• 14.10.2013 15:03

  • von Alexander Voigt

Vor der Mauer, auf der Lauer wartet ein kleiner Käfer...

135 Mongolen hätten keine Chance gehabt. Für sie war die Chinesische Mauer auf über 5.000 Kilometer ein unüberwindbares Hindernis in ihrem Drang nach Süden

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Die chinesischen Kaiser der Antike sicherten mit diesem heutigen Weltkulturerbe ihre Städte und Märkte. Stehen 135 PS aus Wolfsburg vor der Großen Mauer, rollt man ihnen einen roten Teppich aus. Auf diesem durchfährt der cremeweiße Käfer aus dem Jahre 1972 eines der alten Tore der Chinesischen Mauer. Die Tuning-Schmiede Theo Decker aus Essen verwandelte den Wolfsburger Klassiker in einen echten Sportwagen, der das Duell der Straße weder mit einem Jaguar noch einem Bentley zu fürchten hat.

Titel-Bild zur News: Mit einem Wolfsburger Käfer 2000 Kilometer durch China

Käfer aus dem Jahre 1972 durchfährt eines der alten Tore der Chinesischen Mauer Zoom

Im Sommer 2013 gewann das Team von Volkswagen Classic mit diesem Wagen die legendäre Alpen-Rallye Silvretta Classic. Doch nun liegen über 2000 Kilometer von Peking über Qingdao (Tsingtao) am Chinesischen Meer, die alte Kaiserstadt Nanjing bis nach Shanghai vor der rollenden Rarität. Sieben Tage lang fahren fast 40 historische Fahrzeuge durch die interessantesten Regionen Chinas. Sie bilden das Teilnehmerfeld der diesjährigen "4C": der insgesamt dritten "Classic Cars Challenge China".

Für den Auftakt an der Chinesischen Mauer ließ es sich Jochem Heizmann, seit September 2012 Konzernvorstand für das neu geschaffene Ressort "China", selbstverständlich nicht nehmen, persönlich das Steuer des Wolfsburger Käfers zu übernehmen. "China ist der größte und wichtigste Automobilmarkt der Welt. Und er entwickelt sich schnell: allein in diesem Jahr legte er bis September um mehr als 16 Prozent zu", verdeutlicht Heizmann die Relevanz Chinas für den Konzern.

"Volkswagen entwickelt und baut seit Jahrzehnten Autos, die zu Ikonen der Automobilgeschichte werden, wie eben der Käfer oder der Porsche 911", betont Heizmann. Da sei es ganz natürlich, daß man mit Repräsentanten der Schönheit ihrer jeweiligen Zeit dabei sei, wenn es darum geht, neben einer umfangreicheren Automobilkultur vor allem die Sportwagenkultur in China zu entwickeln. Und das gelingt. Stand früher bei jungen Chinesen die eigene Wohnung ganz oben auf dem persönlichen Wunschzettel, dann ist es heute der eigene PKW und bereits auf dem dritten Platz rangiert das zweite eigene Fahrzeug.

Mit einem Wolfsburger Käfer 2000 Kilometer durch China

Käfer und Porsche 911, die Ikonen der Automobilgeschichte Zoom

Spätestens dieses kann dann gerne ein kräftiger Sportwagen sein, denn auch der Drang, sich einen Chauffeur leisten zu wollen, hat merklich nachgelassen. 2,8-Millionen Fahrzeuge hat Volkswagen 2012 in China verkauft - rund 2,6 Millionen davon wurden bereits in den Chinesischen Werken des Wolfsburger Konzerns produziert. 2018 sollen es bereits vier Millionen sein. "Wir könnten aktuell mehr Fahrzeuge verkaufen, wenn wir höhere Kapazitäten hätten", so Heizmann im Interview kurz vor der "Classic Cars Challenge China".

Unmittelbar nach dem Start beginnt das Abenteuer chinesischer Straßenverkehr. In Europa heißen einige Angaben im "Roadbook" der Teilnehmer an Oldtimer-Rallyes "Chinesenzeichen". In China sieht selbst das geschulte Auge des Navigators auf dem Beifahrersitz ausschließlich chinesische Zeichen. Permanent müssen also aus dem fahrenden Auto heraus nicht nur Kilometerangaben kontrolliert, sondern auch passende Schriftzeichen gesucht, gefunden und verglichen werden.

Das bremst neben der malerischen Bergwelt im Norden Chinas das Vorankommen des weißen Käfers aus Wolfsburg. Doch in der Ebene und auf dem Weg nach Osten können nach der Eingewöhnung die 135 PS voll ausgefahren werden. Es geht nach Tianjin, eine der größten Städte Chinas und als wichtiger Hafen nicht nur ein großer Industriestandort sondern auch ein kulturelles Zentrum im Nordosten der Volksrepublik. Zum Glück werden inzwischen in den Metropolen die Lichtzeichen der Ampeln beachtet.

Mit einem Wolfsburger Käfer 2000 Kilometer durch China

Mit 135 PS nach Tianjin, eine der größten Städte Chinas Zoom

Das war nicht immer so und gerade in den "Städtchen" der Provinz, die dann mehrere hunderttausend Einwohner haben, sollte man stets eine Hand an der Hupe haben, um seine Einfahrt in eine Kreuzung anzukündigen. Dennoch gibt es genug Fußgänger, Fahr- sowie motorisierte Dreiräder, die mit einer stoischen Selbstverständlichkeit ihren Platz im Straßenraum einfordern. Dabei wird sich in der Provinz wie in der Großstadt zumindest am Fahrbahnrand auch gerne einmal entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung fortbewegt.

Der Verkehr fließt einfach - selbst auf einer fast sechs Spuren breiten Überlandstraße, frisch geteert, dafür aber komplett ohne Markierungen - neben- und miteinander. Derartig trainiert ist es kein Wunder, daß den Chinesen recht wenig passiert. Dennoch muß man sich als Europäische "Langnase" erst einmal daran gewöhnen. Selbst wenn man bereits den Fahrstil von mediterranen oder Ost-Europäern kennengelernt hat. Nach 281 Kilometern endet der erste Teil der Route.

Lediglich ein paar technische Ausfälle hat es gegeben. Beim Aussteigen erzählt Jochem Heizmann von seinem ersten Käfer. Einem 1960er mit 34 PS. An dessen Ursprünglichkeit erinnert der Konzernvorstand sich gerne beim Verlassen des nun nicht mehr weißen Sport-Käfers. "Gefühlt hat der keine 135 PS", ist Heizmann sich sicher und lobt damit die späte Käfer-Kunst. Dass er sie hat, beweist der weiße Wolfsburger auf den nächsten 589 Kilometern nach Qingtao.

Mit einem Wolfsburger Käfer 2000 Kilometer durch China

weiße Wolfsburger mit 135 PS, mehr als in den 60ern Zoom