18 Millionen Euro Steuern an den britischen Fiskus abführen. Dennoch blieb unter dem Strich ein positives Betriebsergebnis von 16 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2015 schrieb man einen Verlust von über 38 Millionen Euro.

Die Zahlungen seitens der Daimler AG sind im Geschäftsbericht nicht präzise ausgewiesen. Dennoch ist klar, dass der Konzern vergleichsweise wenig beisteuern muss, wenn man dagegen die Einnahmen aus den Bereichen Preisgelder und Sponsoring sieht. "Ich will die genaue Zahl nicht nennen, aber der Marketingbeitrag der Daimler AG macht wirklich zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Toto Wolff

Hat bei Vorständen wegen guter Zahlen leichtes Spiel: Toto Wolff Zoom

"Das ist nur ein Klacks im Vergleich zu dem, was man an Aufmerksamkeit dadurch generiert. Das macht uns unter dem Strich profitabel. Die Umsatzsteigerung stimmt uns positiv, zumal wir sie in allen Bereichen verzeichnen konnten", ergänzt Wolff. Man habe Zugewinne bei Preisgeldern, TV-Rechten, Sponsoring und in anderen Bereichen realisiert. "Zum Beispiel bei zusätzlichen Events, Fahrprogrammen und so weiter. Es zeigt sich eine ermutigende Kurve nach oben", meint der Österreicher.

Bewusste Entscheidung: Mehr Geld für mehr Erfolg

Der Schlüssel für die positiven Geschäftszahlen sind die sportlichen Erfolge auf den Formel-1-Strecken. Die Bonuszahlungen aus dem Vermarktungstopf der Königsklasse stiegen an, zudem erhielt man im Verlauf des Jahres 2016 eine vereinbarte Sonderleistung aufgrund der Titelgewinne in den beiden Vorsaisons. Ein guter Deal mit dem ehemaligen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone vor dem Start in die neue Turboära sichert Mercedes hohe Einkünfte. Im Gegenzug gab man ein klares und längerfristiges Bekenntnis zur Formel 1 ab.

Die Ansage von Ecclestone war zum damaligen Zeitpunkt klar: Wenn es Mercedes schafft, genauso erfolgreich zu sein wie Red Bull in den Jahren zuvor, dann gibt es zusätzliche Ausschüttungen an die Silberpfeile angeblich in Höhe von rund 40 Millionen Euro. Die Zielvorgabe: Gewinn der Kontrukteurs-WM in zwei aufeinander folgenden Jahren und Sieg in mindestens 25 Grands Prix innerhalb von zwei Jahren. Offenbar hatte Ecclestone nicht damit gerechnet, dass Mercedes dies gelingen könnte. Falsch gedacht.

Beim Team aus Brackley herrschte großer Optimismus, dass man beim Wechsel auf die 1,6-Liter-V6-Turbos und der Veränderungen am Chassis einen großen Sprung nach vorn machen werde. Mercedes investierte hohe Summen in die Entwicklung, im Team blieb kaum ein Stein auf dem anderen. "Man wird dann mit Erfolgen auf der Strecke belohnt", meint Toto Wolff. Und genau diese Erfolge bilden die Grundlage für weiteres Wachstum, weil die Einnahmen gleichzeitig steigen.


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"Wir haben den Deal von 2012 und 2013 intensiv diskutiert. Die Frage war, ob wir das Geld komplett investieren, um das Geschäft zu stärken, unsere Möglichkeiten und Ressourcen auszubauen, um dadurch eine höhere Chance auf mehr Preisgeld zu schaffen. Es war eine ganz bewusste Entscheidung für diesen Weg. Und wir sind belohnt worden", freut sich der Mercedes-Rennleiter über den gelungenen Aufschwung.

Ausgaben in Brixworth kommen aus R&D-Budget

"Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, dann sieht man, dass nicht alles von den höheren Preisgeldern oder Sonderzahlungen abhängt, sondern ein großer Zuwachs auch aus Sponsoringeinnahmen und Zahlungen von anderer Seite kommt", stellt Wolff klar. Aber: "Wenn du im Säulenmodell bei den Ausschüttungen aufgrund deiner sportlichen Erfolge auf Platz eins kommst, dann sind die Zuwächse aus dem Topf schon wirklich erheblich."

Die guten Geschäftszahlen machen Wolff das Leben in der Argumentation des Formel-1-Projektes gegenüber den Daimler-Vorständen recht leicht. "Das ist für die Marke ein großartiger Deal, wenn man bedenkt, dass man nur zehn Prozent der Chassisentwicklung bezahlt und dann trotzdem ein Topteam hat. Das war immer unser Ziel. Man muss nicht jedes Rennen gewinnen, aber konstant in den Top 3 dabei sein", schildert Wolff die Daimler-Strategie und -Erwartung.

"Gemessen am Aufwand kommt viel zurück. Wir haben in den vergangenen Jahren das Vertrauen aufgebaut, dass unsere Annahmen tatsächlich Realität werden", freut sich der österreichische Geschäftsmann über den anhaltenden Erfolg in Brackley. Bleibt aber noch Brixworth: Die Motorenschmiede verzeichnete 2016 einen Umsatz von knapp 158 Millionen Euro. Darin enthalten sind jene Summen, die Williams, Force India und der ehemalige Kunde Manor für Antriebe zahlten.


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Der Löwenanteil des Umsatz besteht allerdings im Falle von HPP in Brixworth aus Zahlungen von der Daimler AG - also ganz anders als beim Chassiswerk in Brackley. Die Gelder aus Stuttgart werden bei der Antriebsabteilung nicht als Marketingzahlungen verbucht, sondern als Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Diese Kosten machen aber nur einen minimalen Anteil des gesamten Entwicklungsbudgets der Daimler AG aus. Dank des neuen Supersportwagens Project One, in den Formel-1-Technik einfließt, lassen sich die Ausgaben jetzt sogar noch besser argumentieren.

Auf dem Weg Richtung 2021: Kosten sollen sinken

"Eines darf man nicht vergessen: Von diesen Ausgaben für die Entwicklung profitiert auch der normale Automobilbau im Hause", meint Wolff. "Das Project-One-Fahrzeug, das wir in limitierter Auflage von 275 Stück produzieren, ist bereits komplett ausverkauft. Wir könnten bestimmt die zehnfache Stückzahl verkaufen. Da steckt die originale Formel-1-Technik drin. Dort wird die Relevanz von Verbrenner und Hybrid für die Straße greifbar und deutlich. Zudem ist es ein guter Businesscase und die Marke Mercedes profitiert erheblich."

Was sagt uns all dies über die Gemengelage in der Formel 1? Die großen und erfolgreichen Topteams investieren von Jahr zu Jahr immer mehr, aber gleichzeitig steigen auch deren Einnahmen immer weiter an. Die Konzerne im Hintergrund müssen im Vergleich zu weniger erfolgreichen Teams weniger eigenes Geld ausgeben. 2015 musste Dietrich Mateschitz bei Red Bull nur rund 11 Millionen zuschießen, 2016 waren es aufgrund geringerer Erfolge auf den Formel-1-Strecken bereits 45 Millionen Euro.

Die neuen Formel-1-Besitzer von Liberty haben ein klares Ziel formuliert: Die Königsklasse soll für alle Teams finanziell erfolgreich sein und sich nach Möglichkeit von selbst tragen. Auf dem Weg zum neuen Reglement für die Zeit ab 2021 legt man größten Wert auf Kostensenkungen und Reduzierung der Gesamtausgaben. "Ich bin bereit, über die Kostenseite zu sprechen", signalisiert Mercedes-Motorsportchef Wolff eine gewisse Offenheit.


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"Wir müssen verhindern, dass die Kosten weiter ansteigen und langfristig dafür sorgen, dass die Unterschiede bei den Ausgaben zwischen großen und kleinen Teams auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Da muss es einen guten Weg der Annäherung geben", so der Österreicher. "Wir alle leben unter den gleichen wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen und in der gleichen finanziellen Realität. Da muss man solche Debatten halt führen."

Auch Liberty will möglichst viel Geld verdienen

Auf der anderen Seite stehen die Einnahmen. Selbstverständlich will Liberty nicht nur Kostensenken, sondern nach Möglichkeit auch die Einkünfte gleichzeitig erhöhen. Das würde den Topf für Ausschüttungen an die Teams noch besser füllen. Die generelle Herangehensweise ist klar: Je größer der gesamte Kuchen, desto größer fallen auch die einzelnen Stücke für die Teams aus. Darüber wird allerdings in den kommenden Monaten und Jahren noch intensiv gerangelt. Klar ist: Die Teams wollen die Kostensenkungen nicht als Ausrede dafür gelten lassen, dass die Formel-1-Vermarkter am Ende womöglich weniger ausschütten.

"Diese Verhandlungen sollten wir aber nicht in den Medien führen", meint Toto Wolff. "Einige haben das in der Vergangenheit getan, aber für mich ist das nicht der richtige Weg. Die Einnahmen der Formel 1 steigen von Jahr zu Jahr immer weiter. Die Teams verdienen sich ihren Anteil daran. Allerdings muss jedes Team einzeln auf seine Gewinne und Verluste schauen und die Einnahmenseite optimieren. Gleichzeitig wissen wir auch, dass Liberty sein Geschäft mit der Formel 1 optimieren möchte."

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In der Gesamtgemengelage gelte es deshalb, einen für alle lukrativen Mittelweg zu finden. "Es geht darum, dass wir den Wert der Teams genau bemessen müssen. Wir müssen für jeden Einzelnen eine gute Lösung finden", erklärt der Mercedes-Motorsportchef. "Alle müssen profitierten. Allerdings ist auch klar, dass jeder für sich selbst das Beste herausholen möchte." Nach einer Vereinfachung des Ausschüttungsmodus klingt dies nicht, eher nach zähen Verhandlungen aller Teams mit dem Inhaber der kommerziellen Rechte.